zum Hauptinhalt
Prinz Charles in Papua Neu Guinea.

© Getty Images/Tim Graham

Die Reste eines Weltreichs: Was wird unter König Charles aus dem Commonwealth?

Als König von Großbritannien steht Charles auch dem Commonwealth vor. Der Staatenbund bedeutet dem neuen Regenten viel. Doch in den Mitgliedsländern regt sich Unmut.

Vom Erbe der Vorfahren ist nicht mehr viel übrig. Während sich etwa Queen Victoria im 19. Jahrhundert noch stolz „Kaiserin von Indien“ nannte und als Monarchin über ein echtes Weltreich herrschte, von der Karibik bis in die Südsee, muss der neue König Charles sich mit weit weniger zufriedengeben.

Statt des „Empire“ steht der König nur noch einem Relikt aus der Kolonialzeit vor: dem Commonwealth. Politisch spielt Charles für die 56 souveränen Mitgliedstaaten kaum eine Rolle, gerade einmal 15 von ihnen akzeptieren ihn überhaupt noch als Staatsoberhaupt. Ihm bedeutet die Organisation dennoch viel. „Das Commonwealth ist, seit ich denken kann, ein wichtiger Teil meines Lebens“, sagte er einmal.

Was wird der neue König mit seinem Staatenklub anfangen? Als Prince of Wales galt er als Reformer, der sich eine moderne Monarchie wünschte. Jetzt könnte er auch Veränderungen des Commonwealth anstoßen. Das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Krone ist allerdings kompliziert. Man hängt aneinander, in vielen Staaten blickt man aber auch kritisch nach Großbritannien.

„Es gibt kein Land im Commonwealth, in dem es keine sichtbaren Absetzbewegungen in der Zivilgesellschaft gibt“, sagt der Kolonialismusforscher Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg. „Viele haben genug von der weißen, imperialen Weltsicht, für die das Commonwealth mit einem weißen König an der Spitze steht.“

Geld aus dem Sklavenhandel

So hat sich etwa die Karibikinsel Barbados 2021 zur Republik erklärt, in anderen Ex-Kolonien gibt es ähnliche Bestrebungen. Charles selbst dürfte daher ein Interesse haben, den Rest des einstigen Reichs zusammenzuhalten – und nicht zu kritisch damit umzugehen. Er hat zwar Forschungen zur kolonialen Vergangenheit seines Landes angestoßen. Über das Privatvermögen der Windsors, das unter anderem aus dem Sklavenhandel stammt, spricht er aber nicht.

Es gibt kein Land im Commonwealth, in dem es keine sichtbaren Absetzbewegungen in der Zivilgesellschaft gibt.

Jürgen Zimmerer, Historiker

„Eine kritische Aufarbeitung des Kolonialismus und ein Hinterfragen des Commonwealth wäre für Charles kaum umzusetzen“, sagt Zimmerer. Das habe auch mit der in Großbritannien populären „imperialen Nostalgie“ zu tun, die sich etwa im Brexit zeige. „Großbritannien hält auch deswegen am Commonwealth und am Pomp der pseudo-imperialen Monarchie fest, weil es so einen längst vergangenen Status auf der Welt bewahren zu können, glaubt“, sagt der Geschichtsprofessor.

Davon profitierten aber auch die Regierungen in den Commonwealth-Ländern, „weil die Mitgliedschaft sie auf der Weltbühne besser sichtbar macht“, wie Zimmerer sagt. Die postkolonialen Strukturen nutzen heute den Eliten. „Die Bevölkerung lebt in Armut, während die Reichen sich nach Großbritannien orientieren und ihre Kinder etwa nach Oxford zum Studieren schicken.“


Kenia: Nichts vergessen, nichts vergeben

Im ostafrikanischen Kenia sind die Spuren des Kolonialismus allgegenwärtig. Wer in der Hauptstadt Nairobi durch das grüne Nobelviertel Kileleshwa geht, findet dort hinter hohen Hecken große Anwesen. Darauf sieht man gut erhaltene Villen im englischen Landhausstil, wie sie genauso gut in Sussex oder Kent stehen könnten. Nur dass hier Mangobäume im Garten wachsen.

Schwarze waren in diesen Häusern der Kolonialherren früher nur als Bedienstete erlaubt, heute lebt hier die kenianische Oberschicht.

Die Menschen in dem Land pflegen das koloniale Erbe – sie haben keine andere Wahl. Die heutige Beziehung zu Großbritannien ist gut. Viele haben Verwandte, die zum Arbeiten oder Studieren nach England gehen. Die Regierungen stehen sich nahe. Die gemeinsame Sprache hilft. Die haben sich die Menschen in Kenia längst zu eigen gemacht. In Nairobi spricht man heute Sheng, eine moderne Mischung aus Swahili und Englisch.

Die Queen Mother vor Kolonialsoldaten in Narok, Kenia. In der einstigen Kronkolonie unterhielt die königliche Familie ein Urlaubsdomizil.
Die Queen Mother vor Kolonialsoldaten in Narok, Kenia. In der einstigen Kronkolonie unterhielt die königliche Familie ein Urlaubsdomizil.

