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Putin am 9. Mai in Moskau.

© action press/Смирнов Владимир

„Russlands Einnahmen leiden erheblich“: Um seinen Krieg zu finanzieren, presst Putin den Öl-Firmen nun noch mehr Rubel ab

Moskau braucht immer mehr Geld für seinen Krieg. Helfen sollen höhere Steuern für den bereits angeschlagenen Energiesektor. Westliche Beobachter halten die Maßnahme für destruktiv.

Der Start in das neue Jahr verlief schlecht für den russischen Staatshaushalt. Bereits im Februar erreichte das Haushaltsdefizit 2,6 Billionen Rubel (umgerechnet 31,4 Milliarden Euro). Im März waren es dann immer noch 2,4 Billionen Rubel (umgerechnet 29 Milliarden Euro): etwas weniger, aber immer noch „zu hoch“, wie der Sanktionsexperte Janis Kluge von Stiftung Wissenschaft Politik in einem Gastbeitrag für das Portal „Riddle“ festhält.

Der Hauptgrund für den hohen Fehlbetrag liegt in den massiv gestiegenen Kriegsausgaben sowie den rückläufigen Einnahmen aus den Energieexporten und den dadurch geringeren Steuereinnahmen. Im April fielen die Erlöse aus dem Energiesektor im Vergleich zum Rekord-Vorjahr 64 Prozent niedriger aus.

Maßgeblich dazu beigetragen haben vor allem die westlichen Sanktionen in Form des Öl-Preisdeckels, der dazu geführt hat, dass Russland auf dem Papier sein Öl nur noch zu einem Preis von 60 Dollar pro Barrel verkaufen konnte. Recherchen zeigen jedoch, dass russisches Öl tatsächlich zu deutlich höheren Preisen gehandelt wird – teils für 70 Dollar pro Barrel.

Dem Kreml entging zudem durch eine Fehlkalkulation Geld – die Energieunternehmen werden insgesamt zu niedrig besteuert. „Der Preisindex, der für die Berechnung der Steuersätze verwendet wird, ist zu niedrig. Es ist sehr schwierig geworden, den Preisindex für Ural-Öl zu bestimmen. Die russischen Ölexporteure bekommen deshalb tatsächlich deutlich mehr für ihre Lieferungen als das Finanzministerium mit seinem Preisindex ansetzt“, erklärt Kluge gegenüber dem Tagesspiegel.

Im Zeitraum zwischen Dezember 2022 und März 2023 lag der durchschnittliche Preisindex laut dem russischen Finanzministerium um die 50 Dollar pro Barrel. Zusammengefasst bedeutete das für die letzten Monate: Der stark angeschlagene Energiesektor freute sich über Preise oberhalb des westlichen Preisdeckels und geringere Abgaben an den Staat.

Aus Sicht des Kremls soll damit nun Schluss sein. Seit April 2023 gilt eine neue Formel für die Besteuerung von Erdöl. Sie orientiert sich am Preisunterschied zwischen russischem Ural-Öl und der Referenzsorte für den Weltmarkt Brent.  

„Wenn die Differenz (…) zu groß wird, wird der Brent-Index herangezogen, abzüglich eines bestimmten vordefinierten Abschlags (34 Dollar im April, 31 Dollar im Mai, 28 Dollar im Juni, 25 Dollar im Juli)“, beschreibt Kluge den Mechanismus unter Verweis auf eine Ankündigung des russischen Finanzministeriums. Durch die angepasste Besteuerung werde ein Teil der Einnahmeausfälle, die den Haushalt im Januar und Februar belasteten, abgemildert, schätzt er.

Russlands Energiesektor unter Stress: Geld für den Krieg muss her

Gleichzeitig könnte die Entscheidung den russischen Energiesektor unter zusätzlichen Stress setzen. Gerade dann, wenn der Brent-Preis in Zukunft wieder steigt. In einer Analyse der G7-Staaten, die der „Financial Times“ vorliegt, gehen die Experten davon aus, dass die Steueranpassung schädlich für die Wirtschaft ist.

Die Steueränderung, die sie vornehmen, ist ein Beweis dafür, dass ihre Einnahmen erheblich leiden.

Ein G7-Vertreter in der britischen Zeitung „Financial Times“

„Es ist definitiv destruktiv für die Industrie“, sagte ein G7-Vertreter gegenüber der „Financial Times“. „Russlands Änderungen werden … die zukünftige Produktionskapazität der russischen Öl- und Gasindustrie untergraben, indem sie Einnahmen wegnehmen, die sonst für Investitionen in Ausrüstung, Exploration und bestehende Felder zur Verfügung gestanden hätten“, heißt es weiter.

Vor allem aber spiegelt die Entscheidung den unersättlichen Geldhunger der russischen Kriegswirtschaft wider, die angesichts der Kriegspläne Putins an ihre Grenzen getrieben wird. In der russischen Haushaltsbilanz machen sich die steigenden Ausgaben für den Krieg durch die inoffizielle Kennzahl der „geheimen Ausgaben“ bemerkbar.

Kluge berechnet sie in seinem Gasbeitrag, indem er die ausgewiesenen Ausgaben der verschiedenen Haushaltskategorien im elektronischen Haushaltsplan von den Gesamtausgaben desselben Tages abzieht.

Dabei kommt heraus: Im April standen die „geheimen Ausgaben“ bereits bei 2,5 Billionen Rubel (umgerechnet 30,2 Milliarden Euro) und damit mehr als doppelt so hoch wie im vergangenen Jahr zum gleichen Zeitpunkt. „Normalerweise entfallen 80 Prozent der geheimen Ausgaben auf die Verteidigung und weitere 10 Prozent auf die nationale Sicherheit. Der größte Posten bei den Geheimausgaben ist immer das staatliche Rüstungsprogramm“, schreibt der SWP-Experte.

Neues Geld muss also her. Oder, wie es der G7-Vertreter gegenüber der „FT“ ausdrückt: „Die Steueränderung, die sie (Russland, Anm. d. Red.) vornehmen, ist Beweis dafür, dass ihre Einnahmen erheblich leiden.“

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