zum Hauptinhalt
Nach den spanischen Parlamentswahlen ist eine Regierungsbildung unwahrscheinlich.

© picture alliance / Zumapress.com/Luis Soto

Rechte haben überraschend verloren: Spanien steuert nach der Wahl auf eine politische Blockade zu

Der Rechtsruck in Spanien ist ausgeblieben, obwohl die Konservativen stärkste Kraft geworden sind. Kein Bündnis kommt auf eine Mehrheit, wie wahrscheinlich sind jetzt Neuwahlen?

Von Juan F. Álvarez Moreno

Der spanische Wahlabend hat für Überraschungen, politisches Drama und Ratlosigkeit gesorgt.

Der Konservative Alberto Núñez Feijóo hat zwar bei den Parlamentswahlen am Sonntag gute Ergebnisse erzielt: Seine Volkspartei (PP) ist stärkste Kraft. Doch die Sozialdemokraten von Ministerpräsidenten Sánchez haben überraschend gut abgeschnitten und verbesserten sogar ihre Ergebnisse.

Beide Widersacher ließen sich nach der Wahl von Parteianhängern bejubeln. Mit diesem Ergebnis hatten nur wenige gerechnet – Umfragen prognostizierten einen deutlichen Sieg der Konservativen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Nun wird die Regierungsbildung kompliziert, denn weder der linke noch der rechte Block haben eine Mehrheit im Parlament. Die konservative PP kommt auf 33 Prozent der Stimmen, die sozialdemokratische PSOE auf fast 32 Prozent.

Auch das bisher regierende Bündnis aus Sozialdemokraten und Linken hat keine Mehrheit, obwohl PSOE und Linke auf mehr Stimmen als vor vier Jahren kommen.

Die von Beobachtern erwartete Mehrheit aus Konservativen und der rechtspopulistischen Partei Vox blieb aus. Sieben Sitze fehlen für eine Mitte-Rechtskoalition.

Mit Spannung schauten politische Beobachter auf die Ergebnisse der rechtspopulistischen Vox, die bereits in mehreren Regionen mit der PP koaliert. Doch Spanien hat weniger rechts gewählt als erwartet. „Vox ist der große Verlierer dieser Wahl“, sagt der Wahlanalyst Ramón Mateo dem Tagesspiegel.

Vox war 2019 zum ersten Mal als drittstärkste Kraft ins Parlament eingezogen. Nun haben die Rechten mehr als ein Drittel ihrer Sitze verloren. „Das ist ein schlechtes Ergebnis, das an der Zukunft dieser Partei zweifeln lässt“, so Mateo.

Vox ist der große Verlierer dieser Wahl.

Ramón Mateo, Wahlanalyst und Leiter der Politikberatung „beBartlet“

Der Wahlgewinner Feijóo, der angetreten war, um den „Sanchismus“ zu beenden, geht nun trotz Wahlsieg geschwächt aus der Wahl. „Feijóos Ergebnis liegt unter den Erwartungen. Seine Führungsrolle war mit der Erwartung eines guten Ergebnisses verknüpft“, sagt Mateo.

7
Sitze im Parlament fehlen für eine Koalition der Konservativen mit den Rechten.

Nun könne der Konservative nur abwarten und hoffen, dass Sánchez keine Mehrheit im Parlament zusammenbekommt. Denn eine Unterstützung der PP-Vox-Koalition haben fast alle kleinen Parteien bereits ausgeschlossen.

Sánchez hingegen zeigt sich als guter Kandidat, der sich wieder gegen Widerstände durchsetzt“, so der Politikexperte. Zwar sei es zu früh, um die genauen Gründe von Sanchez‘ Sieg zu wissen. Doch offenbar verfing die Strategie des Sozialdemokraten, vor einer Vox-Regierungsbeteiligung zu warnen.

Sánchez hat Konservative ausmanövriert

Erneut hat Sánchez die Konservativen überraschend ausmanövriert: 2018 gewann der Sozialdemokrat ein Misstrauensvotum gegen die Konservativen im Parlament und stieg zum Ministerpräsidenten auf. 2019 gewann er die Parlamentswahlen und bildete mit den Linken eine Minderheitsregierung.

Unterstützung für seine politischen Reformen holte sich Sánchez von kleineren Parteien wie der bürgerlichen baskisch-nationalistischen PNV und der links-separatistischen Esquerra Republicana aus Katalonien.

Und genau diese Parteien entscheiden jetzt, ob Sánchez weiterregieren kann. „Es wird eine Herausforderung sein, aber möglich ist es“, sagt Mateo. Doch diesmal braucht Sánchez einen weiteren, äußerst problematischen Partner: die nationalistische Partei Junts aus Katalonien.

Die Unterstützung für Pedro Sánchez wird nicht gratis sein.

Míriam Noguera, Kandidatin der nationalistischen Partei Junts aus Katalonien

Deren Parteichef Carles Puigdemont, früherer Ministerpräsident Kataloniens, wird derzeit von der spanischen Justiz wegen eines illegalen Unabhängigkeitsreferendums verfolgt. Doch da Puigdemont 2017 nach Belgien floh, ist er nach wie vor auf freiem Fuß.

Neuwahl als wahrscheinlichstes Szenario

Junts hat bereits signalisiert, dass sie nicht zur Stabilität Spaniens beitragen wollen“, sagt Mateo. Ihre Kandidatin Míriam Nogueras machte auch schon am Wahlabend deutlich: „Die Unterstützung für Pedro Sánchez wird nicht gratis sein.“ Die Partei fordert die Straffreiheit für Puigdemont und ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum. Ein Problem für Sánchez, der eine Volksbefragung mehrfach ausgeschlossen hatte.

Seit Sonntagabend ist Spanien, die viertgrößte EU-Wirtschaftsnation, nun politisch instabiler geworden. Die politischen Rechts-Links-Blöcke sind zu keiner Zusammenarbeit bereit. Bereits 2016 und 2019 mussten Wahlen wiederholt werden, weil keine Koalition im Parlament eine Mehrheit organisieren konnte. Auch 2023 könnte es wieder soweit sein.

Denn eine Zusammenarbeit der zwei großen Parteien gilt in Spanien als ausgeschlossen. „Niemand denkt hier an große Koalitionen“, sagt Ramón Mateo. „Im Gegensatz zu Deutschland gibt es keine mittelgroßen Parteien, die mit Links und Rechts zusammenarbeiten könnten wie die deutschen Liberalen und Grünen.“

Angesichts fehlender Mehrheiten ist es derzeit unklar, wen König Felipe mit der Regierungsbildung beauftragen wird. Feijóo dürfte sich auch ohne Mehrheit dem Parlament der Abstimmung stellen.

Bereits am Wahlabend warnte der Konservative vor einer Blockade und giftete in Richtung Sánchez: „Bisher hat immer der Wahlgewinner das Land regiert.“ Doch dass die Sozialdemokraten eine Regierung von Feijóo tolerieren, gilt auch für Politikexperte Mateo als ausgeschlossen: „Aktuell ist eine Neuwahl das wahrscheinlichste Szenario.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false