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Das Video zeigt mutmaßlich bei einem Gegenangriff zerstörtes russisches Gerät.

© Screenshot Twitter @parrot_soldier

Ukraine-Invasion Tag 482: Führt die Taktik des „Herausforderns und Zerstörens“ Kiew zum Erfolg?

Biden nimmt russische Nuklearwarnung ernst, russische Wirtschaft schlägt sich besser als erwartet, 11.000 Euro Belohnung für jeden zerstörten Leopard-Panzer. Der Überblick am Abend.

Russische Truppen haben am Montag und Dienstag wohl einen massiven Gegenangriff auf das von den Ukrainern am Wochenende eroberte Dorf Pjatychatky begonnen. Der Ort liegt im südlichsten Teil der Front, nahe der Stadt Saporischschja. Dabei ist es Stand Dienstagnachmittag zu gravierenden Verlusten auf russischer Seite gekommen. In den sozialen Netzwerken war von der Zerstörung von mehr als 30 Panzern die Rede, gesichert ist durch Videoaufnahmen allerdings nur ein kleiner Teil dieser Verluste. 

Außerdem starteten russische Truppen am Montag ganz im Nordosten der Front einen größeren Gegenangriff. Wahrscheinlich, um die Ukrainer dazu zu bringen, eigene Truppen vom Süden in den Norden zu verlegen. Aber auch diese Vorstöße blieben Stand Dienstagnachmittag ohne Erfolg.

Die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar hatte am Montagabend von einer „schweren Lage“ und heftigen Kämpfen in der Ostukraine berichtet. Das russische Militär versuche bei Kupjansk im Gebiet Charkiw und bei Lyman im angrenzenden Luhansker Gebiet, die Initiative zurückzugewinnen, teilte sie mit. 

Die Gegenangriffe von Moskaus Truppen könnten den Ukrainern sogar gelegen kommen. Der schottische Kriegsforscher Phillips O`Brien spricht von einer Strategie des „Herausforderns und Zerstörens“ auf Seiten der Ukrainer: Nach kleinen Gebietsgewinnen durch die Ukrainer gehen die Russen zum Gegenangriff über, bei dem ihre Truppen aufgerieben werden. Die Ukraine kann dann die nächste kleine Eroberung angehen.

O’Brien geht davon aus, „dass die Ukrainer das eine Weile machen müssen, bevor die russischen Streitkräfte so schwach sind, dass größere Vorstöße der Ukrainer möglich werden.“ Seine Einschätzung: „Je mehr der besten russischen Truppen die Ukraine jetzt zerstören kann, desto besser sind die Chancen für eine darauf folgende erfolgreiche Gegenoffensive.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Biden warnt vor russischem Einsatz taktischer Atomwaffen: Erneut äußert sich der US-Präsident zu der laufenden Verlegung nuklearer Sprengköpfe von Russland nach Belarus. Kremlchef Putin zufolge soll der Vorgang bis Jahresende abgeschlossen sein. Mehr hier.
  • Das russische Parlament hat die Anwerbung von Straftätern zum Kriegsdienst in der Ukraine legalisiert. „Die Gültigkeit des Dokuments erstreckt sich nicht auf diejenigen, die zuvor wegen terroristischer und extremistischer Handlungen verurteilt wurden sowie wegen Vergehen gegen die sexuelle Unantastbarkeit von Minderjährigen“, hieß es einschränkend dazu am Dienstag auf der Seite der russischen Staatsduma. Zugleich will das Parlament auch russische Soldaten, die in der Ukraine kämpfen, bei geringen und mittelschweren Verbrechen von der Strafverfolgung befreien. Dazu zählen etwa Diebstahl und Betrug. Mehr in unserem Liveblog. 
  • Für die Zerstörung eines deutschen Leopard-Panzers bei den Kämpfen in der Ukraine hat ein russischer Soldat nach Angaben der Regierung in Moskau eine Belohnung von einer Million Rubel (knapp 11.000 Euro) von einer privaten Stiftung erhalten. Dies teilt das russische Verteidigungsministerium mit.
  • Die russische Wirtschaft schlägt sich nach Prognose der europäischen Ratingagentur Scope besser als bislang erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte in diesem Jahr nur um 0,8 Prozent schrumpfen, heißt es in der neuen Konjunkturvorhersage, die der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorlag. Bislang waren die Analysten von einem Einbruch um 4,0 Prozent ausgegangen, nach einem Minus von 2,1 Prozent 2022.
  • Die russische Privatarmee Wagner verzeichnet im Krieg gegen die Ukraine hohe Verluste. Nachdem sie zunächst Gefangene aus russischen Straflagern rekrutiert hatte, sucht die Söldnertruppe nun offenbar gezielt nach Menschen mit einem Gaming-Hintergrund, wie die US-Denkfabrik ISW berichtet. Die Gamer sollen dem Bericht zufolge für die Steuerung unbemannter Drohnen eingesetzt werden.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat an die chinesische Regierung appelliert, ihren Einfluss auf Russland im Ukraine-Konflikt noch stärker geltend zu machen. Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat „trägt China hier eine ganz besondere Aufgabe“, sagte Scholz am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit Chinas Regierungschef Li Qiang in Berlin. Auch im Rahmen der G-20-Gruppe „sollten wir hierzu gut zusammenarbeiten“, sagte Scholz.
  • Ein russisches Militärgericht hat ein Mitglied eines ukrainischen Freiwilligenbataillons zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Das Gericht der südrussischen Region Rostow am Don erachte Denis Mouryga, der die russische und ukrainische Staatsbürgerschaft besitzt, am Dienstag geplanter „terroristischer Handlungen“ für schuldig. Er sei zu „16 Jahren Straflager“ verurteilt worden, zitierten russischen Nachrichtenagenturen den zuständigen Richter.
  • Die EU-Kommission stellt der von Russland angegriffenen Ukraine 50 Milliarden Euro an neuen Finanzhilfen in Aussicht. Die Hilfen seien auf mehrere Jahre ausgerichtet, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag. Sie würden aus Krediten, aber auch aus Zuschüssen bestehen, die dann nicht zurückgezahlt werden müssten. Die neuen Hilfen sollten auch ein Signal an andere Geldgeber sein, ihre Hilfen aufzustocken.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den aus seiner Deutschlandzeit bekannten Vizeaußenminister Andrij Melnyk zum Botschafter in Brasilien ernannt. Das entsprechende Dekret wurde am Dienstag vom Präsidentenbüro veröffentlicht. Die Personalie war Mitte Mai bereits bekannt geworden.
  • Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagt, die Ukraine plane, die von Moskau kontrollierte Krim mit Himars- und Storm Shadow-Raketen anzugreifen. Russland werde in dem Fall Vergeltung übern, zitiert die Agentur Tass den Minister. Zudem wären solche Angriffe auch eine umfassende Beteiligung der USA und Großbritanniens.
  • Russland hat in der Nacht zum Dienstag ukrainischen Angaben zufolge erneut mehrere Städte in der Ukraine mit Raketen und Drohnen angegriffen, darunter die Hauptstadt Kiew und das etwa 70 Kilometer von der polnischen Grenze entfernte Lwiw. In einem Großteil des Landes warnten Alarmsirenen über Stunden hinweg die Bevölkerung vor Luftangriffen. Nach ersten Informationen sei es gelungen, 28 von 30 Drohnen abzuschießen, teilte der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte am frühen Morgen mit.

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