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Ein Anwohner bahnt sich einen Weg durch eine Straße, die nach dem Dammbruch in der Südukraine überflutet ist.

© dpa/Nina Lyashonok

Reaktionen auf die Sprengung des Kachowka-Staudamms: Frankreich und Deutschland bieten der Ukraine Hilfe an

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms beschuldigen sich Kiew und Moskau gegenseitig. Internationale Stimmen machen vor allem Russland verantwortlich.

| Update:

Nach der Explosion des Kachowka-Staudamms in der Ukraine hat das Technische Hilfswerk (THW) Hilfe zugesagt. Der ukrainische Katastrophenschutz erhalte 5.000 Wasserfilter, teilte das THW am Dienstag in Bonn mit. Finanziert würden die Hilfsgüter vom Auswärtigen Amt. „Mit der Lieferung der Wasserfilter leistet das THW einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Menschen, die in der Ukraine vor den Wassermassen fliehen mussten,“ erklärte THW-Präsident Gerd Friedsam.

Der in russisch besetztem Gebiet liegende Kachowka-Staudamm am Dnipro war bei einer Explosion in der Nacht zum Dienstag teilweise zerstört worden, große Mengen Wasser traten aus. Die Ukraine und Russland beschuldigen sich gegenseitig. Die Ukraine hat ein Hilfeersuchen über das Europäische Katastrophenschutzverfahren gestellt.

Auch Frankreich hat der Ukraine nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden des Landes Unterstützung angeboten. „Frankreich hält sich bereit, den ukrainischen Behörden Hilfe zu leisten, um auf die Folgen der teilweisen Zerstörung des Damms zu reagieren“, hieß es in einem Schreiben des französischen Außenministeriums vom Dienstagabend.

Laut Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg macht die Sprengung deutlich, wie brutal der von Russland geführte Krieg in der Ukraine ist. „Die heutige Zerstörung des Kachowka-Staudamms gefährdet Tausende Zivilisten und verursacht schwere Umweltschäden“, schrieb Stoltenberg auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Das ist eine ungeheuerliche Tat, die einmal mehr die Brutalität des russischen Krieges in der Ukraine zeigt.“

US-Geheimdiensterkenntnisse deuten einem Medienbericht zufolge daraufhin, dass Russland hinter der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Ukraine steckt. Das meldet der Sender NBC News. Früher am Dienstagnachmittag zeigte sich die US-Regierung einem Insider zufolge „sehr besorgt“ angesichts der Berichte über den Dammbruch.

Kachowka-Wasserkraftwerk und mögliche Überschwemmungsgebiete

© ISW, Cornucopia.se•Stand: 6. Juni 2023, 14 Uhr

Experten sehen die Verantwortung ebenfalls bei Russland. „Alles spricht dafür, dass die Russen den Damm gesprengt haben“, sagte der Militärexperte Carlo Masala am Dienstag dem Nachrichtenportal „t-online“. Im Interview mit Welt-TV wertete er die absichtliche Zerstörung des Staudamms als Kriegsverbrechen. „Wenn ein Staudamm gesprengt wird, dann ist die Zerstörung, die das Wasser anrichtet, nicht mehr zu kontrollieren“, sagte er in dem Interview. „Sie richtet sich nicht nur gegen Kombattanten, sie richtet sich dann auch gegen Zivilisten.“

Auch der Militärexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sieht Russland hinter der Sprengung. „Die Russen wollen die ukrainische Gegenoffensive durcheinanderbringen, die an einigen Stellen zu wirken beginnt“, sagte Mölling den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wenn es die Ukrainer gewesen wären, würde das zudem die Unterstützung durch den Westen gefährden. Das wäre kontraproduktiv.“

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Die Ukraine hat angesichts der Explosionen am Staudamm eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärte am Dienstag, die Regierung wolle „die Frage des russischen Terroraktes“ zudem vor den Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bringen. Er forderte die EU und die G7-Staaten auf, „neue, verheerende Sanktionen gegen Russland zu verhängen“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies die vom Kreml verbreitete Behauptung zurück, die Ukraine habe den Damm selbst zerstört. Moskau sei für die Sprengung verantwortlich und habe damit die verheerende Flutwelle verursacht, so Selenskyj. „Russland kontrolliert den Kachowka-Damm mit dem Wasserkraftwerk seit über einem Jahr“, sagte er nach Angaben seines Präsidialamtes. „Und es ist physisch unmöglich, ihn von außen durch Beschuss zu zerstören.“

