zum Hauptinhalt
Ankunft in New York: Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen.

© REUTERS/JEENAH MOON

Präsidentin Tsai in den USA: Wie der Westen Taiwan vor Chinas Drohungen schützen kann

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hat bei einem Besuch in New York die Partnerschaft zu den USA gelobt. Peking reagiert mit dem üblichen Protest.

Zwei Reisen, noch dazu fast zeitgleich, erklären dieser Tage gut die Allianzen und Machtverhältnisse Ostasiens: Am Montag ist Taiwans ehemaliger Präsident Ma für eine zwölftägige Reise nach China gereist. Offiziell geht es ihm darum, während des Qingming-Festes, das in Taiwan und China gefeiert wird, seine Ahnen in der Volksrepublik zu ehren.

Tatsächlich aber will der Politiker Ma wohl auch etwas Wahlkampf machen und zu Hause auf der Insel Wähler mobilisieren. Ma ist der erste ehemalige oder amtierende taiwanische Staatschef, der die Volksrepublik besucht.

2024 wird in Taiwan das nächste Mal gewählt und seine konservative Partei KMT, die traditionell stärker dem Festland zugewandt ist als die regierende DPP, soll möglichst gewinnen.

Am Mittwoch ist Taiwans amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen von der liberalen Partei DPP in den USA gelandet, dem wichtigsten Verbündeten des demokratisch regierten Landes. Bei einem Zwischenstopp in New York bekräftigte Tsai die demokratische Partnerschaft mit den USA.

Die gute Zusammenarbeit mit den USA fuße auf gemeinsamen Werten und Interessen, sagte die Präsidentin bei einer Rede am Mittwochabend (Ortszeit) vor mehr als 700 in den USA lebenden Taiwanern.

Vor dem Hintergrund der Drohungen der kommunistischen Führung in Peking sagte Tsai der taiwanischen Nachrichtenagentur CNA zufolge, Taiwan habe seine Entschlossenheit demonstriert, sich selbst zu verteidigen und zu helfen, den Frieden in der Region zu schätzen. Ihr Land wolle weiter mit Partnern im demokratischen Lager zusammenarbeiten, „um entschieden auf dem Pfad der Demokratie und Freiheit voranzugehen“.

Taiwans früherer Präsident Ma Ying-jeou trifft Song Tao, Direktor des chinesischen Büros für Taiwan-Angelegenheiten.
Taiwans früherer Präsident Ma Ying-jeou trifft Song Tao, Direktor des chinesischen Büros für Taiwan-Angelegenheiten.

© dpa/Uncredited

Peking protestierte, wie erwartet, gegen den Zwischenstopp der taiwanischen Präsidentin auf dem Weg nach Zentralamerika. Auf der Rückreise will Tsai auch noch einen Zwischenstopp in Los Angeles einlegen. Medienberichte, wonach Tsai in den USA mit Kevin McCarthy, dem neuen Sprecher des US-Repräsentantenhauses, zusammentreffen könnte, wurden von der taiwanischen Regierung bislang nicht bestätigt.

McCarthys eigentlich geplanter Besuch in Taiwan war von der Regierung in Taipeh verschoben worden, man wollte das Festland China nicht unnötig provozieren. Auf den Besuch der damaligen Kongresssprecherin Nancy Pelosi im vergangenen August hatte China mit umfassenden Militärmanövern und viel Säbelrasseln reagiert.

Bedrohung Taiwans durch China unverändert hoch

Aktuell setzt Peking auf ruhigere Töne. Gerade erst hat sich Chinas Parteichef Xi Jinping auf dem Nationalen Volkskongress (NVK) eine dritte Amtszeit als Staatspräsident gesichert. Damit erreicht er eine seit Maos Zeiten nicht mehr dagewesene Machtposition.

Angesichts dessen muss es schon fast als ein dargebotener Olivenzweig gelten, dass weder er noch sein scheidender Ministerpräsident die militärischen Drohungen des vergangenen Sommers gegen Taiwan wiederholten: Sollten „Separatisten“ die selbstverwaltete Inseldemokratie für unabhängig erklären oder fremde Mächte sich einmischen, würde die Volksbefreiungsarmee (VBA) die Waffen sprechen lassen.

Stattdessen betonte Xi seine Hoffnung auf eine „friedliche Wiedervereinigung“ zwischen dem Festland und Taiwan. Eine solche gilt als eher unwahrscheinlich: Umfragen zufolge ist die Mehrheit der 23,5 Millionen Taiwaner gegen einen Anschluss ihres Landes an die kommunistisch regierte Volksrepublik.

Xis milde Töne dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Olivenzweig nicht im Schnabel einer Friedenstaube, sondern eher in der Mündung eines schweren Geschützes steckt. Denn die militärische Bedrohung Taiwans bleibt unverändert hoch. So beschloss der NVK eine weitere Anhebung des Wehretats um 7,2 Prozent – bei fünf Prozent erwartetem Wirtschaftswachstum.

Die vordergründig friedliche Rhetorik zielt vor allem auf die USA. Damit setzt China seine Anfang des Jahres begonnene Charmeoffensive fort, die durch den Zwischenfall rund um den mutmaßlichen chinesischen Spionageballon unterbrochen wurde. Bestenfalls hofft Peking sogar, den Ausgang der Anfang 2024 anstehenden Wahlen in Taiwan beeinflussen zu können, um Mas chinafreundlicherer KMT an die Macht zu helfen.

