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Australischer Gympie-Gympie-Baum

© University of Queensland

Den Stachel umdrehen: Giftigster Baum Australiens könnte neue Schmerzmittel liefern

Der Gympie-Gympie-Baum verursacht bei Berührung unfassbar starke Schmerzen. Doch er öffnet vermutlich auch die Tür für neue Schmerzbehandlungen – und zwar ohne Nebenwirkungen. 

Neue Schmerzmittel, die eine ähnlich schmerzlindernde Wirkung wie Opiate haben, jedoch ohne die negativen Begleiterscheinungen, sind hoch begehrt. Denn so wirksam Morphium, Fentanyl & Co. sind – Atemlähmung, Juckreiz, Benommenheit und Abhängigkeit sind alles andere als schöne Begleiterscheinungen.

Neuartige Schmerzmittel sind deswegen ein Thema, an dem zahlreiche Wissenschaftler weltweit forschen, unter anderem das Team der deutschen Pharmazeutin Irina Vetter am Institut für Molekulare Biowissenschaften der University of Queensland.

Vetter untersuchte dabei die einzelnen Substanzen im Gift der hochtoxischen „australischen Brennnessel“, des sogenannten Gympie-Gympie-Baums, und stellte fest, dass diese Toxine mit den Nerven interagieren.

Härchen wie Injektionsnadeln

Die Blätter der australischen Brennnessel sind wie ihre harmloseren Verwandten mit nadelförmigen Härchen bedeckt, die Trichome genannt werden und etwa fünf Millimeter lang sind. Dieses zunächst harmlose Aussehen täuscht jedoch, denn die feinen Haare „funktionieren eher wie Injektionsnadeln, die bei Kontakt mit der Haut Giftstoffe injizieren“, erklärte die Forscherin.

Zudem ist das Gift des Baums äußerst potent. Es habe eine ähnliche Struktur wie Toxine, die von Kegelschnecken und Spinnen produziert werden, erklärte Vetter. Das Gift des Gympie-Gympie verursache dabei „Schmerzen auf eine Weise, die wir noch nie zuvor gesehen haben“.

Die australische Brennnessel – auch Dendrocnide genannt – was wörtlich so viel wie „stechender Baum“ bedeutet, kommt in Regenwäldern im nördlichen Ostaustralien vor.

Sie wächst als Busch oder im Fall von Dendrocnide excelsa als Baum, der bis zu 35 Meter hoch werden kann. Im Gegensatz zu ihren europäischen und nordamerikanischen Verwandten können die australischen Brennnesselarten jedoch Symptome hervorrufen, die Tage oder Wochen anhalten.

Schmerz fühlt sich wie Feuer an

Eine zufällige Berührung am Arm oder Bein reiche aus, um stunden- oder tagelange Schmerzen zu verursachen, schrieben Vetter und ihre Kollegen Edward Kalani Gilding und Thomas Durek in einem Artikel für das Wissenschaftsmagazin „The Conversation“. „Ein Gympie-Gympie-Stachel fühlt sich zuerst wie Feuer an“, beschrieben die Forscher den Schmerz.

Später sei es eher ein Gefühl, als ob man der betroffene Körperteil in einer zugeschlagenen Autotür verfangen habe. Selbst mehrere Tage nach einem Stich könnten „harmlose Aktivitäten wie Duschen oder Kratzen der betroffenen Haut“ erneut heftigen Schmerz entfachen.

Die australische Brennnessel – auch Dendrocnide genannt.

© University of Queensland

Viele Toxine verursachen Schmerzen, indem sie sich direkt an Natriumkanäle in sensorischen Nervenzellen binden. Bei den Toxinen in dem australischen Giftbaum benötigt das Toxin zur Bindung jedoch Unterstützung.

Das Gift des Gympie-Gympie verursache Schmerzen auf eine Weise, die wir noch nie zuvor gesehen haben.

Irina Vetter, Pharmazeutin am Institut für Molekulare Biowissenschaften der University of Queensland. 

„Es benötigt ein Partnerprotein namens TMEM233, um zu funktionieren, und in Abwesenheit von TMEM233 hat das Toxin keine Wirkung“, sagte Vetter. Dies sei ein unerwarteter Fund gewesen und etwas, das die Forscher zuvor noch nicht gesehen hätten, erklärte die Pharmazeutin.

Schmerzmittel mit langanhaltender Wirkung

Genau dies gibt dem Team nun aber Hoffnung, das Gift für die Medikamentenentwicklung zum Einsatz bringen zu können, wie es im Fachmagazin „Nature Communications“ schildert. Die Wissenschaftler hoffen, im nächsten Schritt den Schmerzmechanismus abschalten und auf diese Weise neue Schmerzmittel entwickeln zu können.

Es benötigt ein Partnerprotein namens TMEM233, um zu funktionieren, und in Abwesenheit von TMEM233 hat das Toxin keine Wirkung.

Irina Vetter, Pharmazeutin.

Letzere würden wohl auch den Vorteil haben, dass sie – anders als Opioide – nicht abhängig machen, dafür aber trotzdem eine langanhaltende Wirkung haben, wie Vetter erklärte.

Auch die Toxine der zahlreichen Gifttiere Australiens können häufig zum Wohle des Menschen eingesetzt werden. Der australische Biochemiker Bruce Livett hat beispielsweise das starke Gift der Kegelschnecken verwendet, um ein Schmerzmittel zu entwickeln, dessen Wirkung länger anhält und stärker ist als das von Morphium.

Aus Gift lässt sich auch Gegengift herstellen

Seine Anwendung bietet sich vor allem bei Krankheiten und Verletzungen an, die mit extremen Schmerzen einhergehen, wie bei der Amputation von Gliedmaßen oder dem Endstadium tödlicher Krankheiten wie Krebs oder Aids.

Aus Gift lässt sich aber natürlich auch Gegengift herstellen und auch hier gibt es eine gute neue Nachricht: So sind Forscher aus Australien und China auf dem besten Weg, ein Gegenmittel für das starke Gift des Grünen Knollenblätterpilzes zu entwickeln.

Der Pilz, der im Englischen „Death Cap“ heißt, lässt sich leicht mit essbaren Pilzen verwechseln und schmeckt beim Verzehr wohl auch recht gut. Doch wer den Pilz zu sich nimmt, hat wenig Chancen zu überleben: Der Pilz ist weltweit für über 90 Prozent der Todesfälle nach Pilzvergiftungen verantwortlich.

Da es den Wissenschaftlern nun aber gelungen ist, die molekulare Struktur des Pilzes zu entschlüsseln, wie sie im Fachblatt „Nature Communications“ schreiben, könnte dies die Tür für ein Gegenmittel öffnen.

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