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Dieses undatierte, von der griechischen Küstenwache am 14.06.2023 zur Verfügung gestellte Bild zeigt zahlreiche Menschen, auf dem Deck eines Fischerboots, das später vor Südgriechenland kenterte und sank.

© dpa/Hellenic Coast Guard/AP

Frontex-Chef Leijtens über Bootsunglück: „Ich wünschte, ich hätte Einfluss, das Sterben zu stoppen“

Vor der griechischen Küste kenterte am Mittwochmorgen ein Boot mit rund 700 Flüchtenden. Bisher ist die Rede von etwa 600 Todesopfern. Frontex-Chef Leijtens zeigt sich bestürzt.

Der neue Chef der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) zeigt sich beklommen über die neuerliche Katastrophe vor der griechischen Küste, bei der wohl 600 Flüchtende ums Leben gekommen sind.

„Ich wünschte, ich hätte den Einfluss, das Sterben zu stoppen“, sagte der niederländische Polizeigeneral Hans Leijtens im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag). „Aber wir können keine Wunder vollbringen. Wir überwachen ein Meer, das doppelt so groß ist wie Frankreich, Spanien und Italien zusammen.“

Was vor Griechenland geschehen ist, sei unfassbar traurig, so Leijtens. Es sei sehr schwer, jedem zu helfen, der in Not gerät. „Denn die Menschen sind bereit, große Gefahren auf sich zu nehmen“, um unbemerkt auf die europäische Seite zu kommen. Mehr als 25.000 Menschen sollen im Atlantik und im Mittelmeer seit 2015 beim Versuch gestorben sein, Europa zu erreichen.

Frontex-Chef Hans Leijtens (links) bei einem Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Petr Pavel im März 2023.

© IMAGO/CTK Photo

Der Frontex-Chef betonte, die primäre Aufgabe seiner Leute sei, potenziell überbelegte Boote per Wärmekameras auszumachen und den nationalen Behörden zu melden. Es sei schrecklich, „dass wir ein Schiff sahen, das wenig später unterging“, und dass viele Menschen starben.

Leijtens sagte: „Wir sind keine Roboter, wir sind Menschen. Alle bei uns fragen sich: Haben wir etwas übersehen, das auf einen Notfall hindeutete? Wir haben die Bilder immer wieder angesehen und kommen zu dem gleichen Ergebnis. In dem Moment des Entdeckens gab es keinen akuten Notfall.“

Druck an den Grenzen wächst

Nichtregierungsorganisationen hegen Zweifel an der Hilfsbereitschaft staatlicher Retter. Das Verhalten italienischer Behörden wird kritisch untersucht.

Forderungen nach einer eigenen Rettungsmission von Frontex erhebt Leijtens nicht. Statt den Auftrag zum Grenzmanagement zu erweitern, solle man besser in die Küstenwachen der Nationalstaaten investieren, so der Frontex-Chef.

Statt immer mehr private Rettungsschiffe unkoordiniert loszuschicken, plädiert der Leiter der europäischen Behörde zudem für deutlich mehr Investitionen in Prävention. Es gelte vor allem zu verhindern, dass überhaupt weiter so viele Menschen die gefährliche und unverantwortliche Reise über das Meer antreten, indem man den Menschen in den Fluchtländern bessere Lebensbedingungen ermögliche.

Allerdings räumt Leitjens ein, dass der Druck an den Grenzen derzeit weiter wachse. Die Behörden in Nordafrika übten zusätzlichen Druck auf Migranten aus dem subsaharischen Afrika aus.

Diese hätten bereits einen langen und gefährlichen Weg hinter sich und stünden vor der Wahl: zurück oder weiter? Da sich die meisten keinen teuren Platz auf den großen, vergleichsweise sicheren Schlepperbooten leisten könnten, ändere sich derzeit auch das Geschäft der Schlepper massiv.

Schmuggler schweißten derzeit binnen kürzester Zeit kleinere Boote zusammen, mit billigeren Plätzen. Manchmal gebe es dann noch Wettbewerb unter den Schleppern. Einige Boote würden sogar auf hoher See erpresst.

„Es heißt: Wir schleppen euch nach Lampedusa, das kostet extra. Wenn die Migranten nicht zahlen, werden sie umkreist, bis das Boot sinkt“, berichtet Leitjens. Das mache die Rettung noch schwieriger: Statt ein großes Boot zu retten, müssten zehn kleine gerettet werden. „Diese Mischung ist unmenschlich und supergefährlich“, so der Frontex-Chef. (KNA)

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