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Der Vorsitzende der Volkspartei (PP), Alberto Nunez Feijoo (rechts), trifft den amtierenden spanischen Ministerpräsidenten und Generalsekretär der Sozialistischen Partei (PSOE), Pedro Sanchez.

© AFP/THOMAS COEX

Katalonien-Partei fordert Straffreiheit: Neue Regierung für Spanien erst im Winter?

Vor der Wahl eines Ministerpräsidenten rückt Amtsinhaber Pedro Sánchez vorsichtig von bisherigen Positionen ab, um katalanische Separatisten für sich zu gewinnen.

Von Juan F. Álvarez Moreno

„Feijóo hat sich in die Hände der Rechtsextremen begeben“, sagt die Sprecherin der spanischen Sozialdemokraten, Pilar Alegría, am Freitag in Richtung ihres politischen Gegners. Alberto Núñez Feijóo, Chef der konservativen Volkspartei (PP), vergeude seine Zeit: Wegen seiner Allianz mit den Rechten könne er keine Regierung bilden, so die Sozialdemokratin: „Wofür legen Sie dieses Land ohne Erklärung lahm?“

Tatsächlich könnten die Spanier sogar bis zum 27. November auf einen neuen Ministerpräsidenten warten. Spätestens dann muss das Parlament laut Verfassung eine Regierung wählen. Bei der Parlamentswahl am 23. Juli wurde Feijóos konservative PP zwar stärkste Kraft, errang aber trotz Unterstützung der rechten Vox-Partei keine Parlamentsmehrheit.

Die regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsident Pedro Sánchez wollen wiederum ihre linke Koalition mit Unterstützung von kleineren Parteien fortsetzen, konnten bisher aber ebensowenig eine Mehrheit organisieren.

Feijóo hat sich in die Hände der Rechtsextremen begeben.

Pilar Alegría, Sprecherin der spanischen Sozialdemokraten

Denn seit der Wahl haben sich die Parteien wenig bewegt und reden allenfalls diskret miteinander. Angesichts drohender Neuwahlen will sich keine auf unbequeme Zugeständnisse festlegen, die in einem erneuten Wahlkampf Stimmen kosten würden.

„Diese lange Wartezeit ist für die Sozialdemokraten vorteilhaft“, sagt Xavier Arbós, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Barcelona, dem Tagesspiegel: „Je länger Feijóo erfolglos nach Unterstützern sucht, desto deutlicher wird seine Einsamkeit.”

Ungeachtet dessen stimmt das Parlament am 27. September darüber ab, ob Wahlgewinner Feijóo Ministerpräsident wird. Bisher fehlen dem konservativ-rechten Block vier Stimmen für eine Mehrheit.

 Xavier Arbós, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Barcelona. 

© privat

Dabei binden sich die Konservativen immer enger an die Rechten: Am Mittwoch bildeten PP und Vox eine Koalition in der südöstlichen Region Murcia, die fünfte dieser Art. „Wegen dieser Pakte hat die PP mögliche Unterstützer wie die baskischen Nationalisten verloren“, so Arbós.

Doch auch Sánchez hat ein Problem: Er muss sich mit der katalanischen Partei Junts verständigen. Die fordert, angeführt von Separatistenführer Carles Puigdemont, eine Amnestie für alle, die wie er von der spanischen Justiz wegen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums 2017 verfolgt werden.

Amnestie für Separatisten ist juristisch und politisch heikel

Die Straffreiheit für Puigdemont und seine mutmaßlichen Mittäter könnte zwar die politische Lage in Katalonien beruhigen, glaubt Professor Arbós, doch sie sei bei Juristen umstritten. Eine Amnestie nach Maß schränke die Justizgewalt ein und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. „Ich finde sie verfassungswidrig“, so der Jurist.

Den Konservativen kommt die Debatte zum richtigen Zeitpunkt: „Ich kann nicht akzeptieren, dass die spanische Demokratie wie eine Diktatur ist, in der eine Amnestie denkbar wäre“, poltert PP-Chef Feijóo gegen die Sozialdemokraten.

Auch Sánchez war bisher gegen eine Amnestie, auch wenn seine Regierung einige – bereits verurteilte – Katalanen begnadigt hat. 2019 versprach er im Wahlkampf, Puigdemont aus Belgien zurück nach Spanien zu holen, da er vor Gericht gehöre. Nun hofft Sánchez auf Puigdemonts Unterstützung bei der Ministerpräsidentenwahl.

In den sozialdemokratischen Reihen ist man nun entsprechend behutsamer bei den Formulierungen: „Wir werden nur im Verfassungsrahmen agieren“, so Margarita Robles, amtierende Verteidigungsministerin.

Annäherung an katalanische Nationalisten als einzige Chance

Nach dem wahrscheinlichen Scheitern von Feijóo wäre Sánchez im Oktober am Zug. „Bei den Sozialdemokraten herrscht vorsichtiges Schweigen“, sagt Arbós. Denn Sánchez wisse, dass nicht alle Parteikollegen die Annäherung an Junts begrüßen. Doch das sei seine einzige Chance, Ministerpräsident zu werden, so der Rechtswissenschaftler. Zudem dürfte von Neuwahlen vor allem Feijóo profitieren.

Auch der Katalane Puigdemont wisse um diesen taktischen Vorteil und verlangt Zugeständnisse: „Doch die bisherigen Forderungen sind für die Sozialdemokraten nicht tragbar“, so Arbós. Puigdemont werde seinen harten Ton wohl erst nach dem katalanischen Nationalfeiertag am Montag abmildern.

Einen Wunsch hat Sánchez den Nationalisten aber bereits erfüllt: Schon bei der Abstimmung über Feijóos Kandidatur sollen sich Abgeordnete nicht nur auf Spanisch, sondern auch auf Katalanisch, Baskisch oder Galizisch äußern dürfen. Denn das spanische Parlament soll mehrsprachig werden.

Darauf einigten sich Sozialdemokraten und Linken mit nationalistischen Parteien aus mehreren Regionen. Das Parlament dürfte bald dringend nach Dolmetschern suchen. Bei seinem Versuch zur Ministerpräsidentenwahl dürfte dem konservativen Feijóo das aber egal sein: „Nein“ heißt auf Spanisch wie auch auf Katalanisch schlichtweg: „No.“

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