© imago stock&people/imago stock&people

Von Verklärung der alten Zeit ist hier nichts zu spüren. Zu gut erinnern sich die Menschen an die brutale Gewalt der Briten – wie sie im „Mau-Mau-Krieg“ ganze Landstriche entvölkerten, Tausende in Konzentrationslager pferchten, wie sie mordeten und vergewaltigten. Zum Beginn des Krieges weilte Charles‘ Mutter Elizabeth auf dem Familiensitz in den „White Highlands“ zum Angelurlaub. Distanziert hat sie sich von den Kolonialverbrechen im Namen der Krone nie.

Als die Queen im September 2022 starb, überwog in Kenia das kritische Erinnern die Trauer über den Tod der Monarchin. Und so dürfte auch die Krönung des neuen Königs die meisten Menschen in dem ostafrikanischen Land wenig interessieren.  


Neuseeland und Australien: Noch dabei, aber nicht auf Ewig

1999 war ein enttäuschendes Jahr für die Republikaner in Australien. Ein lange vorbereitetes Referendum auf dem Kontinent sollte endgültig klären, ob die Australier ihre Verfassung ändern und die Monarchie abschaffen wollen. Das Begehren scheiterte – und um die Absetzbewegung von der britischen Krone wurde es für ein paar Jahre ruhiger.

Australiens Premier Anthony Albanese bei einem Besuch in 10 Downing Street in London.
Australiens Premier Anthony Albanese bei einem Besuch in 10 Downing Street in London.

© action press/Splash News

Doch zuletzt rückte das Thema wieder stärker in den Fokus der australischen Politik. Labour-Premierminister Anthony Albanese setzte kurz nach seinem Amtsantritt einen Beauftragten für die Republik ein, der nach dem Tod von Queen Elisabeth II. schon Australiens Zukunft als Republik plante. „Das elisabethanische Zeitalter ist vorbei, jetzt ist es Zeit für uns, ins australische Zeitalter einzutreten“, sagte Matt Thislethwaite dem „Time“-Magazin.

43
Prozent der Australier sprachen sich zuletzt für den Übergang zur Republik aus.

Und doch scheinen die Australier derzeit unentschlossen zu sein. In einer Umfrage kurz nach dem Tod der Queen sprachen sich weniger als die Hälfte (43 Prozent) für eine Republik Australien aus. Und auch Premier Albanese sagte in der vergangenen Woche mit Blick auf die Krönung von Charles III., dass es zeitnah kein neues Referendum dazu geben werde. Zudem werde er selbst, obwohl er „zeitlebens Republikaner“ gewesen sei, dem neuen König in einer Zeremonie in Westminster Loyalität schwören.

Ähnliche sieht das Albanese‘ neuseeländischer Kollege Chris Hipkins. Zwar hoffe er, dass sein Land in der Zukunft ein unabhängiger Staat werde, das „auf seinen eigenen zwei Beinen“ stehe, sagte Hipkins auf einer Pressekonferenz. Allerdings gebe es derzeit keine unmittelbaren Pläne, sich von der Monarchie zu lösen.


Jamaika: Schwarzes Leid für weißen Genuss

Ein Jahr nachdem Barbados von der britischen Krone losgesagt hatte, sollten William und Kate 2022 in den übrigen Karibik-Staaten des Commonwealth für Ruhe sorgen. Mit einer Charme-Offensive wollten sie nicht nur die Mitgliedschaft im Staatenbund, sondern insbesondere in Jamaika Werbung für den britischen Monarchen als Staatsoberhaupt machen.

Es gelang dem damals Zweiten in der Thronfolge nicht. Ein Tag vor der Ankunft von William und Kate forderten 100 Politiker und Kulturschaffende in einem offenen Brief eine Entschuldigung für „die britischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Die sei notwendig, um für die „Ausbeutung der indigenen Bevölkerung Jamaikas, den transatlantischen Menschenhandel mit Afrikanern“ im Rahmen der royalen Kolonialherrschaft einen „Heilungsprozess einleiten“ zu können.

Volksnah, aber in Grenzen: William und Kate in Kingston, Jamaika.
Volksnah, aber in Grenzen: William und Kate in Kingston, Jamaika.

© Imago/i-Images

Mitte des 17. Jahrhunderts eroberten die Briten, auf Befehl von Charles‘ Vorfahren, den karibischen Kleinstaat von den Spaniern. Jamaika wurde zur englischen Zuckerinsel, bald die reichste Kolonie des Empire. Der durch Ausbeutung billige Zuckerabbau machte das Land zu einer Mine, aus der Großbritannien riesige Reichtümer schöpfen konnte – und die Königsfamilie profitierte.

Etwa eine Million Afrikaner aus ihren anderen Kolonien schickte die britische Krone allein nach Jamaika, wo sie unter härtesten Lebensbedingungen arbeiten mussten. Samuel Sharpe, ein Anführer von Aufständischen auf der Insel, wurde von den Briten brutal hingerichtet. Heute ist er einer der sieben Nationalhelden Jamaikas.

Doch entschuldigen wollte sich William bei seinem Besuch 2022 dafür nicht. In seiner Rede an den jamaikanischen Premier sprach er von den „entsetzlichen Gräueltaten“ und einer „tiefen Trauer“. Sklaverei, sagte William, „war abscheulich und hätte nie passieren dürfen“.

Den Regierungschef überzeugte das nicht. Am selben Tag wurde bekannt, dass die Regierung bereits die Loslösung von der britischen Krone plant. Spätestens 2024 soll in einem Volksentscheid abgestimmt werden, ob der Karibikstaat eine Republik werden soll.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false