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SHETLAND ISLES, SCOTLAND - JULY 24:  Prince Charles Trying On A Viking Helmet During A Visit To The Shetland Isles, Scotland.  (Photo by Tim Graham Photo Library via Getty Images)

© Tim Graham Photo Library via Getty Images

Schon vor seiner Krönung: Charles III. schickt sich an, das gleiche Kunststück wie seine Mutter zu vollbringen

Der einzigartige Charakter der Queen überstrahlte lange die strukturellen Ungerechtigkeiten der Monarchie. Nun sieht es aus, als sei auch Charles einzigartig.

Ein Kommentar von Deike Diening

Das Unken vom Ende hatte schon lange vor dem Tod der Queen begonnen: Dass die Monarchie in ihrer besonders prunkhaften britischen Ausprägung eine sündhaft teure Albernheit sei, die soziale Ungleichheit zementiert und erblichen Elitarismus fördert. Dass die 86 Millionen Pfund, die die Krone die Steuerzahler im Jahr kostet, anderswo verzweifelt gebraucht würden.

Doch selbst Kritiker der Staatsform konnten kaum umhin, die Queen als Person zu respektieren, ihr sagenhaftes Stil- und Pflichtbewusstsein, ihre Integrität, ihr Durchhaltevermögen und ihren Leistungswillen.

Ihretwegen, um ihrer Person willen, doch bitte die Monarchie noch nicht abschaffen, hieß es. Nicht jetzt. Vielleicht nach ihrem Tod. Und auch das nur für den unwahrscheinlichen Fall natürlich, dass die Queen überhaupt sterblich sein sollte.

Sie war es. Mit 96 Jahren, nur zwei Tage nach ihrem letzten Handschlag mit Liz Truss, der diese zur Premierministerin machte, starb sie als Charles‘ ewige „Working Mum“ einfach an „Alter“. „Old age“, so stand es im Totenschein.  

96
Jahre alt wurde Charles’ Mutter Königin Elisabeth II.

Doch dann ging es einfach weiter. Charles‘ königlicher Seitenscheitel fand seinen Weg über die ersten geprägten 50-Pence-Münzen in die Portemonnaies der Briten.

Längst hat die landesweite Tassen- und Keksdosenwerdung des Staatsoberhauptes stattgefunden, wie einem nur in Großbritannien gültigen Naturgesetz gehorchend, wonach die Gesichter der Monarchen auf jeglichem Küchenplunder auftauchen. 55 Prozent der Briten seien noch immer für einen Erhalt der Monarchie, sagen die Umfragen.

Verschleierungstaktik, Intransparenz, Beeinflussung

Zugleich feuert der „Guardian“ mit der Kraft seiner Investigativ-Reporter eine Recherche nach der anderen ab, die in der Summe ungeheuerliche Details über das Gebaren der Königsfamilie jenseits der Kameras beschreiben und anderswo längst zu Rücktritten geführt hätten: Verschleierungstaktiken, mit der die Royals ihr privates Vermögen verbergen, Beeinflussung von Gesetzgebung zu ihren Gunsten, sodass sie heute auf viele Einkünfte keine Einkommenssteuer und Charles auf sein Erbe keinen einzigen Penny Erbschaftssteuer zahlen müssen.

Außerdem ist es für Royals möglich, anonym an Unternehmen beteiligt zu sein. Und dann fallen noch sehr merkwürdige, unklare Verschiebungen von Staatsgeschenken auf: Kunst, Pferde und Diamanten tauchen geradezu osmotisch plötzlich in privaten Sammlungen auf. Und das sind nur die neuesten Vorwürfe. Die alten gelten ja auch noch. Schwankt da also etwas?

Im Gegenteil. Thronfolge heißt, dass Geschichte sich wiederholt: Der amtierende, aber noch ungekrönte Charles hat in den ersten Monaten seiner Regentschaft eine ganz neue Flughöhe gewonnen. Der Mann mit seiner spleenigen, humorvollen Art ist mit seinem politischen Herzensthema Umwelt plötzlich zur Speerspitze der Jugend for Future geworden.

Er wirkt als Person heutiger denn je. Und kann Charles etwa persönlich etwas dafür, dass er in diese kuriose Situation hineingeboren wurde? Und hat er nicht auch gelitten und wurde verlacht und musste 70 Jahre lang warten? Hat er es jetzt nicht also verdient?

Es passiert erneut: Die Person des Monarchen schickt sich an, die offensichtlichen Zumutungen und die strukturellen Defizite der Monarchie zu überstrahlen. Persönlichkeit schlägt Palastkritik. Charakter schlägt die Probleme des Commonwealth.

Es ist ein Abspaltungsprozess, den die Welt vom Umgang mit seiner Mutter kennt. Und es sieht so aus, als könnte er wieder funktionieren. Womöglich schaffen es die stets zur Kasse gebetenen Briten auch dieses Mal, die Person gedanklich von der Institution zu trennen.

Es ist dann möglich, die Monarchie zu verurteilen, aber zugleich die Person, die sie repräsentiert, zu mögen: in diesem Fall für ihre eigenwillige Schrulligkeit, für Humor, Leidensfähigkeit, Durchhaltevermögen, zeitgenössische Interessen – und vielleicht irgendwann sogar für eine ganz eigene Interpretation der Königsrolle.

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