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Die Arabische Liga übt sich in Geschlossenheit und nimmt Syrien wieder in die Organisation auf.

© Imago/Itar-Tass/Valery Sharifulin

Die Rehabilitation von Diktator Assad : Die „Realpolitik“ der arabischen Staaten ist für die Syrer schmerzhaft

Ruf nach Investitionen statt politischer Lösung: Die Ernüchterung unter Flüchtlingen und Exilanten ist groß. Denn auch auf dem Westen ruhen kaum Hoffnungen.

Ein Gastbeitrag von Salam Kawakibi

Von einer „Überraschung“ zu sprechen, wenn es um die Wiederaufnahme des syrischen Präsidenten Assad in den Kreis der arabischen Regime geht, ist erstaunlich. Ein dunkles Kapitel der Geschichte im Namen der sogenannten „Realpolitik“ zuzuschlagen, ist ein Vorgang, der auch in den westlichen Staatskanzleien dieser Tage sehr gängig ist.

Der Begriff Realpolitik ist schnell zur Hand und klingt banal, dabei bedeutet er im Falle Syriens die Akzeptanz von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, von Kriegsverbrechen, von systemischer Korruption und der Versklavung einer gesamten Bevölkerung.

Die Menschen in Syrien hatten nur mehr Freiheit, ein wenig Gerechtigkeit und Würde verlangt, nachdem ihnen diese ein halbes Jahrhundert lang vorenthalten worden waren. Stattdessen forderte der jordanische Außenminister Ayman Safadi bei seinem Besuch in Damaskus Anfang der Woche internationale Investitionen in Syriens Infrastruktur.

Solidarität unter den arabischen Diktatoren

Wenn man sich die Politik der arabischen Staaten anschaut, ist die Rehabilitierung Assads alles andere als eine Überraschung, sondern eher eine erwartbare Zwangsläufigkeit. Seit den Anfängen des Arabischen Frühlings, den manche lieber als den „sogenannten“ Arabischen Frühling bezeichnen, war die Solidarität unter den Diktatoren groß. Die Angst vor einer ansteckenden Epidemie, die die gesamte Region erfasst, war spürbar.

Am Montag rief der jordanische Außenminister Ayman Safardi (l.) in Damaskus zu internationalen Investitionen in Syrien auf. Jordanien hat die Rehabilitierung des Assad-Regimes maßgeblich vorangetrieben.

© AFP/LOUAI BESHARA

Einige Länder, wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien, versuchten der Welle zu entgehen, indem sie versuchten, sie zu manipulieren. Die „Unterstützung“ nahm verschiedene Formen an.

Bevorzugt wurde die militärische Einmischung. So wurde ein friedlicher Protest in eine bewaffnete Konfrontation zwischen Armee und bewaffneten Fraktionen umgewandelt – ein Segen für jene, die den Volksaufstand als Beispiel präsentieren wollten, dem man nicht folgen sollte. Diese Botschaft war an die eigenen Bevölkerungen gerichtet. Wenn die arabischen Führer Assad nun wieder in ihre Mitte aufgenommen haben, ist das daher kein Widerspruch zu ihrer ursprünglichen Politik.

Zudem ist die Arabische Liga seit ihrer Gründung im Jahr 1945 ein völlig überholter Club. Sie ist zu einem Sammelbecken für Diktaturen geworden, die aus den gescheiterten Projekten zum Aufbau von Nationalstaaten im arabischen Raum nach der Unabhängigkeit hervorgegangen sind.

Zynismus, der an Putin erinnert

Hier treffen sich Regime, die sich trotz ihrer unterschiedlichen Bezeichnungen – Königreich, Republik oder Emirat – ähneln: Sie haben nie die Demokratisierung eines Mitgliedsstaates unterstützt. Im Gegenteil, die Liga ist ein Organ, das sich vor allem durch die – immer „erfolgreichen“ – Treffen der Innenminister und der Leiter der Sicherheitsdienste auszeichnet.

Baschar al Assad (l.) in Saudi-Arabien.

© REUTERS/SANA

Der Form halber nannten die arabischen Unterhändler, die an der Rückkehr Syriens in die Liga arbeiteten, drei Schritte, die Damaskus unternehmen sollte, um ihnen die Rechtfertigung dieser Entscheidung zu erleichtern. Zunächst müsse die politische und wirtschaftliche Kontrolle des Iran über Damaskus beendet werden.

