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Unermüdllich überzeugen: Elly Schlein im Kommunalwahlkampf in Brescia in der Lombardei.

© Imago/Zuma Wiire/Matteo Biatta

Italiens Sozialdemokraten: Parteichefin Elly Schlein kassiert Niederlagen

Sie führt als erste Frau die größte linke Partei in Italien. Doch jetzt, nach hundert Tagen, scheint Elly Schlein bereits von deren alten Problemen eingeholt. Und von ersten Misserfolgen.

Jung, weiblich, vielsprachig und die Erste, die sich gegen den Apparat ihrer Partei an die Spitze setzte: Die Wahl von Elly Schlein zur ersten weiblichen Vorsitzenden des sozialdemokratischen Partito democratico (PD) am 27. Februar dieses Jahres überraschte viele. „Sie haben uns nicht kommen sehen“, sagte Elly Schlein am Abend ihrer Wahl mit einem Lächeln.

Auch die regierende Rechte schien eine Zeitlang auf dem falschen Fuß erwischt. Deren Frontfrau Georgia Meloni stand plötzlich eine gegenüber, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie das Ruder herumreißen und eine soziale, umwelt- und bürgerrechtsorientierte Alternative zum Rechtsbündnis schaffen wollte.

An Elly Schleins Entschlossenheit lässt sich auch nach diesen ersten hundert Tagen im Amt nicht zweifeln. Aber die Zweifel werden lauter, ob sie es schaffen wird. Die Flitterwochen der 38-Jährigen mit ihrer Partei, die seit jeher intern zerstritten ist, scheinen bereits vorbei.

Erst die Regionalwahlen, dann viele Städte verloren

Ein harter Schlag waren Ende Mai die Stichwahlen in einigen größeren Städten, in denen neue Bürgermeister bestimmt wurden. Gerade einmal in drei Städten gewannen Mitte-Links-Kandidatinnen, aber in acht machten Rechte das Rennen. Zum ersten Mal fiel Ancona an sie, die Hauptstadt der Region Marken.

Sogar in der einst tiefroten Toskana gingen Siena und Pisa verloren. In Brindisi bekam Giuseppe Marchionna 54 Prozent der Stimmen mit dem ausdrücklichen Versprechen, Schluss zu machen mit der Umweltpolitik, die aus seiner Sicht die Entwicklung von Industrie in der Stadt behindert hat.

Bereits die Regionalwahlen in Latium und der Lombardei, Landtagswahlen vergleichbar, waren Wochen zuvor gegen die Linke ausgegangen. „Der Schlein-Faktor“ höhnte Lega-Chef und Verkehrsminister Matteo Salvini.

Und obwohl Schleins Getreue darauf verweisen, dass die Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunen noch unter ihrem konservativeren Vorgänger Enrico Letta ausgewählt wurden: Schlein selbst hatte sich persönlich stark eingesetzt, vor allem in Ancona, und muss sich den Misserfolg nun ans eigene Revers heften.

Die Partei ist seit ihrer Gründng zerrissen

Ihre unermüdliche Überzeugungsarbeit für ein Programm, in dem der Ausstieg aus Italiens niedrigen Löhnen sich mit einer entschlossenen Umweltpolitik verbindet, hat auch in Italien gerade wenig Konjunktur. Die Verlustängste sind zu groß.

Aber Elly Schlein, deren im wörtlichen Sinne ungeschminktes Auftreten dem Regierungslager steten Anlass zu Spott liefert, steht auch in ihrer eigenen Partei unter Druck – den die Wahlschlappe in den Städten nur erhöht hat.

Der Wechsel ist kein Galadinner.

Elly Schlein, Vorsitzende der Demokratischen Partei

Jene mutmaßliche Mehrheit der Partei, die für ihren weiter rechts stehenden Konkurrenten gestimmt hatte, nimmt ihr die linken Überzeugungen übel. Elly Schlein hatte schließlich die Vorwahlen gewonnen, an denen sich auch Nichtmitglieder beteiligen durften. Eine „Massimalista“ sei sie, sie wolle zu viel, mosert die Gegenseite.

Der PD ist mit breiten innerparteilichen Gräben praktisch seit seiner Entstehung geschlagen. 2017 entstand die „Demokratische Partei“ aus den Resten der KP Italiens, einiger Teile der Christdemokraten und unter Beteiligung Liberaler. Vor allem der Teil der Partei, den jetzt Schlein repräsentiert, und der mit christdemokratischen Wurzeln – auch ihr Vorgänger Letta war in jungen Jahren democristiano – gelingt es trotz oft guten Willens nicht, übereinzukommen.

„Bin gekommen, um zu bleiben“

Derzeit muss die Parteichefin die auseinanderstrebenden Flügel in der Ukrainepolitik zusammenhalten. Auch in der Frage der Leihmutterschaft finden sich aktuell Parteifreund:innen auf Seiten der Regierung Meloni. Die will Leihmutterschaft komplett verbieten und auch dann verfolgen, wenn Eltern ihre Kinder im Ausland austragen ließen.

Es sei ohnedies falsch, den PD als sozialdemokratisch einzustufen, spöttelte ein Kommentar der linken Tageszeitung „il manifesto“. „Die Kommunisten schreiben, die Christdemokraten entscheiden.“

Schlein selbst scheint es noch nicht aufgegeben zu haben, die Partei hinter ihrem Programm zu vesammeln. Nach den verlorenen Kommunalwahlen demonstrierte sie Durchhaltewillen: In einem Video wandte sie sich an Partei und Wählerschaft. Man sei erst am Anfang des Weges. Sie und ihr Team seien „gekommen, um zu bleiben. Und: „Der Wechsel ist kein Galadinner.“

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