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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban (Archivbild).

© IMAGO/EST&OST

Reaktionen zu neuen Asylregeln: Ungarn möchte nicht „in Migrantenland verwandelt“ werden

Die EU-Staaten haben sich auf ein schärferes Asylverfahren geeinigt. Dabei sind nicht alle Länder mit den neuen Regeln einverstanden.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat den von den EU-Innenministern erzielten Kompromiss zu neuen Asylregeln als „inakzeptabel“ bezeichnet. Brüssel missbrauche damit seine Macht, erklärte Orban am Freitag im Onlinenetzwerk Facebook.

„Sie wollen die Migranten mit Gewalt nach Ungarn verlegen. Das ist inakzeptabel, sie wollen Ungarn gewaltsam in ein Migrantenland verwandeln“, kritisierte er.

Die Innenminister hatten am Donnerstagabend nach schwierigen Verhandlungen in Luxemburg mehrheitlich einem Kompromiss zur Beendigung des jahrelangen Asylstreits zugestimmt. Dieser sieht erstmals Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vor, aber auch eine Verteilung von Migranten auf die EU-Staaten.

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Länder, sie sich weigern, Migranten aufzunehmen, sollen ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro für jeden Migranten in einen von Brüssel verwalteten Fonds einzahlen.

Ungarn: „Das ist inakzeptabel“

Ungarn und Polen stimmten als einzige Länder gegen den Kompromiss, weil sie sich „bestraft“ fühlen. Sie wollen das Thema beim EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel auf die Tagesordnung setzen.

Die EU beseitige das Mitspracherecht ihrer Mitgliedstaaten darüber, „wer sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhält“, sagte der ungarische Vize-Innenminister Retvari der staatlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI.

Der neue Verteilungsmechanismus erlaube „illegalen Migranten oder den Menschenhändlern, die sie nach Europa gebracht haben, selbst zu entscheiden, wer in Europa leben wird“.

Einige der Vorschläge seien „Minuten, höchstens eine halbe Stunde“ vor der Abstimmung verteilt worden, kritisierte Retvari. „Migrationsbefürwortende Regierungen“ hätten andere Mitgliedstaaten „unter Druck gesetzt“.

Amnesty verurteilt neue Asylregeln

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den EU-Kompromiss zur Verschärfung der Asylregeln verurteilt. Die Beschlüsse der EU-Innenministerinnen und -minister seien „ein menschenrechtlicher Tabubruch“, erklärte am Freitag Amnesty-Deutschland-Generalsekretär Markus Beeko.

Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, verurteilt den EU-Kompromiss (Archivbild).
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, verurteilt den EU-Kompromiss (Archivbild).

© IMAGO/epd

Der Bundesregierung warf er „eine Missachtung des verfassungsmäßigen Auftrags und ein gebrochenes Versprechen des eigenen Koalitionsvertrages“ vor. Die geplante Reform verstoße „gegen menschenrechtliche Grundsätze und wird zu völkerrechtswidrigen Abschiebungen führen“.

„Beteuerungen, das Recht auf Asyl und Kinderrechte würden nicht ausgehöhlt, kommen in Anbetracht der bereits heute vielfach stattfindenden Menschenrechtsverletzungen an Frauen, Kindern und Männern an den europäischen Außengrenzen einer Verhöhnung gleich“, fügte Beeko hinzu.

Er forderte wesentliche Änderungen an den Reformplänen in den weiteren Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission.

Gemeinsam mit Pro Asyl, dem Flüchtlingsrat Berlin und anderen Organisationen rief Amnesty für Freitag ab 17 Uhr zu einer Protestaktion auf der Wiese vor dem Bundestag in Berlin auf.

Italien: „Wir sind zufrieden“

Die italienische Regierung hat sich mit der Einigung der EU-Staaten auf eine Verschärfung der europäischen Asylregeln zufrieden gezeigt.

Italien sei es bei dem Treffen der EU-Innenminister gelungen, seine Position zu halten sowie einen „Konsens zu allen seinen Vorschlägen“ zu erzielen, sagte der italienische Innenminister Matteo Piantedosi am späten Donnerstagabend der Zeitung „Corriere della Sera“. „Wir sind zufrieden. Es ist ein wichtiger Tag, aber es ist ein Anfang.“

Italien habe insbesondere abwenden können, dass Ersteinreiseländer dafür bezahlt werden, irreguläre Migranten auf ihrem Territorium zu behalten, sagte er. Das habe Italien nicht akzeptiert, weil es als „Gründungsmitglied der Union seine Würde hat“.

Die Regierung befürworte deswegen den Mechanismus der Entschädigungszahlungen. „Italien wird nicht das Auffanglager Europas sein.“

Italiens Premierminister Matteo Piantedosi ist zufrieden mit den verschärften Asylregeln.
Italiens Premierminister Matteo Piantedosi ist zufrieden mit den verschärften Asylregeln.

© IMAGO/LaPresse

Die beschlossenen Pläne sehen unter anderem mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen vor. Sie soll nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

Denkbar ist aber, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht und wird in den kommenden Monaten mit Vertretern der EU-Staaten über das Projekt verhandeln.

Von dieser Solidaritätspflicht könnten Länder wie Italien profitieren. Nach offiziellen Zahlen des Innenministeriums in Rom erreichten seit Beginn des Jahres mehr als 53.600 Migranten Italien auf Booten – im Vorjahreszeitraum waren es rund 21.200.

Polen lehnt „Migrationsquoten“ ab

Nach der EU-Asyleinigung hat Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki Widerstand gegen den geplanten Solidaritätsmechanismus zur verpflichtenden Aufnahme von Flüchtlingen angekündigt.

„Solange es die PiS-Regierung geben wird, werden wir nicht zulassen, dass uns irgendwelche Migrationsquoten, Quoten für Flüchtlinge aus Afrika, aus dem Nahen Osten, für Araber, Muslime oder wen auch immer auferlegt werden“, sagte Morawiecki am Freitag in Warschau. (AFP, dpa)

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