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Östrogene zur Linderung von Beschwerden während der Menopause sind heute nicht nur als Tabletten, sondern auch als Gele, Sprays oder Pflaster erhältlich.

© Getty Images/SVPhilon

Hilfe für Frauen in der Menopause: Darum ist die Hormontherapie besser als ihr Ruf

Kaum eine Frau mit Wechseljahres-Beschwerden greift auf Hormone zurück, auch aus Angst vor möglichen Risiken. Dabei wird die Behandlung heute von vielen Ärzten empfohlen.

Von Alice Lanzke, dpa

Hitzewallungen, Depressionen, Knochenschwund: Die Wechseljahre können mit einer Vielzahl belastender Symptome einhergehen. Aus Angst vor Brustkrebs und anderen Risiken scheuen sich viele Frauen allerdings, Hormone dagegen einzunehmen – was Experten zufolge auch auf veralteten Vorstellungen von der Therapie beruhen kann. Für viele Mediziner ist die Hormonersatzbehandlung heute wieder das Mittel der Wahl, wenn keine speziellen Risikofaktoren dagegensprechen.

Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) fühlt sich etwa jede dritte Frau in den Wechseljahren belastenden Begleiterscheinungen ausgesetzt. Ein weiteres Drittel habe Phasen mit leichten Beschwerden. Der Deutschen Menopause Gesellschaft zufolge können die Symptome wie Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Schlafprobleme, Blasenschwäche und Scheidentrockenheit bis zu zehn Jahre vor der letzten Regelblutung auftreten und mehr als ein Jahrzehnt andauern.

Östrogene verursachen keinen Krebs, sonst hätte jede Frau mit 50 Brustkrebs.

Peyman Hadji, Gynäkologe

Wie belastend sich dies nicht nur auf den Alltag, sondern auch auf die Berufstätigkeit auswirken kann, zeigten bereits mehrere Studien aus Großbritannien sowie den USA. So ergab eine im April veröffentlichte Befragung der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, unter 4400 berufstätigen Frauen, dass 13 Prozent von ihnen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz erlebten und etwa elf Prozent berichteten, aufgrund der Symptome einen oder mehr Tage ausgefallen zu sein.

„Die Komplexität der Erfahrungen von Frauen in den Wechseljahren wird noch dadurch verstärkt, dass das Thema tabuisiert wird, insbesondere am Arbeitsplatz, was die psychische Belastung durch die Symptome möglicherweise noch erhöht“, merkte Hauptautorin Ekta Kapoor in einer Mitteilung zu der in „Science“ veröffentlichten Studie an.

Kaum eine Frau nimmt noch Hormone gegen ihre Beschwerden ein

Dabei ließen sich viele der Beschwerden mithilfe von Hormonpräparaten effektiv lindern. Denn mit dem Ende der fruchtbaren Phase im Leben einer Frau verringert sich die Produktion der weiblichen Geschlechtshormone. Dem kann man unter anderem mit einer Monotherapie (nur aus Östrogen bestehend und nur nach Gebärmutterentfernung indiziert) oder mit einer Kombinationstherapie (Gestagen und Östrogen) begegnen.

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Prozent der erwerbstätigen Frauen zwischen 45 und 65 Jahren nahmen laut einem Report der TK im Jahr 2022 Hormonpräparate gegen Beschwerden in den Wechseljahren ein.

Vor allem die Ergebnisse einer Studie der Women’s Health Initiative (WHI) 2002 sorgten jedoch lange Zeit für Bedenken: Die Studie hatte einen Zusammenhang zwischen Hormonersatztherapien und einem erhöhten Brustkrebsrisiko nahegelegt, was sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Patientinnen abschreckte. Ein Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse aus 2022 belegt, dass hierzulande nur noch etwa sechs Prozent der erwerbstätigen Frauen zwischen 45 und 65 Jahren Hormonpräparate gegen Beschwerden in den Wechseljahren einnehmen – im Jahr 2000 waren es noch 37 Prozent.

Zudem veränderte die Veröffentlichung den Fokus der Wissenschaft: Nach 2002 beschäftigten sich die meisten Forschungsarbeiten mit den möglichen Risiken von Hormontherapien und kamen dabei zu teils widersprüchlichen Ergebnissen.

Gele, Sprays und Pflaster statt Tabletten

„Direkt nach der WHI-Studie war die Situation katastrophal“, erinnert sich Peyman Hadji, Leiter des Hormon- und Osteoporosezentrums Frankfurt. Mittlerweile habe sich der Blick auf Hormontherapien allerdings wieder verändert. „Heute sind die Frauen viel besser aufgeklärt“, sagt Hadji, der auch Vorstandsmitglied der Deutschen Menopause Gesellschaft ist.

Nichtsdestotrotz gebe es berechtigte Ängste zum Zusammenhang zwischen Hormontherapie und Brustkrebs: „Allerdings verursachen Östrogene keinen Krebs, sonst hätte jede Frau mit 50 Brustkrebs“, sagt Hadji. „Vielmehr können die Hormone das Tumorwachstum beschleunigen, was das leicht erhöhte Risiko, das in den entsprechenden Studien beschrieben wird, erklärt.“

Die Hormonpräparate von heute sind mit denen von vor 20 Jahren nicht vergleichbar.

