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Die Basis von Timmermans Partij van de Arbeid (PvdA) sowie die von GroenLinks ist euphorisch wie lange nicht mehr.

© AFP/ANP/Robin Utrecht

Wahlkampfauftakt in den Niederlanden: Kann Frans Timmermans den Rechtsruck stoppen?

Retter für die Linken, Feindbild für die Rechten: Der ehemalige niederländische Außenminister und EU-Kommissionsvize Timmermans kehrt nach Hause zurück – um dort Premier zu werden.

Eine ihrer schillerndsten Figuren kehrt in die niederländische Politik zurück: Frans Timmermans. Der 62-Jährige war einst niederländischer Außenminister. Vor neun Jahren wechselte er nach Brüssel, wo er zuletzt das Amt des Ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission innehatte und den „Green Deal“ verantwortete, das europäische Maßnahmenpaket für den Klimaschutz.

„Ich will Premier werden“, sagte Timmermans freimütig, als er vor einem Monat bekannt gab, bei den Neuwahlen im November als Spitzenkandidat der gemeinsamen rot-grünen Liste anzutreten. Doch kann er das schaffen?

Die Basis seiner Partei der Arbeit (Partij van de Arbeid, PvdA) sowie die der niederländischen Grünen GroenLinks sind diesbezüglich euphorisch wie lange nicht mehr. Die Kandidaten-Kommission, bestehend aus je zwei sozialdemokratischen und grünen Mitgliedern, bezeichnete Timmermans als den „idealen“ Spitzenkandidaten. Am vergangenen Dienstag wurde bekannt, dass ihn bei einer Basis-Abstimmung 91,8 Prozent unterstützten. Er war allerdings der einzige Kandidat, der antrat.

Für die rechten Kräfte im Land ist Timmermans dagegen ein wandelnder Alptraum. Ihr bekanntestes Gesicht, der Rechtspopulist Geert Wilders, sprach von Timmermans als dem „Schlimmsten, was den Niederlanden passieren kann“. Timmermans stehe „für maximalen Klima-Wahnsinn, mehr EU, mehr Diversität, mehr Wokeness und Asyl“.

Die Reaktionen sagen einiges aus über die Polarisierung in dem einst so ausgeglichenen Land. Zugleich zeigen sie, dass das Comeback von Timmermans die Karten in Den Haag neu mischt – vor allem zugunsten der Sozialdemokraten.

Jahrelang kassierte die einst so stolze Arbeiterpartei eine Wahlniederlage nach anderen, bis sie im Jahr 2019 überraschend die Europawahl gewann. Der Erfolg wurde im Wesentlichen ihrem damaligen EU-Spitzenkandidaten zugeschrieben: Frans Timmermans. Eine Bestätigung des Bilds, das man in Den Haag und Brüssel von Timmermans hat: Er ist der Macher, der zupackt und knifflige Probleme beseitigt.

Und es gibt noch einen Grund, weswegen man ihm zutraut, aus der Listenverbindung zweier Parteien, die an Zuspruch verloren haben, einen Wahlsieg zu machen: seinen Ehrgeiz.

Timmermans spricht sechs Sprachen fließend: Niederländisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Russisch. Zählt man seinen Limburger Heimatdialekt hinzu, sind es sogar sieben. Als früherer Außenminister und EU-Größe bewegt er sich ganz oben in der globalen Politik. Er gilt als unermüdliches Arbeitstier, als getriebener Aufsteiger.

Timmermans’ Großväter waren Bergleute in den Minen der südniederländischen Provinz Limburg. Sein Vater arbeitete als Bote und Archivar für die Vertretungen der Niederlande in Brüssel und Rom. Später machte Timmermans selbst den Schritt in den diplomatischen Dienst und war in den früheren 1990er Jahren an der niederländischen Botschaft in Moskau tätig.

Seine politische Laufbahn in der Arbeiterpartei führte ihn später ins Außenministerium. Zwischen 2007 und 2010 war er Staatssekretär für Europäische Zusammenarbeit. 2012 schaffte er es an die Spitze: Er wurde niederländischer Außenminister.

Doppelt verwurzelt im Bergbaugebiet und in Europa

Was Timmermans auszeichnet, ist seine Verwurzelung in zwei unterschiedlichen Milieus. Einerseits steht er für das vom Strukturwandel hart getroffene Bergbaugebiet in der Provinz Limburg, wo man einen Akzent spricht, der fast wie Deutsch klingt. Es wird in den Niederlanden bisweilen belächelt.

Andererseits verkörpert er das supranationale Europa, das ihm quasi in die Wiege gelegt wurde. Timmermans wurde in Maastricht geboren. Schon als junger Mensch prägte ihn die Idee europäischer Vernetzung. Als Abgeordneter war er ein glühender Verfechter des per Referendum abgelehnten europäischen Grundgesetzes.

Als Staatssekretär war er federführend daran beteiligt, dass der Lissabon-Vertrag vom Parlament in Den Haag angenommen wurde. Alles geben für eine große Idee, das ist sein Markenzeichen.

Das stellte er auch als „Mister Green Deal“ unter Beweis: Er verteidigte die EU-Nachhaltigkeitsziele immer wieder gegen heftige Widerstände und den populären Ruf nach einer „Pause“ beim Klimaschutz. Damit hat er bei den Sozialdemokraten und bei den Grünen einen Stellenwert wie kein anderer niederländischer Politiker.

Die Überwindung der zunehmenden Polarisierung in den Niederlanden zählt ebenfalls zu seinen Prioritäten. Das betonte Timmermans, als er im Juli seine Kandidatur bekannt gab.

Ob das am Ende aber reicht, ist – trotz erster positiver Prognosen – fraglich. Denn die Rechten werden alles tun, um ihrem deklarierten Feind den Weg in das Amt des Premierministers zu verbauen.

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