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Ein Arbeiter bringt im Nordosten Kolumbiens Palmöl-Zweige mit einem Ochsenkarren zur Weiterverarbeitung.

© Bloomberg via Getty Images / Bloomberg

Palmöl statt Kokain: Grüne Revolution an der Karibikküste

Feste Jobs, sichere Perspektiven, zunehmend umweltverträgliche Produktion: Kolumbien setzt auf nachhaltige Landwirtschaft und wird damit zum Marktführer.

Unweit der Hafenstadt Cartagena de Indias in Kolumbien liegt das kleine Örtchen Maria La Baja. Abseits der Touristenströme, die es an die kolumbianische Karibikküste zieht, findet hier eine kleine nachhaltige Revolution statt. Im Zentrum der Kehrtwende steht das Palmöl. Mit nachhaltigem Anbau und sozial abgesicherten Arbeitsplätzen soll das Projekt ein Vorbild werden für ein Land, in dem immer noch ein Drogenkrieg herrscht. Erntehelfer Jose Domingo Salvador berichtete jüngst der Katholischen Nachrichtenagentur von den Vorzügen der Arbeit auf der lokalen Finca: „Hier bekommen wir nicht nur feste Jobs, ein festes Monatsgehalt und Urlaubstage, sondern auch eine Renten- und Krankenversicherung.“

Das ist nicht wirklich alltäglich im Land, das immer noch Kokainproduzent Nummer eins der Welt ist. Das gerade erst mit 198 ermordeten Umweltschützern, Sozialaktivisten und Menschenrechtsverteidigern einen neuen blutigen Rekord seit Unterzeichnung des weltweit beachteten Friedensvertrages von 2016 zwischen der ehemaligen FARC-Guerilla und dem Präsidenten sowie späteren Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos erlebt. Das immer noch unter Massakern linksextremer Guerillagruppen und rechtsextremer Paramilitärs sowie alltäglicher Kriminalität leidet.

Kolumbien liegt im Norden Südamerikas, die Landschaft ist von Regenwäldern und zahlreichen Kaffeeplantagen geprägt.
Kolumbien liegt im Norden Südamerikas, die Landschaft ist von Regenwäldern und zahlreichen Kaffeeplantagen geprägt.

© Rita Boettcher

Diese Gruppen rekrutieren ihren Nachwuchs vor allem aus den ärmsten Bevölkerungsschichten, meist vom Land, wo es kaum eine andere Perspektive als den Koka-Anbau gibt. Denn es fehlt an Infrastruktur, um Agrarprodukte auf die Märkte zu bringen. Die Kämpfe der Guerilla, der Paramilitärs und der Drogenbanden um die Vorherrschaft im Drogenhandel verhindern praktisch jede Weiterentwicklung auf dem Land.

Ausweg für Kleinbauern

Um so bedeutungsvoller ist die Erfolgsgeschichte der nachhaltigen Palmölproduktion. Früher hatte Jose Domingo noch seine eigene kleine Farm. Er baute Bananen und Yuca für den Eigenverbrauch an, den Rest verkaufte der 47-jährige Erntehelfer auf dem Wochenmarkt in seinem Heimatdorf Mandinga im Hinterland der kolumbianischen Karibikküste.

Mit Indonesien und Malaysia können wir nicht konkurrieren. Also haben wir unsere Nische mit sozialverträglich und umweltfreundlich produziertem Palmöl gesucht.

Andres Felipe Garcia, Verband kolumbianischer Palmöl-Unternehmen

Doch Jose Domingo erging es wie vielen Kleinbauern. Der Transport war zu teuer und der Verkauf brachte zu wenig ein. Denn für seine Waren konnte er angesichts der einkommensschwachen Kundschaft nur einen geringen Preis verlangen.

„Damit konnte ich meine Familie nicht mehr ernähren“, sagt der Vater dreier Kinder. Jose Domingo hatte Glück und fand vor etwa fünf Jahren auf der Palmölfinca Rionilo in Maria La Baja eine Anstellung. Sie sollte sein Leben verändern. Anders als bei der Kaffeeproduktion im berühmten „Triángulo del Café“ (Kaffeedreieck) in Zentralkolumbien oder auf den Kakaoplantagen, wo es oft nur einen Tageslohn gibt, ist die Arbeit hier sozial abgesichert.

Ein Arbeiter auf einer Palmöl-Plantage im Nordosten Kolumbiens.
Ein Arbeiter auf einer Palmöl-Plantage im Nordosten Kolumbiens.