Außerdem muss Damaskus die Milizen „kontrollieren“, die Drogen produzieren und an die arabischen „Brüder“ exportieren. Schließlich soll eine sichere Rückkehr der Millionen von Flüchtlingen aus den arabischen Nachbarländern gewährleistet werden.

Mit einem Zynismus, der an Putin erinnert, „erfüllte“ Baschar al-Assad die drei Forderungen, um sich durch die Rehabilitierung international von seinen Bluttaten reinzuwaschen. Noch bevor er am 19. Mai auf Einladung der Arabischen Liga nach Riad reiste, hatte er am 3. Mai den iranischen Präsidenten empfangen.

Teheran hat wirtschaftliche Kontrolle über Syrien

Die beiden Verbündeten unterzeichneten langfristige Wirtschaftsverträge, die Teheran de facto die Kontrolle über die syrische Wirtschaft übertragen. Selbst während des Gipfeltreffens in Riad wurden weiterhin billige Drogen nach Jordanien und Saudi-Arabien geschickt.

Die Rehabilitierung Assads beendet die Hoffnung auf eine politische Lösung – und wird weitere Millionen Syrer zur Flucht zwingen.

© dpa/Swen Pförtner

Um seine arabischen Amtskollegen im Hinblick auf das Schicksal der Flüchtlinge zu beruhigen, verstärkte Assad schließlich die Grenzkontrollen: um diejenigen festzunehmen, die es wagen, zurückzukehren, oder die aus ihren Asylländern vertrieben wurden.

Diese Rückkehrer wurden zwangsmobilisiert oder ins Gefängnis gesteckt, da fast alle zu Beginn der syrischen Revolution friedliche Demonstranten gewesen sind und daher bis heute verfolgt werden. Im Jahr 2020 hatte Assad die erzwungene Flucht von Millionen von Syrern fast begrüßt – da er sie pauschal als „Terroristen“ einstufte. Damit kam er einer „Homogenisierung“ der Bevölkerung näher, wie sie in der Geschichte schon andere Regime mit Gewalt umgesetzt haben.

Sollte man sich jetzt damit begnügen, die arabischen Diktaturen anzuklagen, weil sie einen der Ihren wieder in die Arme geschlossen haben? Was ist mit den roten Linien von Barack Obama, die das Regime in Damaskus 2013 mit dem Einsatz von Giftgas weit überschritten hatte – ohne dass eine Reaktion erfolgte?

Europa hält sich zurück

Was ist mit den geheimen Besuchen von Mitgliedern des syrischen Militär- und Sicherheitskomplexes in Europa, deren Namen auf der Paria-Liste der Europäischen Union stehen? Wie beispielsweise der Besuch von General Ali Mamlouk, Chef der Nationalen Sicherheit und Assads Mann für Geheimmissionen 2018 in Rom, den die französische Zeitung „Le Monde“ aufgedeckt hatte.

Von den Mitgliedern der Europäischen Union halten nur wenige an ihrer ursprünglichen Position fest, die die Freilassung Zehntausender politischer Gefangener, eine Übergangsjustiz und eine wirkliche politische Transition fordert.

Frankreich, das immer noch eine harte Haltung in Bezug auf die Normalisierung seiner Beziehungen zu den Machthabern in Damaskus einnimmt, steht unter ständigem Druck seitens der Vereinigten Arabischen Emirate und libanesischer Geschäftsleute, die Syrien als eine wichtige Baustelle zur Vermehrung ihres Vermögens betrachten.

Die Rückkehr des syrischen Regimes auf die internationale Bühne ist also für einige „Pragmatiker“ mit finanziellen oder strategischen Gewinnen in die Region verbunden. Die großen Verlierer sind jedoch die Millionen Syrer, die im Land oder im Exil leben.

Selbst diejenigen, die teilweise unter unmenschlichen Bedingungen im Ausland leben, verlangen vor ihrer Rückkehr nach Gerechtigkeit, Sicherheit und einem politischen Übergang. Die überstürzte Reinwaschung Assads und seine Rückkehr auf die internationale Bühne wird weitere Millionen Syrer zu Flucht zwingen und die radikalen Kräfte stärken. Gelöst ist damit gar nichts.

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