Aber auch wenn die Entspannungspolitik nur taktisch zu verstehen ist, sollte die westliche Welt das Beste daraus machen und ihren Teil zur Deeskalation beitragen. Denn ein Konflikt in der Taiwanstraße droht schnell zu einem Krieg zwischen den Atommächten China und USA zu werden.

Auf den Besuch von Pelosi Chinas Volksbefreiungsarmee bei Manövern eine Seeblockade Taiwans trainiert und verschob bisher respektierte Grenzen.

Chinesische Kampfflugzeuge fliegen seither zuhauf über die Medianlinie zwischen Festland und Taiwan – de facto die Seegrenze zwischen beiden.

Um effektiv zu sein, muss Symbolpolitik von Chinas Ende aus gedacht werden.

Björn Alpermann, Lehrstuhlinhaber für Contemporary Chinese Studies

Die Normalisierung dieser Flüge macht es im Ernstfall leichter, einen echten Angriff zu verschleiern. So erreichte der Besuch, der als Solidaritätsbekundung Taiwan stärken sollte, letztlich das Gegenteil, nämlich eine Verschlechterung der objektiven Sicherheitslage.

Es liegt nun nahe, die 2022 und in diesem Jahr erfolgten Besuche deutscher Politdelegationen auch als reine Symbolik abzutun, die mehr mit dem heimischen Publikum als einer echten Unterstützung für eine bedrohte Demokratie gegen einen autoritären Gegner zu tun habe.

Das wäre jedoch zu kurz gedacht, denn symbolische Politik kann durchaus wirkungsvoll sein – gerade gegenüber China. Aber um effektiv zu sein, muss Symbolpolitik von ihrem Ende her gedacht werden. Der Lackmustest für ihren Erfolg ist nicht die Empörung, die sie in Peking hervorruft, sondern ob Taiwan tatsächlich von den Kontakten profitiert, indem sich seine sicherheitspolitische oder diplomatische Lage verbessert.

Mögliches Treffen zwischen Taiwan und USA

Diese Einsicht hat sich auch in Taipeh eingestellt, wo über einen möglichen Besuch von Pelosis Amtsnachfolger Kevin McCarthy hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird. Eine ähnlich heftige Reaktion Chinas könnte die Wahlchancen der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei schmälern.

Umgekehrt kann es sich McCarthy nicht leisten, dass der Eindruck entsteht, er verzichte aus Respekt vor China auf einen Taiwanbesuch. Ein gesichtswahrender Ausweg ist der nun erfolgte Zwischenstopp von Tsai Ing-wen in den USA. Sie ist auf Durchreise zu den wenigen verbliebenen zentralamerikanischen Verbündeten, die mit Taiwan diplomatische Kontakte halten.

Der Republikaner Kevin McCarthy ist der Amtsnachfolger der US-Abgeordneten Nancy Pelosis.
Der Republikaner Kevin McCarthy ist der Amtsnachfolger der US-Abgeordneten Nancy Pelosis.

© AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Dies gibt McCarthy und Tsai eine Gelegenheit, sich informell zu treffen. Dabei wird Peking genau beobachten, ob die Gepflogenheiten früherer Zwischenstopps eingehalten werden. Falls ja, wird es sich mit den üblichen Protesten begnügen.

Gelingt dieses Treffen, ohne viel Porzellan zu zerschlagen, besteht Hoffnung, dass die von US-Präsident Biden vorgeschlagenen Leitplanken in das sino-amerikanische Verhältnis eingezogen werden können.

Für die deutsche und europäische Politik stellt sich die Frage, wie sie auf anderem Wege als über symbolische Besuche die Unterstützung für Taiwan verbessern kann. Dabei müssen auch hier die Zielkonflikte klarer als bisher benannt und diskutiert werden.

Was Europa machen kann

Auffällig ist: Deutschland und Europa spielen aktuell eine untergeordnete Rolle, das muss und sollte nicht so bleiben. Die Frage ist nur, wie die Bundesrepublik, idealerweise gemeinsam mit der EU, künftig vorgehen wird.

Symbolische Besuche, wie der von Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger reichen nicht aus, um Taiwan nachhaltig zu unterstützen.
Symbolische Besuche, wie der von Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger reichen nicht aus, um Taiwan nachhaltig zu unterstützen.

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Daniel Ceng Shou-Yi

So existiert ein offenkundiger Widerspruch zwischen der Forderung, ein europäisch-taiwanesisches Investitionsabkommen zu schließen, und dem Ziel, die eigene Wirtschaft widerstandsfähiger und unabhängiger von China zu machen. Denn intensivere Wirtschaftsbeziehungen zu Taiwan machen uns verletzlicher im Fall einer erneuten Verschärfung der dortigen Sicherheitslage und somit erpressbar.

Es sollten weitere Anstrengungen unternommen werden, die zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland/Europa und Taiwan auszubauen, wie dies jüngst bei dem Besuch der Wissenschaftsministerin Bettina Stark-Watzinger geschehen ist. Und schließlich könnten wir einen Teil dazu beitragen, Taiwan selbst unabhängiger von Festlandchina zu machen.

Die Inselökonomie bezieht mehr als ein Fünftel ihrer Importe aus China und mehr als ein Viertel ihrer Warenausfuhren gehen dorthin. Dagegen nehmen sich die deutschen bzw. europäischen Abhängigkeiten gegenüber der Volksrepublik wie „Peanuts“ aus. Am Ende werden diese ökonomischen Realitäten entscheidender sein als reine Besuchsdiplomatie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false