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Milojko Spajic (Mi.) hat mit der erst vor einem Jahr gegründeten PES die Parlamentswahl in Montenegro gewonnen.

© REUTERS/STEVO VASILJEVIC

Parlamentswahl in Montenegro: Pro-europäische Sieger ohne Mehrheit

Matte Wähler, ratlose Sieger: Bei geringer Wahlbeteiligung siegte die neue europafreundliche Partei PES. Aber mit den Koalitionspartnern ist es vertrackt.

Weder hupende Autokolonnen noch ausgelassene Siegesfeiern störten die Ruhe in Montenegros ungewohnt stiller Wahlnacht. Nur die Helfer des mit 25,6 Prozent der Stimmen siegreichen Parteineulings „Europa Jetzt“ (PES) fackelten vor dessen Wahlkampfzentrale in Podgorica pflichtschuldig ein kurzes Feuerwerk ab.

„Niemals ruhigere und weniger Wähler“, vermeldete zu Wochenbeginn das Webportal der Zeitung „Vijesti“. Tatsächlich schien der bei der Präsidentschaftswahl im April abgewählte Dauerregent Milo Djukanovic beim ersten Urnengang nach seiner Ära sowohl seinen Gegnern als auch Anhängern als Wahlmotivator zu fehlen.

Die Beteiligung beim vierten Urnengang in neun Monaten sackte mit 56,4 Prozent (2020: 75,8 Prozent) auf ein neues Rekordtief. Das offizielle Wahlergebnis wurde noch nicht bekannt gegeben.

56,4
Prozent Wahlbeteiligung waren ein Rekordtief.

Er hinterließ ermattete Wähler und ratlose Sieger. Die bürgerliche PES von Ex-Finanzminister Milojko Spajic ging zwar als erfolgreichste Partei hervor – was keine so große Überraschung war, nachdem der stellvertretende Parteichef Jakov Milatovic zuvor die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte.

Doch obwohl die PES die von 35,1 auf 23,2 Prozent geschrumpfte DPS von Ex-Präsident Djukanovic auf den zweiten Platz verdrängen konnte, sind klare Mehrheiten nicht in Sicht. Im Adriastaat wird ein mühsamer Koalitionspoker erwartet: Die Fortsetzung der Dauerkrise zeichnet sich ab.

Eine große Koalition mit der wegen unzähliger Korruptionsskandale diskreditierten DPS schloss PES-Chef Spajic in der Wahlnacht erneut aus. Der logische Partner für eine pro-europäische Reformkoalition wäre neben den kleineren Minderheitenparteien eigentlich das liberale Parteienbündnis, das auf 12,5 Prozent der Stimmen kam.

Doch im Wahlkampffinale hat es gekracht. Der Grund: Noch-Premier URA-Chef Dritan Abazovic vom liberalen Parteienbündnis hatte seinen mutmaßlichen Nachfolger Spajic öffentlich in die Nähe des verhafteten, mutmaßlichen Kriptobetrügers Hyeong Do Kwon gebracht.

Den Verdacht, von dem koreanischen Finanzjongleur gesponsert zu sein, wies der entrüstete PES-Chef zwar entschieden zurück. Doch möglicherweise hatte der Medienwirbel um den Skandal manche seiner potenziellen Wähler vor dem Gang in die Wahlkabinen abgeschreckt.

Er schließe jede Koalition mit der URA aus, bekräftigte der angesäuerte Spajic in der Wahlnacht. URA-Chef Abazovic kontert dagegen: „Wir sehen keine stabile Regierung, an der wir nicht beteiligt sind.“

Wir sehen keine stabile Regierung, an der wir nicht beteiligt sind.

Dritan Abazovic, Chef der Vereinigten Reformbewegung (URA)

Beharrt Spajic aber auf einer Koalition ohne die URA und ohne die DPS, käme als möglicher Partner nur das proserbische Parteienbündnis „Für die Zukunft Montenegros“ (ZBCG) in Frage, das über die Hälfte seiner Wähler verlor und nur noch auf 15,1 Prozent der Stimmen kam.

Doch ein Regierungseintritt der serbischen Nationalisten dürfte den Westen nachhaltig verstimmen: Sie lehnen Russland-Sanktionen ab und fordern die Rücknahme der Anerkennung des Kosovo. Daher stößt das Belgrad-hörige Bündnis bei den EU- und Nato-Partnern auf tiefe Skepsis

Ohne die ZBCG werde es „keine stabile Regierung“ geben, erklärt deren Spitzenkandidat Milan Knezevic selbstbewusst. Er erwarte, dass die Regierung „so schnell wie möglich“ gebildet werde, verkündet derweil PES-Chef Spajic hoffnungsfroh, ohne auf die Nachfragen von Journalisten nach den EU-Vorbehalten gegenüber einem Koalitionseintritt der ZBCG einzugehen.

Wer auch immer regieren wird: Auf ein baldiges Ende der politischen Dauerturbulenzen können die krisenerprobten Bewohner im Küstenstaat kaum hoffen. Das Wahlergebnis gebe zwar ein „gutes Bild der derzeitigen Lage in Montenegro“, doch eine stabile Regierung sei nicht zu erwarten, so der Analyst Milos Besic: Er rechnet spätestens in zwei Jahren mit erneuten Neuwahlen.

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