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Polens neue Machtbalance: der künftige Regierungschef Donald Tusk (rechts) und Präsident Andrzej Duda aus dem PiS-Lager.

© imago/Newspix/imago

Polens Opposition übernimmt das Parlament: Erst Gelächter, dann Buh-Rufe für Präsident Duda

Wachsende Konfrontation in Warschau: Die Wahlsieger müssen sich noch 14 Tage gedulden, bevor Donald Tusk den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Duda gibt ihn erstmal dem Verlierer Morawiecki.

In der Eröffnungssitzung des neu gewählten polnischen Sejm waren die Folgen von acht Jahren gezielter Demütigung der Opposition für die parlamentarische Kultur nicht zu übersehen. Nach zwei Legislaturperioden arroganter Machtausübung der bisherigen nationalpopulistischen Regierungspartei PiS lassen die Sieger der Wahl vom 15. Oktober ihre Muskeln spielen.

Staatspräsident Andrzej Duda, der aus der PiS stammt, erntete bei seiner Ansprache erst Gelächter, dann Buh-Rufe; zu den Ursachen dieser Gefühlsausbrüche gleich mehr. Die neue Mehrheitskoalition aus drei Parteibündnissen wählte einen Sejm-Marschall aus ihren Reihen: Szymon Holownia, Chef des wertkonservativen Bündnisses Dritter Weg, der zweitstärksten Kraft der künftigen Regierungskoalition. Das Amt entspricht dem des Bundestagspräsidenten.

Die neue Mehrheit lehnte die Kandidatin der PiS für den Vizeposten, Elzbieta Witek, ab. Sie war bisher Parlamentsvorsitzende. Die Abgeordnete der Linken, Agnieszka Dziemianowicz-Bąk, begründete ihr Negativvotum damit, dass Witek in ihrer Amtszeit die Prinzipien des Rechtsstaats und die Oppositionsrechte missachtet habe. Die PiS sagte, sie werde keine andere Person für das Vize-Amt nominieren, sondern den ihr zustehenden Posten aus Protest unbesetzt lassen.

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Präsident Duda kann mit seinem Veto blockieren

Die Kandidaten der übrigen Parteien für die fünf Stellvertreter wurden hingegen gewählt: Monika Wielichowska und Dorota Niedziela von der Bürgerkoalition, Włodzimierz Czarzasty von der Vereinten Linken, Piotr Zgorzelski von Dritter Weg und Krzysztof Bosak von der rechtsnationalistischen Konfederacja.

Die Abläufe dämpfen die Hoffnungen auf einen respektvollen Umgang und deuten auf eine wachsende Lagerkonfrontation in Warschau hin, insbesondere zwischen der neuen Regierungsmehrheit und Präsident Duda. Der hat ein Vetorecht gegen Gesetzesentwürfe. Es kann nur mit Dreifünftel-Mehrheit im Sejm überstimmt werden. Über die verfügt die neue Koalition aber nicht.

Duda trägt zu diesen Spannungen bei. Am Montagabend beauftragte er den bisherigen PiS-Premier Mateusz Morawiecki mit der Regierungsbildung, obwohl er die Wahl verloren und keine Aussicht auf eine Mehrheit hat. Morawiecki hat nun 14 Tage Zeit, ein Regierungsprogramm im Sejm zu präsentieren und sich einer Vertrauensabstimmung zu stellen.

Männerfeindschaft Kaczynski-Tusk

Nach allgemeiner Erwartung wird Morawiecki scheitern, und Duda dann den Wahlsieger Donald Tusk von der Bürgerkoalition beauftragen. Auf die gemeinsame Mehrheit mit Dritter Weg und Vereinter Linker ist Verlass, das haben die ersten Abstimmungen nach Konstituierung des Sejm gezeigt.

PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński, der zu spät für die Nationalhymne kam, setzte die persönlichen Anfeindungen gegen Tusk fort und nannte ihn einen „Mann Deutschlands“. Im Wahlkampf hatte Kaczyński Tusk als Verräter bezeichnet, der nicht die Interessen Polens, sondern Deutschlands und Russlands vertrete.  

Das Gelächter provozierte Duda, als er die neue Mehrheit in seiner Eröffnungsrede aufforderte, ihre Wahlversprechen zu erfüllen. Die Sorge vor einem „eventuellen Veto des Präsidenten darf keine Rechtfertigung dafür sein, die Wahlversprechen nicht zu verfolgen“.

Buh-Rufe erntete der Präsident, als er aus dem Abgeordneten-Eid auf die Einhaltung der Verfassung zitierte. Die bisherige Opposition wirft der PiS vor, die Verfassung mehrfach gebrochen zu haben, als sie Gerichte, Medien und Staatsbetriebe mit ihren Gefolgsleuten besetzte und Richtern, die Einwände gegen die Justizreform erhoben, mit Disziplinarstrafen drohte. Auch die EU hatte dem PiS-regierten Polen gravierende Verstöße gegen Rechtsstaat und Demokratie vorgehalten und hält deshalb EU-Mittel zurück. Duda hatte diese fragwürdigen Gesetze abgesegnet.

Eine versöhnliche Geste gab es dann aber doch. Duda hatte in seiner Rede zu gegenseitigem Respekt aufgerufen und vorgeschlagen, die Abgeordneten sollten jeden Sitzungstag damit beginnen, sich über die Parteigrenzen hinweg die Hand zu reichen. Er selbst ging zu Donald Tusk, dem mutmaßlich nächsten Regierungschef, und schüttelte dessen Hand.  

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