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Ein gefechtsbereites Flugabwehrraketensystem vom Typ Patriot der Bundeswehr

© dpa/Axel Heimken

Polens Jein zur Patriot-Luftabwehr: Die PiS braucht die Deutschen als Prügelknaben

Polens Regierungspartei setzt mit Blick auf die Wahl 2023 auf antideutsche Töne. Deutschland als entgegenkommender Bündnispartner passt nicht in dieses Narrativ. Eine Analyse.

Was ist Deutschland für Polens Regierungspartei PiS: ein verlässlicher Bündnispartner oder ein willkommener Prügelknabe für den heraufziehenden Wahlkampf 2023? Da kann sich die Führung in Warschau nicht entscheiden.

Nach dem Raketeneinschlag im ostpolnischen Dorf Przewodow mit zwei Toten vor 15 Tagen hatte die Bundesregierung Polen die Verlegung einer Luftabwehrbatterie vom Typ Patriot angeboten. Doch Warschau kann sich nicht dazu durchringen, das Hilfsangebot des westlichen Nachbarn und Bündnispartners anzunehmen.

Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak hatte die Offerte zunächst „mit Genugtuung“ akzeptiert. Das System solle nahe der Grenze zur Ukraine eingesetzt werden.

Zwei Tage später, am 23. November folgte die Kehrtwende. Die Bundesregierung solle die besser der Ukraine zur Verfügung stellen. Dort könnten die Patriots „vor weiteren Opfern und Strom-Blackouts schützen und zugleich unsere Ostgrenze sichern“, argumentierte Blaszczak nun.

Das lehnt wiederum die deutsche Seite ab. Die Patriots seien Bestandteil der integrierten Luftverteidigung der Nato und für Nato-Gebiet vorgesehen, begründete Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) die Absage. „Und wenn die außerhalb des Nato-Gebietes eingesetzt werden, dann muss das vorher mit der Nato und mit den Alliierten besprochen werden.“

Deutsche Soldaten in die Ukraine? Das geht nicht

Die eigentliche Barriere sind die Bedienmannschaften und nicht das Waffensystem an sich. Die deutschen Patriots-Raketen bieten nur dann sofortigen Schutz, wenn die Bundeswehrsoldaten, die an ihnen geschult sind, mit an den neuen Einsatzort gehen.

In das Nato-Land Polen können deutsche Soldaten verlegt werden. In das Kriegsland Ukraine, das kein Bündnispartner ist, hingegen nicht. Dann würde die Bundeswehr aktiv an den Kampfhandlungen teilnehmen.

Das Angebot, Patriot-Luftabwehr nach Polen zu verlegen, gelte weiter, bekräftigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch. Der Ukraine bot er weitere Luftabwehrpanzer vom Typ Gepard an. Einige Exemplare sind bereits dort im Einsatz, ukrainische Soldaten sind an ihnen geschult.

Schwieriges Verhältnis: Bundeskanzler Olaf Scholz und Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki beim Westbalkan-Gipfel in Berlin Anfang November.

© dpa/Britta Pedersen

Warum besteht Polen dennoch darauf, es sei sinnvoller, dass Deutschland Patriots in die Ukraine statt nach Polen verlege? Dass Deutschland keine Soldaten zur Bedienung des Systems in die Ukraine schicken kann, weiß man auch in Warschau.

Kritik an „unzuverlässigen Deutschen“ passt besser ins Programm

Dennoch haben PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski und Premier Mateusz Morawiecki den Alternativvorschlag in der vergangenen Woche nahezu täglich wiederholt. Das hat innenpolitische Gründe. 2023 wird in Polen gewählt, die PiS möchte zum dritten Mal in Folge die Mehrheit holen, obwohl sie in acht Jahren Regierungszeit einige Affären und Skandale angesammelt hat.

Kaczynski setzt auf antideutsche Töne. Diese Strategie hat sich schon 2015 und 2019 bewährt, insbesondere bei älteren Wählern in Kleinstädten und ländlichen Regionen. In den Großstädten hat die PiS hingegen Probleme.

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Patriot-Abwehrsysteme hat Polen in den USA bestellt, wartet aber auf die Lieferung.

Polen werde sich der deutschen Dominanz in Europa nicht beugen. Und auch die EU in Brüssel sei doch nichts anderes als die Exekutive deutscher Diktate, behaupten die PiS-Wahlkämpfer gerne.

In der Ukrainepolitik wird Deutschland bevorzugt als unzuverlässiger Alliierter kritisiert. Deutschland handele nur unter Druck der Partner und helfe „zu wenig zu spät“. Ein Beispiel sind Kiews Bitten um deutsche Panzer.

In dieses Narrativ von den unzuverlässigen Deutschen, das der PiS den Wahlsieg 2023 bescheren soll, passt es schlecht, wenn Berlin wenige Tage nach dem Raketeneinschlag in Ostpolen eine Luftabwehrbatterie mit deutscher Bedienmannschaft zum Schutz der Nachbarn liefert.

Dabei könnte Polen die Absicherung gut gebrauchen. Das Land hat zwar selbst Patriot-Luftabwehr in den USA bestellt, zwei Stück 2018 und sechs weitere im Mai 2022. Aber auf die Lieferung muss es noch einige Zeit warten.

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