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Eine US-Flagge hängt am Pentagon in Washington-

© picture alliance / Jacquelyn Martin/AP/dpa

Update

„Albtraum“ oder Verwirrungstaktik?: Was in den geleakten US-Geheimdienstdokumenten steht

US-Geheimdienstinformationen tauchen plötzlich im Netz auf. Wie sie dort hingelangt sind, ist unklar. Was aber steht darin und wie sensibel sind die Informationen?

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Mehr als 100 neue Dokumente, die Details über die nationalen Sicherheitsgeheimnisse der USA zur Lage in der Ukraine, den Nahen Osten und China enthalten, sind laut einem US-Medienbericht am Freitag auf Social-Media-Seiten aufgetaucht und alarmierten das Pentagon.

Wie die „New York Times“ schreibt, könnte das Ausmaß des Lecks sowie die Sensibilität der Dokumente nach Ansicht von US-Beamten enormen Schaden anrichten. Ein hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter habe das Leck als „Albtraum für die Five Eyes“ bezeichnet, womit er sich auf die Geheimdienste der USA, Großbritanniens, Australiens, Neuseelands und Kanadas bezog. Würde Russland nun herausfinden, wie diese ihre Informationen erhalten und welche Satellitenbilder etwa genutzt werden, könnte das direkte Auswirkungen auf dem Schlachtfeld haben.

Zusätzlich könnte das Leak die diplomatische Beziehungen der USA schwächen. Ein hoher westlicher Geheimdienstmitarbeiter erklärte gegenüber der „New York Times“, dass der Vorfall Zweifel am Vertrauen in die USA hervorrufe und der Austausch zwischen westlichen Geheimdiensten insgesamt geschwächt werden könnte.

Auch innerhalb der NATO sorgt das Leak für Unruhe. Die „Washington Post“, der die geleakten Dokumente ebenfalls vorliegen, berichtet von Plänen der russischen Söldnergruppe Wagner, Waffen eines Nato-Verbündeten zu kaufen.

Demnach soll es Anfang Februar zu einem Treffen zwischen Wagner-Mitarbeitern und türkischen Einzelpersonen gekommen seien, bei dem mögliche Waffenlieferungen für die Kämpfe in der Ukraine sowie für den Auslandseinsatz in Mali diskutiert wurden.

Ob die türkische Regierung über derlei Gespräche informiert war und ob die Lieferungen tatsächlich erfolgt sind, geht aus dem Bericht nicht hervor. Der malische Interimpräsident Assimi Goita habe damals allerdings die Möglichkeit eines Austauschs bestätigt.

Aus den Dokumenten geht außerdem hervor, wie abhängig Russland im Ukraine-Krieg mittlerweile von den Wagner-Söldnern ist.

US-Geheimdienste kennen russische Pläne bis ins Detail

Insgesamt offenbaren die Dokumente, dass die US-Geheimdienste nahezu das gesamte russische Militärsystem durchdrungen haben und exakte Daten über geplante Angriffe an die Ukraine weitergeben können. Auch Pläne des russischen Geheimdienstes GSU sind den USA offenbar bekannt. Einem der Dokumente zufolge soll der Kreml demnach in Afrika eine groß angelegte Diskreditierungskampagne gegen Frankreich und die USA führen.

Sensible Daten zum Krieg in der Ukraine

Wie das amerikanische Magazin „Vice“ berichtet, seien einige Dokumente zuvor auf „4chan“, einem anonymen Nachrichtenkanal, und davor in einer Gaming-Diskussionsgruppe aufgetaucht.

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Bei den „4chan“-Dokumenten handele es sich um eine Karte, die angeblich den Stand des Krieges in der ostukrainischen Stadt Bachmut zeigt, berichtet die „New York Times“.

Die Dokumente über das ukrainische Militär zeigten Fotos von Diagrammen über voraussichtliche Waffenlieferungen, Truppen- und Bataillonsstärken und andere Pläne. Pentagon-Beamte hätten laut Bericht eingeräumt, dass es sich um echte Dokumente des Verteidigungsministeriums handele. Die Kopien schienen jedoch an bestimmten Stellen gegenüber ihrem ursprünglichen Format verändert worden zu sein.

Eines der auf 4chan veröffentlichten Dokumente.
Eines der auf 4chan veröffentlichten Dokumente.

© Dokument 4chan

In den geänderten Versionen werden beispielsweise die amerikanischen Schätzungen der ukrainischen Kriegstoten zu hoch und die Schätzungen der getöteten russischen Truppen zu niedrig angesetzt.

Desinformationskampagne?

Laut „New York Times“ hätten ukrainische Beamte und kriegsbefürwortende russische Blogger die undichte Stelle als Teil einer Desinformationskampagne beschrieben, die darauf abziele, die mögliche Frühjahrsoffensive der Ukraine zur Rückgewinnung von Gebieten im Osten und Süden des Landes zu beeinflussen.

Russische Militärblogger warnten davor, „den Informationen zu vertrauen, die von „westlichen Geheimdiensten stammen könnten, um unsere Führung in die Irre zu führen“. Auch der US-Think-Tank „Institute for the Study of War“ erwähnt die russischen Kriegsbeobachter in einem aktuellen Briefing.

Ein hochrangiger ukrainischer Beamter wiederum erklärt, es handele sich offenbar um einen russischen Trick, um eine Gegenoffensive zu diskreditieren.

Pentagon reagiert alarmiert

US-Sicherheitsbeamte bemühten sich derweil offenbar, den Schuldigen zu finden. Mick Mulroy, ein ehemaliger hochrangiger Pentagon-Beamter äußerte sich zutiefst besorgt zu den Vorkommnissen. „Da es sich bei vielen dieser Dokumente um Bilder handelte, scheint es sich um ein absichtliches Leck zu handeln, das von jemandem verursacht wurde, der die Bemühungen der Ukraine, der USA und der NATO schädigen wollte“, sagte er.

Laut „New York Times“ erhielten Beamte mit Sicherheitsfreigabe Dokumente dieser Art oft in täglichen E-Mails, die dann auf schnellem Wege weitergeleitet werden können. Auch deshalb dürfte das Auffinden der verursachenden Person nicht leicht werden: Regierungskreisen zufolge haben Hunderte, wenn nicht Tausende Beamte den Zugang zu derlei E-Mails.

Das Justizministerium habe derweil mitgeteilt, es habe eine Untersuchung zu den undichten Stellen eingeleitet und stehe in Kontakt mit dem Verteidigungsministerium. In den letzten Tagen sei zudem der breite Zugang zu ähnlichen „sensiblen Informationen“ heruntergefahren worden, so das Verteidigungsministerium. Experten deuten diesen Vorgang in der „Washington Post“ als Ausdruck ungewöhnlicher Panik im Pentagon-Stab.

„Wir befinden uns in einem Informationskrieg“

In der Ukraine nahm Oberstleutnant Yurii Bereza, ein Bataillonskommandeur der ukrainischen Nationalgarde, dessen Truppen in den letzten Monaten im Osten des Landes gekämpft hatten, die Nachricht von der undichten Stelle offenabr gelassen hin.

So habe er betont, dass der Informationskrieg so intensiv geworden sei, dass „wir nicht mehr feststellen können, wo die Wahrheit und wo die Lüge ist“. „Wir befinden uns in einer Phase des Krieges, in der der Informationskrieg manchmal sogar wichtiger ist als die direkten physischen Auseinandersetzungen an der Front“, zitierte die „New York Times“ den Oberst. (Mit Agenturmaterial)

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