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Robert Fico könnte erneut slowakischer Regierungschef werden.

© AFP/Vladimir Simicek

Update

Die Slowakei wählt: Europas Sozialdemokraten fürchten das Comeback des Linkspopulisten Fico

2018 verlor er die Macht in der Slowakei wegen Korruption und eines Mords. Jetzt wendet sich Robert Fico gegen den Westen und den Ukraine-Krieg. Experten sehen gute Chancen für ihn.

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In der Slowakei hat am Samstagmorgen die Parlamentswahl begonnen. Ihr Ausgang droht in mehrfacher Hinsicht zu einem Albtraum zu werden: für Deutschland und speziell die SPD, für die EU und die sozialdemokratische Parteienfamilie SD, und für die Ukraine und die sie unterstützende internationale Koalition.

Die Figur der Stunde ist Ex-Premier Robert Fico. Er musste 2018 wegen Korruptionsskandalen und des Verdachts einer Verwicklung in die Morde an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová zurücktreten.

Doch nun erlebt er ein Comeback und hat nach Einschätzung von Experten gute Chancen, erneut Regierungschef zu werden. Seine dem Namen nach sozialdemokratische Partei Smer ist in den Umfragen entweder die stärkste Partei oder liegt Kopf an Kopf mit der linksliberalen PS (Progressive Slowakei). Wie ist das möglich? Haben die Slowaken seine Vergangenheit vergessen oder vergeben?

„Er ist ein Populist wie Viktor Orbán, nur eben von links“, sagt Milan Nič, Experte für Mittel- und Osteuropa bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). „Er nutzt alle Themen, die Erfolg durch Emotionalisierung versprechen: die Migration, die Kulturkämpfe um Gender-Fragen, den Ukrainekrieg und seine Folgen.“

Slowakei hat höchste Inflationsrate in Europa

Die Slowakei habe die höchste Inflationsrate in Europa. Für Rentner und Geringverdiener sei die Teuerung der Lebensmittel ein ernstes Problem, analysiert Renata Alt. Die FDP-Bundestagsabgeordnete stammt aus der Slowakei und verfolgt den Wahlkampf dort. „Fico verspricht einen starken Sozialstaat.“

Und er will die Slowakei aus der Pro-Ukraine-Koalition herausführen, ergänzt Alt. „Er sagt: Dieser Krieg ist nicht unser Krieg. Damit gewinnt er ältere Wähler, die sich noch an das Bündnis mit der Sowjetunion erinnern und sich nicht im Konflikt mit Russland sehen wollen.“ Für die Energieversorgung und die Atomkraftwerke brauche die Slowakei zudem Brennstäbe aus Russland.

Nič und Alt konstatieren beide einen Reflex in Deutschland, Populismus in erster Linie als Rechtspopulismus einzuordnen, und eine Scheu, über die Gefahren des Linkspopulismus zu sprechen. „Fico war bei der Wende 1989 die jüngste Führungsfigur der Kommunistischen Partei“, erinnert Nič. „Vom Instinkt her ist Fico eher anti-amerikanisch als pro-russisch.“ Als er 2006 zum ersten Mal Premier wurde, führte er die Slowakei aus der Irakkriegs-Koalition.

Die größte Zugkraft haben aber Ficos soziale Versprechen, meint Nič. „Er verspricht den Wählern: Ich sehe eure Leiden, ich werde euch helfen. Ich war viele Jahre Regierungschef und weiß, wie man Wirtschaft und Inflation in den Griff bekommt. Lasst die alten Affären ruhen.“

Sie (die nach 2018 an die Macht kamen) haben weder die Korruption beseitigt noch die Morde aufgeklärt. So eine Partei braucht niemand.

Renata Alt ist Bundestagsabgeordnete (FDP) und stammt aus der Slowakei.

Ficos erstaunliches Comeback hat freilich auch mit dem Versagen der politischen Kräfte zu tun, die im Zuge der Empörung über die Korruptionsskandale und die Morde an Kuciak und seiner Verlobten 2018 an die Macht gekommen waren. „Sie haben weder die Korruption beseitigt noch die Morde aufgeklärt. So eine Partei braucht niemand“, fasst Alt die öffentliche Stimmung zusammen.

Falls Fico die nächste Regierung bildet, stehen Europas Sozialdemokraten, die EU und die Pro-Ukraine-Koalition vor großen Herausforderungen Problemen. Die SPD und die Parteienfamilie SD kämen unter vergleichbaren Druck, Ficos Smer aus ihrem Bündnis auszuschließen, wie ihn zuvor die Europäische Volkspartei EVP erlebte, sich von Viktor Orbán und seiner Partei Fidesz zu trennen, sagen Alt und Nič. Ernste Probleme haben die Sozialdemokarten auch mit ihren Partnern in Bulgarien und Rumänien.

Die Slowakei ist nach Polen das wichtigste Land, um westliche Waffen in die Ukraine zu bringen. Dort werden zudem Panzer gewartet und repariert, die der Westen Kiew geliefert hat. Falls Fico diese Hilfe beendet und deutsche und amerikanische Soldaten auffordert, das Land zu verlassen, wäre das ein schwerer Schlag für Kiew.

Ein Sieg Ficos wäre darüber hinaus ein schlechtes Signal für das Ringen um den Rechtsstaat in der EU und würde von Polens Regierungspartei PiS als Rückenwind für die Wahl dort in zwei Wochen interpretiert. „Fico will zurück an die Macht, um die Strafverfahren gegen ihn zu stoppen“, meint Nič. Alt sagt. „Fico droht allen im Justizapparat, die gegen ihn ermitteln, sie aus den Ämtern zu jagen und die Altersbezüge zu nehmen.“

Die Folgen der Wahl am Samstag werden stark davon abhängen, welche Parteien es über die Sieben-Prozent-Hürde schaffen. Ficos Smer und ihr liberaler Konkurrent PS liegen in den Umfragen um die 19 Prozent. Wer von ihnen bessere Chancen hat, eine Regierungskoalition zu bilden, hängt ab vom Ergebnis des Mitte-Rechts-Bündnisses OLaNO, einer weiteren sozialdemokratischen Partei, der HLAS, und der rechtsextremen Republikaner. Ficos Comeback hat schon jetzt den Druck erhöht, nationalen und sozialen Fragen Vorrang zu geben.

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