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Mateusz Morawiecki während einer Pressekonferenz.

© REUTERS/Kacper Pempel

Update

Pistorius kündigt Telefonat an : Polen will nur noch bereits vereinbarte Waffenlieferungen erfüllen

Warschau und Kiew streiten über Getreideexporte, zuletzt sogar vor den UN. Deshalb beschränkt Polen jetzt die Waffenexporte an die Ukraine.

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Vor dem Hintergrund eines Streits um das polnische Importverbot für ukrainisches Getreide will die Regierung in Warschau ihre Waffenlieferungen an Kiew auf bereits abgeschlossene Verträge beschränken. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plant deshalb nun Gespräche mit Warschau.

„Im Zusammenhang mit Fragen zu Waffenlieferungen möchte ich Ihnen mitteilen, dass Polen nur zuvor vereinbarte Lieferungen von Munition und Rüstungsgütern ausführt. Einschließlich derjenigen, die sich aus unterzeichneten Verträgen mit der Ukraine ergeben“, sagte Regierungssprecher Piotr Müller am Donnerstag.

Pistorius wolle zur Ankündigung Polens zu einem möglichen Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine noch keine Einschätzung abgeben, bis er mit seinem polnischen Kollegen Mariusz Blaszczak gesprochen habe, sagte Pistorius am Donnerstag bei einem Besuch in Rostock. Er kündigte dazu ein Telefonat an.

Der polnische Regierungssprecher kritisierte, von der ukrainischen Seite habe es zuletzt eine Serie von „absolut inakzeptablen Äußerungen und diplomatischen Gesten gegeben.“ Zuvor hatte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki den Konflikt weiter eskaliert und angedeutet, dass sein Land die Waffenexporte an Kiew einstellen wird. 

Wir liefern schon keine Rüstungsgüter mehr an die Ukraine, sondern rüsten uns selbst mit den modernsten Waffen aus“, sagte Morawiecki am Mittwoch im Sender Polsat News. Die polnische Armee solle in kurzer Zeit eine der stärksten Landarmeen Europas werden, fügte er hinzu.

Spekulationen über Aussagen des polnischen Ministerpräsidenten

Doch seine Aussage blieb zunächst uneindeutig und es schien, als ob Morawiecki darauf abhebe, dass Polen nicht nur Waffen an das Nachbarland liefere, sondern parallel dazu auch die eigene Armee aufrüste. Doch im Lauf des Donnerstagvormittags bekräftigte Vize-Ministerpräsident Jacek Sasin die Aussagen des Regierungschefs. Es sei so, wie es Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gesagt habe, und man werde sehen, „was das für die Zukunft heißt“, sagte Sasin dem polnischen Radiosender Plus.

Mehrere polnische Nachrichtenportale, darunter der englischsprachige Dienst der staatlichen Nachrichtenagentur PAP, interpretierten Morawieckis Äußerung zunächst so, dass Polen vor dem Hintergrund des Konflikts um das Getreide seine Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen werde.

An einer anderen Stelle des Interviews betonte Morawiecki, dass die Regierung in Warschau keinesfalls die Sicherheit der Ukraine gefährden werde. „Unser Drehkreuz in Rzeszow wird im Einvernehmen mit den Amerikanern und der Nato weiterhin die gleiche Rolle spielen wie bisher und auch in Zukunft“, versicherte er. Über die Stadt Rzeszow im Südosten Polens läuft ein Großteil der westlichen Militärhilfe für die Ukraine in deren Abwehrkampf gegen den Aggressor Russland.

Für uns ist wichtig, dass sich die EU-Politik gegenüber der Ukraine nicht ändert.

Sprecher des EU-Außenbeauftragten Borrell

Nach den Irritationen hat die Europäische Union der Regierung in Kiew ihre fortgesetzte militärische Unterstützung zugesichert. Die europäische Haltung sei „stabil und unverändert“, sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten, Josep Borrell, Peter Stano, am Donnerstag in Brüssel.

Die EU könne sich nicht zu bilateralen polnischen Zusagen an Kiew äußern, sagte Stano weiter. „Für uns ist wichtig, dass sich die EU-Politik gegenüber der Ukraine nicht ändert“, betonte er. Dies gelte im zivilen wie im militärischen Bereich.

Deutlicher wurde der Ukraine-Berichterstatter im Europaparlament, Michael Gahler (CDU). Er nannte es „mehr als bedauerlich, dass nun auch die Unterstützung der Ukraine zum Spielball im polnischen Wahlkampf gemacht wird“. Die nationalkonservative Regierung unter Ministerpräsident Mateusz Morawiecki scheine „die Flucht nach vorne anzutreten, um von der Visa-Affäre abzulenken“, sagte Gahler der Nachrichtenagentur AFP. 

Streit um Getreidelieferungen

Warschau war seit Kriegsbeginn einer der größten Unterstützer und Waffenlieferanten der Ukraine. Doch jüngst ist zwischen beiden Ländern ein Streit um Getreidelieferungen aufgeflammt. Ob die Entscheidung in Zusammenhang mit dem Streit steht, sagte Morawiecki nicht. 

Die Erklärung erfolgte wenige Stunden, nachdem Warschau in dem Konflikt den ukrainischen Botschafter einbestellt hatte, um gegen Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor den Vereinten Nationen zu protestieren.

Der Streit hatte sich in den vergangenen Tagen zugespitzt. Durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die klassische Exportroute für ukrainisches Getreide über das Schwarze Meer blockiert. Für den Transport über den Landweg verhängte die EU Handelsbeschränkungen gegen die Ukraine, um die örtlichen Landwirte zu schützen.

Agrarminister Polens und der Ukraine telefonieren

Um einen Ausweg aus dem Streit zu finden, telefonierte der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solskyj am Donnerstag mit seinem polnischen Kollegen Robert Telus, wie die Regierung in Kiew mitteilte. Sie seien übereingekommen, eine Lösung zu finden, „die den Interessen beider Länder Rechnung trägt“.

Grundlage sei ein Vorschlag der Ukraine, der aber nicht näher ausgeführt wurde. Polen werde diesen Plan prüfen und eigene Vorschläge dazu machen, teilte Solskyjs Ministerium mit. Telus sagte nach Angaben der Agentur PAP, er freue sich, dass die Ukraine nun direkt mit Polen rede. Kiew solle eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO zurückziehen, forderte er. 

Polen will offensichtlich Druck auf die Ukraine bzw. die EU ausüben, eine Lösung für die ukrainischen Getreideimporte zu finden.

Ulrich Lechte, außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion

Am vergangenen Freitag hatte die EU-Kommission die umstrittenen Handelseinschränkungen für beendet erklärt. Polen, Ungarn und die Slowakei kündigten aber umgehend an, sich nicht daran zu halten. Polen drohte zudem mit Importbeschränkungen auf weitere Produkte. Selenskyj sagte daraufhin am Dienstag bei der UNO, einige Länder täuschten Solidarität nur vor und unterstützten indirekt Russland. 

Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Ulrich Lechte, sagte dem Tagesspiegel: „Dass ausgerechnet Polen, als bisher verlässlicher Partner, ausgerechnet jetzt die militärische Unterstützung für die Ukraine einstellt und dies auf diese Weise kommuniziert, ist eine Schande. Damit will Polen offensichtlich Druck auf die Ukraine bzw. die EU ausüben, eine Lösung für die ukrainischen Getreideimporte zu finden.“

Es handle sich um ein wahlkampftaktisches Manöver der PiS-Regierung, um von der Visa-Affäre abzulenken, so Lechte weiter. (Tsp, AFP, dpa)

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