Der Präsident der Ukraine verglich die Zerstörung des Staudamms mit dem Einsatz einer Massenvernichtungswaffe. „Das ist die größte menschengemachte Umweltkatastrophe in Europa seit Jahrzehnten“, sagte er bei einer Sicherheitskonferenz in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Dort war er am Dienstag per Video zugeschaltet. „Russland hat eine ökologische Massenvernichtungswaffe gezündet.“

Europäische Politiker: Zerstörung des Staudamms ist „neue Dimension“

Die Europäische Union (EU) erhob ebenfalls schwere Vorwürfe gegen Russland. Der Außenbeauftragte Josep Borrell und der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, verurteilten den Angriff aufs Schärfste. Er stelle eine „neue Dimension russischer Gräueltaten“ und möglicherweise ein Kriegsverbrechen dar, erklärten die EU-Vertreter in Brüssel.

Der britische Außenminister James Cleverly forderte den sofortigen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Cleverly, der sich derzeit in der Ukraine aufhält, sagte der Nachrichtenagentur Reuters als Reaktion auf die Explosionen am Damm: „Es ist noch zu früh, um irgendeine aussagekräftige Bewertung der Einzelheiten vorzunehmen. Aber man sollte nicht vergessen, dass der einzige Grund, warum dies überhaupt ein Problem darstellt, Russlands unprovozierte umfassende Invasion der Ukraine ist.“

Bestürzt zeigte sich auch EU-Ratspräsident Charles Michel. „Schockiert über den beispiellosen Angriff auf den Nowa-Kachowka-Staudamm“, erklärte er auf Twitter. „Die Zerstörung ziviler Infrastruktur gilt eindeutig als Kriegsverbrechen - und wir werden Russland und seine Stellvertreter zur Rechenschaft ziehen.“ Er werde das Thema beim nächsten EU-Gipfel Ende Juni aufbringen und mehr Hilfe für die überfluteten Gebiete vorschlagen.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz sieht in dem Angriff auf den Staudamm „eine neue Dimension“ des Krieges. Die Beschädigung sei etwas, „das zu der Art und Weise passt, wie Putin diesen Krieg führt“, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Er bekräftigte, dass die Ukraine weiterhin unterstützt werden müsse.

Die Sprengung des Staudamms im russisch besetzten Teil der Ukraine hält Scholz für eine gezielte Aktion Russlands, um eine militärische Offensive der Ukraine zu stoppen. „Das ist natürlich, bei allem was man annehmen kann, eine Aggression der russischen Seite, um die ukrainische Offensive zur Verteidigung des eigenen Landes aufzuhalten“, sagte der Bundeskanzler in der Sendung „RTL Direkt Spezial“, die am Dienstagabend ausgestrahlt werden soll.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock machte Russland verantwortlich. „Für diese menschengemachte Umweltkatastrophe gibt es nur einen Verantwortlichen: der verbrecherische Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine“, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag bei ihrer Lateinamerika-Reise im brasilianischen São Paulo. „Mit dem Kachowka-Damm wird ein ziviler Staudamm in Nähe eines Kernkraftwerks als Kriegswaffe missbraucht und das Leben der Menschen in der Umgebung in höchste Gefahr gebracht.“

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat die Zerstörung des Staudamms in der Südukraine scharf verurteilt. „Dieser Angriff Russlands auf den Kachowka-Stausee ist ein weiteres unvorstellbar grauenhaftes Kriegsverbrechen. Es zeigt einmal mehr, zu welch brutalem Vorgehen Putin bereit ist“, teilte die FDP-Politikerin mit, die am Dienstag in New York war. „Es beweist auch: Dieses Regime will niemals verhandeln. Mit Putins Russland wird es keinen Frieden geben.“ (Tsp/mit Agenturen)

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