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16 Prozent der deutschen Steinkohle kam im vergangenen Jahr aus Kolumbien.

© imago images/ZUMA Wire/Kike Calvo

Kohle aus Kolumbien: Deutschlands fragwürdige Rolle bei der Energiewende in Südamerika

Kolumbiens Staatschef Petro ist zu Gast bei Kanzler Scholz. Deutschland will Kolumbien bei der Energiewende unterstützen – importiert aber selbst jede Menge Kohle aus dem südamerikanischen Land.

Deutschland will Kolumbien bei der Energiewende unterstützen. Und so wird an diesem Freitag der kolumbianische Präsident Gustavo Petro in Berlin erwartet, um mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über grünen Wasserstoff und eine Klimapartnerschaft zwischen Ländern sprechen.

Was zunächst gut klingt, hat bei näherer Betrachtung jedoch einen Haken: Deutschland importiert in großem Umfang Steinkohle aus dem südamerikanischen Land. 16 Prozent der deutschen Steinkohle kam im vergangenen Jahr aus Kolumbien.

Ein Großteil des Rohstoffs wird im Norden des Landes abgebaut, etwa in El Cerrejón, einer der größten Kohlegruben weltweit. Dank der Industrie habe Kolumbien zwar an Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen gewonnen, sagt die kolumbianische Umweltökologin Carmenza Castiblanco. Doch die Kosten dafür waren hoch.

„Alle, die in der Nähe der Minen leben – insbesondere die indigene Bevölkerung –, zahlten dafür mit dem Verlust ihrer Gesundheit, ihrer Ökosysteme und ihrer Kultur“, sagt Castiblanco. Teil der Klimapartnerschaft solle deshalb sein, dass Deutschland Kolumbien beim Kohleausstieg hilft, anstatt weiter Steinkohle zu importieren.

Deutsches Geld treibt die Gewalt an

Nicht nur in Sachen Kohle muss die Bundesregierung Expert:innen zufolge mehr Verantwortung übernehmen. Sondern auch mit Blick auf künftige Investitionen in kolumbianische Energieunternehmen. Denn auch hier gibt es Kontroversen, sagt Chiara Chiavaroli, Anthropologin und Expertin für Klimagerechtigkeit in Kolumbien.

Einerseits unterstütze Deutschland die Friedensverhandlungen der kolumbianischen Regierung, andererseits finanzierten sie Unternehmen, die in enger Verbindung mit Paramilitärs und bewaffneten Gruppen stehen. „Das treibt die Gewalt in der Region weiter an“, sagt Chiavaroli.

Informationen der Menschenrechtsorganisation Fian Deutschland zufolge soll es am Freitag auch um eine deutsch-kolumbianische Kooperation zur Nutzung von grünem Wasserstoff gehen.

„Hier sollte die Bundesregierung dringend von dem Win-Win-Diskurs wegkommen, den sie gerade fährt“, sagt der Lateinamerika-Referent von Fian, Marian Henn. „Angeblich geht es vor allem um die kolumbianische Energiewende, aber unser Eindruck ist: Es geht in erster Linie darum, die deutsche Energieversorgung zu sichern.“

Wenn die Länder auf Augenhöhe Wissen und Technologien austauschen, sagt Castiblanco, biete die Partnerschaft große Chancen.

„Deutschland ist zum Beispiel Europas größter Biogasproduzent. In Kolumbien könnte Biogas die Energiearmut in ländlichen Regionen verkleinern“, sagt sie. „Dort gibt es viele organische Abfälle aus der Landwirtschaft, die sich ideal zur Erzeugung eignen.“

Viele der Gemeinden, die rings um die Kohleminen liegen, haben keinen Zugang zu Strom. Die Energie wird fast ausschließlich zum Export produziert.

„Keinen grünen Extraktivismus“

Bei den jetzt geplanten Kooperationen, sagt Henn, müsse die lokale Bevölkerung stärker einbezogen werden. „Sonst wird grüner Extraktivismus in denselben Ausbeutungsstrukturen betrieben wie bisher“, sagt Castiblanco.

16
Prozent der deutschen Steinkohle wurde im vergangenen Jahr aus Kolumbien importiert.

Die Klimapartnerschaft mit Kolumbien ist Teil einer größeren Strategie, die Deutschland für den globalen Klimaschutz und Südamerika im Besonderen hat.

Der im Norden Kolumbiens liegende „El Cerrejón“ ist eine der größten Kohlegruben weltweit. Abgebaut wird vor allem für den Export.

© Foto: Ynske Boersma

Mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) waren zuletzt mehrere deutsche Minister:innen innerhalb kürzester Zeit zu Besuch auf dem Kontinent.

Bei den Treffen ging es um grünen Wasserstoff, Lithium und ausländische Fachkräfte für Deutschland.

Kritiker:innen, auch in Kolumbien, fürchten den Ausbau neokolonialer Strukturen und die Fortsetzung von Menschenrechtsverletzungen in der Region – unter deutscher Beteiligung.

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