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Der niederländische König Willem-Alexander und Königin Maxima legen einen Kranz nieder, nachdem sich der König offiziell für die durch die Niederlande praktizierte Sklaverei entschuldigt hat.

© AFP/REMKO DE WAAL

Historische Rede des Königs in Amsterdam: Willem-Alexander bittet für Sklaverei um Entschuldigung

Vor 150 Jahren beendeten die Niederlande in ihren Kolonien die Sklaverei. Längst nicht alle Niederländer sind damit einverstanden, dass sich der König nun für die damaligen Verbrechen entschuldigt hat.

„Als Ihr König und Teil der niederländischen Regierung stehe ich heute hier und entschuldige mich mit Herz und Seele.“ Beifall und lauter Jubel brandeten auf, als der niederländische König Willem-Alexander am 1. Juli die lange erwarteten Worte aussprach.

Beginn eines Gedenkjahrs

An diesem Tag wird in den Niederlanden jedes Jahr der Abschaffung der Sklaverei in Surinam und den niederländischen Antillen 1863 gedacht. „Keti Koti“ heißt der Gedenktag, was in der surinamischen Sprache Sranan Tongo „zerbrochene Ketten“ bedeutet.

Damals mussten die einstigen Sklaven allerdings noch zehn weitere Jahre in ausbeuterischen Verhältnissen auf den Plantagen arbeiten. Ihre Freiheit erlangten sie effektiv erst 1873, also vor 150 Jahren. Dieses runde Jubiläum begehen die Niederlande nun mit einem Gedenkjahr, das mit dem 1. Juli eröffnet wurde.

Die Sklaverei sei die „menschenunwürdigste Form der Unfreiheit“, betonte König Willem-Alexander. Er bat er um Vergebung dafür, dass seine Vorgänger im Königshaus Oranje-Nassau nichts gegen dieses „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ unternommen hätten. Seine historische Rede am Sklaverei-Mahnmal im Amsterdamer Oosterpark war lange angekündigt worden. Ob er sich entschuldigen würde, war jedoch bis zuletzt offen geblieben.

Nach der Entschuldigung durch König Willem-Alexander brannte unter den Zuschauern Beifall auf.

© REUTERS/Pool

Heutige Folgen der Sklaverei

Neben dem König waren zahlreiche Nachfahren von Sklaven anwesend, ebenso wie Premierminister Mark Rutte und Linda Nooitmeer, die Vorsitzende des Nationalen Instituts für Vergangenheit und Erbe der niederländischen Sklaverei (NiNsee). Nooitmeer hatte im Vorfeld betont, eine königliche Entschuldigung hätte großen Symbolwert. Wichtig sei aber auch, die heutigen Folgen der Sklaverei zu bedenken und die gesellschaftliche Benachteiligung der Nachfahren zu beheben. Auch der König mahnte, diese Nachwirkungen seien „durch den Rassismus in unserer Gesellschaft noch immer zu spüren“.

Die Nachwirkungen der Sklaverei sind durch den Rassismus in unserer Gesellschaft noch immer zu spüren.

König Willem-Alexander, Niederlande

Ambivalente Erinnerungskultur

Die Erinnerungskultur bezüglich Sklaverei und Kolonialismus ist in den Niederlanden nach wie vor ambivalent. Sie hat sich aber in den letzten Jahren enorm entwickelt. Die jährliche Keti-Koti-Gedenkfeier wird live im Fernsehen übertragen. Der Rotterdamer Bürgermeister Ahmed Aboutaleb will den 1. Juli zum nationalen Feiertag machen.

Zugleich mahnt etwa Ivette Forster, die 2009 das erste Keti-Koti-Festival organisierte: „Nach einer Entschuldigung kann begonnen werden, an Heilung und Wiedergutmachung zu arbeiten. Aber erst muss man anerkennen, dass überhaupt etwas stattgefunden hat.“

Am 1. Juli wird in den Niederlanden jedes Jahr der Abschaffung der Sklaverei in Surinam und den niederländischen Antillen 1863 gedacht.

© REUTERS/Pool

Was genau während der dreieinhalb Jahrhunderte der niederländischen Kolonialgeschichte geschah, ist erst in den letzten Jahrzehnten ins öffentliche Bewusstsein gedrungen.

Etwa, dass das „Goldene“ 17. Jahrhundert auf kolonialer Ausbeutung basierte. Dass die Westindische Kompanie rund eine halbe Millionen Versklavte nach Amerika verfrachtete. Und dass die niederländische Insel Curaçao den wichtigsten Sklavenmarkt der Karibik beherbergte.

Noch weniger Aufmerksamkeit gab es lange Zeit dafür, dass auch die Vereinigte Ostindien-Kompanie ihre Vormachtstellung mit einer brutalen Besatzungspolitik in Indonesien absicherte und dort ebenfalls mit Sklaven gehandelt wurde.

Frühere Entschuldigungen

Premierminister Mark Rutte sprach bereits im Dezember 2022 eine Entschuldigung im Namen der niederländischen Regierung aus. Mehrere Kabinettsmitglieder besuchten die betroffenen Teile des ehemaligen Kolonialreichs und entschuldigten sich vor Ort. Die Organisationen, die die Nachkommen der Sklaven vertreten, protestierten damals. Sie fühlten sich bei der relativ spontanen Planung übergangen.

Zahlreiche Nachfahren einstiger Sklaven nahmen an der Gedenkfeier am 1. Juli in Amsterdam teil.

© action press/MISCHA SCHOEMAKER

Entschuldigt haben sich in den vergangenen Jahren auch die vier größten Städte, Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht. Nun folgten auch die Mitgliedskirchen des niederländischen Kirchenrats, die am Vorabend des Gedenkjahrs in Amsterdam einen gemeinsamen Gottesdienst feierten.

Debatte um Zahlungen

Eine wichtige Debatte, die in den Niederlanden wie in anderen ehemaligen Kolonialstaaten stattfindet, dreht sich um die Frage der Reparationszahlungen. Die Regierung in Den Haag lehnt diese ab. Sie will aber 200 Millionen Euro in einen Fonds investieren, um das Bewusstsein über die Folgen der Sklaverei zu fördern.

Entschuldigungen auszusprechen, entspricht dabei keineswegs der niederländischen Mehrheitsmeinung. Laut einer aktuellen Umfrage sind 40 Prozent der Niederländer dafür und 46 Prozent dagegen. Die rechten Parteien lehnen Entschuldigungen ab. Bis vor wenigen Jahren hatte Premierminister Rutte dies ebenso getan – aus Sorge, diese Geste könnte „polarisieren“.

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