© Bloomberg via Getty Images / Bloomberg

Nachhaltigkeit als Nische

Ganz freiwillig haben sich die kolumbianischen Palmölunternehmen auf die nachhaltige Produktion jedoch nicht eingelassen. Da sie mit den gigantischen, oft auf abgeholzten Regenwaldlandschaften entstandenen industriellen Palmölplantagen in Indonesien und Malaysia auf dem Weltmarkt nicht mithalten konnten, suchten sie sich eine Nische und kamen so auf nachhaltig angebautes Palmöl.

Dafür gibt es einen stetig wachsenden Markt. Das sozial- und umweltverträgliche Produkt ist wie gemacht für eine internationale Kundschaft, die nicht mehr nur nach dem Preis, sondern auch nach den Produktionsbedingungen fragt und sicher sein will, dass dafür nicht die Umwelt und das Klima zerstört werden.

In Kolumbien ist man stolz auf die Errungenschaften, die Vorbildcharakter haben und einen Ausweg aus einer verzwickten Lage aufzeigen können. Sie passen ins Konzept von Kolumbiens neuem linken Präsident Gustavo Petro, der sein Land gerne zu einer „Quelle des Lebens“, der Landwirtschaft und der nachhaltigen Produktion machen will.

7000
Palmölproduzenten gibt es in Kolumbien, 85 Prozent sind Kleinbauern

„Wir haben es in den vergangenen zehn Jahren geschafft, dass 83 Prozent aller Angestellten im Palmölsektor einer formellen Beschäftigung mit festem Arbeitsvertrag und Versicherung nachgehen können“, sagt Andres Felipe Garcia. Er ist beim Verband kolumbianischer Palmölunternehmen Fedepalma für nachhaltige Entwicklung zuständig.

Die soziale Absicherung der Beschäftigten zeigt auch Effekte bei der Bekämpfung von Gewalt und Kriminalität. Arbeitskräfte, die nicht mehr als Tagelöhner von der Hand in den Mund leben müssen, sind weniger anfällig für die Anwerbeversuche bewaffneter Banden. Das Konzept der Palmölfinca Rionilo ist also auch aktive Friedensarbeit.

Immer mehr Nachahmer

Ein Palmölriese ist Kolumbien aber noch lange nicht. Das Land ist zwar der viertgrößte Palmölproduzent der Welt, seine Verkaufsmenge macht jedoch nur zwei Prozent des Weltmarkts aus. Indonesien und Malaysia produzieren rund 80 Prozent des weltweiten Palmöls. „Damit können wir nicht konkurrieren. Also haben wir unsere Nische mit sozialverträglich und umweltfreundlich produziertem Palmöl geschaffen“, sagt Garcia.

Die Strategie zahlt sich aus, denn heute ist Kolumbien Marktführer für nachhaltiges Palmöl. Und was Brasiliens Präsident Lula da Silva für den Amazonas-Regenwald erreichen will, haben die Kolumbianer fast schon geschafft. Das selbsterklärte Ziel der „Null-Abholzung“ ist in greifbarer Nähe.

Deutlich länger wird es allerdings noch dauern, bis ausschließlich nachhaltiges Palmöl produziert wird. Nach Angaben des kolumbianischen Palmölverbandes haben sich von den rund 7000 Palmölproduzenten, wovon etwa 85 Prozent als Kleinbauern gelten, bislang nur knapp die Hälfte die internationalen Nachhaltigkeitszertifikate verdient.

Es zahlt sich aus

Alejandro Espitia, Besitzer der Rionilo-Plantage, betont, dass es sich auszahle, nachhaltig zu produzieren: „Unsere Produktionskosten sind mit der Zeit deutlich gesunken.“

Statt teurer Düngemittel und Agrargifte setzt er auf Biodiversität. Auf dem Boden seiner Plantagen gibt es deswegen beispielsweise Deckpflanzen. Als Düngemittel dient Hühnerkot. Herabfallende Palmenblätter werden als Biokompost genutzt. Bei der Ernte kommen Wasserbüffel statt Traktoren zum Einsatz. Durch die grüne Bodendecke gehe zudem weniger Wasser verloren, berichtet Espitia.

Langsam aber stetig spricht sich in der Region der Erfolg des nachhaltigen Palmölprojekts herum. Nach Angaben des Verbands wächst die Zahl der nachhaltig produzierenden Palmölbauern stetig. Die Politik versucht nun, die Koka-Bauern zum Umsatteln zu bewegen. Es könnte ein erfolgversprechender Weg sein, das Land aus dem Kreislauf von Drogenhandel, Gewalt und Armut herauszuführen. (mit KNA)

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