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Moderator Louis Klamroth (3.v.r.) mit seinen Gästen.

© IMAGO/Horst Galuschka

„Hart aber fair“ zu Rammstein: Musikmanager verteidigt Till Lindemann – und redet sich fast um Kopf und Kragen

Eine „Row Zero“ habe es schon bei Heino gegeben, sagt Thomas Stein. Er meint, in Till Lindemanns Alter seien sexuelle Handlungen während einer Bühnenshow nicht zu leisten.

Von Barbara Nolte

Man hatte gedacht, dass es unmöglich für die Redaktion von „Hart aber fair“ sein würde, einen Studiogast zu finden, der Partei für Till Lindemann ergreifen würde, wo es nicht einmal mehr dessen Bandmitglieder tun. Doch der Musikmanager Thomas Stein überrascht damit gleich zu Beginn der Sendung. Eine sogenannte „Row Zero“, von der jetzt immer die Rede sei, habe es bereits auf Konzerten von Gotthilf Fischer und Heino gegeben.

Die Gerüchte, dass Till Lindemann sich in Konzertpausen unter der Bühne von jungen Besucherinnen befriedigen ließ, hält er für haltlos. Er sei bei Rammstein-Konzerten gewesen. Lindemann verausgabe sich bei der Show völlig. „Wie er mit seinen 60 Jahren über die Bühne rennt! Und dann soll er plötzlich runtergehen und jemanden beglücken?“ Rein kräftemäßig, argumentiert Stein, sei das gar nicht zu leisten.

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Die Schilderungen von jungen Frauen, die angaben, von Lindemann sexuell bedrängt worden zu sein, zweifelt er immerhin nicht an. „Das sind zwölf Leute, lass es hundert sein“, sagt Stein. Insgesamt seien 300.000 Konzertbesucher da. „Man muss das in Relation sehen!“

Wir können Männer nicht schreddern wie männliche Küken. Wir müssen mit ihnen umgehen. 

Autor Tobias Haberl

Dass sich Thomas Stein nicht noch weiter um Kopf und Kragen redet, liegt daran, dass das Thema wechselt. Der Fall Lindemann ist nur der Einstieg der „Hart aber fair“-Sendung vom Montagabend. Der Titel „Männer, seid Ihr wirklich noch nicht weiter?“ verspricht eine Debatte über den Stand des Geschlechterverhältnisses in Deutschland 2023. Dass die Runde im Studio paritätisch besetzt ist, wenn man den Moderator Louis Klamroth mitzählt, versteht sich bei dem Thema von selbst.

Mit einer gewissen Rauflust ist der Journalist Tobias Haberl von der „Süddeutschen Zeitung“ ins Studio gekommen. Er hat ein Buch über Männerrollen in feministischen Zeiten geschrieben. Es dürfe nicht wieder zu „einer pauschalen Männerdiffamierung“ kommen, sagt Haberl, wie sie nach MeToo verbreitet gewesen sei, wo es hieß „alter weißer Mann, toxische Männlichkeit“.

Haberl hat, so der erste Eindruck, die Rolle, Männer zu verteidigen. Das tut er, auch wenn es ihm nicht immer leicht fiel. Männer seien nun mal da, auch wenn sich manche problematisch verhielten. „Wir müssen mit ihnen umgehen. Wir können Männer nicht schreddern wie männliche Küken“, sagt er.

Da hatte der Moderator Louis Klamroth bereits vom Thema Lindemann zu sexuellen Belästigungen im Allgemeinen übergeleitet. Die CDU-Kommunalpolitikerin Lisa Schäfer, die bekannt geworden ist, weil sie als junge Frau gegen die Frauenquote ist, mischt sich ein.

Sie fühle sich in sozialen Brennpunkten unwohl, weil dort Männer ihr in Sprachen, die sie nicht verstehe, etwas hinterherriefen. Die Publizistin Stefanie Lohaus, die das feministische „Missy Magazine“ mitgegründet hat, entgegnet belustigt, sie fühle sich dagegen auf dem Oktoberfest unwohl.

Das straffe Programm, das die Redaktion festgelegt hat, erlaubt nur selten einen kurzen Schlagabtausch wie diesen. Schon geht es weiter mit Sexismus in der Politik früher und heute, wozu die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth eingeladen ist.

Es folgen noch die Themenkomplexe Dickpics, Frauenquote, Gender Pay Gap, ungleiche Aufteilung der Hausarbeit. Die Debatten der vergangenen 30 Jahre komprimiert in 75 Minuten. Da bleibt für die Gäste wenig Spielraum, um originelle Gedanken zu entwickeln oder aus den ihnen zugedachten Rollen auszubrechen.

Zum Problem der Benachteiligung von Frauen am Arbeitsplatz sagte der Männerbuch-Autor Tobias Haberl, dass er trotzdem „kein großer Freund“ der Quote sei, weil sie im Zweifelsfall eine „Millionärstochter in einer Villa am Starnberger See“ begünstige, und der „vierfache migrantische Familienvater“, der sich alles selber erarbeiten musste, gehe „leer“ aus.

Der Musikproduzent Thomas Stein ergänzt, dass er „vier sensationelle Geschäftsführerinnen“ unter sich hatte. Wichtig sei aber, dass Frauen wie Männer den gleichen Leistungswillen hätten. Die Quotengegnerin Lisa Schäfer sagt, dass Frauen, die nur aus Quotengründen an ihre Positionen gekommen seien, nicht ernst genommen würden.

Die Runde in Klamroths Studio scheint in ihren Ansichten zur Gleichstellung der Geschlechter weniger weit zu sein als die Menschen draußen im Land. Nur die „Missy Magazine“-Gründerin Stefanie Lohaus machte sich für Frauen stark, sehr schlagfertig, ein Repertoire an Studien zitierend, die die Benachteiligung belegen.

Dass der Moderator Louis Klamroth auch eher auf der feministischen Seite steht, kann man vermuten, wenn man weiß, dass er der Freund der Klima-Aktivistin Luisa Neubauer ist. Ein wenig glaubte man es bei manchen Nachfragen eine leise Ironie herauszuhören. Letztlich blieb Klamroth auch in seiner letzten Sendung vor der Sommerpause bei seiner freundlich-zurückgenommenen Art. Sie ist ihm in seinem ersten halben Jahr bei „Hart aber fair“ zum Markenzeichen geworden.

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