Peyman Hadji, Gynäkologe

Tatsächlich wurden die Sorgen noch einmal neu angefacht, als eine Meta-Analyse der University of Oxford 2019 erneut auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko hinwies. Diese Arbeit habe allerdings nicht nur qualitative Mängel, sondern auch Fortschritte der Hormontherapie komplett ignoriert, kritisiert Hadji: „Die Hormonpräparate von heute sind mit denen von vor 20 Jahren nicht vergleichbar.“

Damals habe es vor allem ein hoch dosiertes Präparat für alle Patientinnen gegeben, das auf Stutenurin basierte, mit einem Gemisch aus Östrogenen und einem ungünstigen Gelbkörperhormon. „Mittlerweile werden ganz andere, natürliche Östrogene verwendet und das auch in einer wesentlich niedrigeren Dosierung, die es nicht nur in der früher üblichen Tablettenform gibt, sondern zum Beispiel auch als Gele, Sprays oder Pflaster“, so Hadji. Die Anwendungen über die Haut hätten den Vorteil, dass sie viel individueller verschrieben werden könnten und kein Thrombose-Risiko entfalteten.

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Erst kürzlich hatte eine im Fachblatt „Hypertension“ veröffentlichte große Studie zudem nahegelegt, dass als Pillen eingenommene Hormone mit einem größeren Risiko für Bluthochdruck verbunden sind als andere Darreichungsformen. Das geringste Risiko dafür gehe von nicht-oralen Präparaten mit Östriol aus. Diese gibt es zum Beispiel in Form von Scheidenzäpfchen, die eine wesentlich geringere Wirkung hätten. Sie hätten auch keinen Einfluss auf das Brustkrebsrisiko, so Experte Hadji.

Studien legen viele Vorteile der Hormontherapie nahe

Mit den neuen Therapieformen scheint sich auch die Wissenschaft wieder mehr auf die Vorteile der Hormontherapie und eine klarere Einordnung möglicher Risiken zu fokussieren. So ergab eine Arbeit chinesischer Wissenschaftler vor Kurzem, dass eine Hormontherapie dazu beitragen könnte, das Lungenkrebs-Risiko zu senken.

Eine Hormontherapie kann schützende Effekte für das Herz-Kreislauf-System haben.

Peyman Hadji, Gynäkologe

Eine andere Studie aus den USA geht im Fachblatt „Jama Neurology“ auf das im Vergleich zu Männern bei Frauen erhöhte Alzheimer-Demenz-Risiko ein: Dieses sei bei ihnen noch einmal ausgeprägter, wenn sie bei Eintreten der Menopause jünger seien. Werde in einem solchen Fall zeitig eine Hormontherapie begonnen, zeige sich dieser Risikoanstieg nicht.

Auch Experte Hadji unterstreicht die Wichtigkeit des Timings: „Eine Hormontherapie kann schützende Effekte für das Herz-Kreislauf-System haben, das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 um bis zu 30 Prozent senken und einer Arthrose vorbeugen – aber nur dann, wenn möglichst früh damit begonnen wird.“ Vorteilhaft sei ein zeitiger Beginn auch für die Prävention und Behandlung von Osteoporose.

Der differenziertere Blick auf Vor- und Nachteile der Hormontherapie drückt sich auch in einer neuen Übersichtsarbeit unter Leitung kanadischer Medizinerinnen aus, die für einen „pragmatischen Ansatz für die Behandlung der Menopause“ plädieren. Sie empfehlen im „Canadian Medical Association Journal“ eine Hormontherapie bei entsprechendem Leidensdruck als Erstbehandlung bei Frauen ohne Risikofaktoren.

Die Identifikation solcher Risikofaktoren ist laut Hadji auch zentral, wenn es um ein mögliches Schlaganfallrisiko geht. „Einer adipösen, rauchenden Patientin, die älter als 65 Jahre ist, sollte man keine Hormone empfehlen.“ Ebenso verbiete sich eine Hormontherapie unter anderem bei Frauen mit Brustkrebsvorstufen, da diese meist hormonsensibel seien.

Zumindest zur Behandlung der sogenannten vasomotorischen Beschwerden, also der Hitzewallungen und Schweißausbrüche, könnte es allerdings bald auch eine nicht-hormonelle Alternative geben: Anfang Mai wurde in den USA Fezolinetant von der dortigen Arzneimittelbehörde zugelassen, ein Wirkstoff, der bestimmte Neurotransmitter im Gehirn blockiert. In einem „Nature“-Kommentar wird die Zulassung als Zeichen dafür gewertet, dass die Erforschung der Ursachen und Auswirkungen von Wechseljahresbeschwerden endlich ernst genommen werde.

Auch die BZgA sieht in Hormonen kein Patentrezept, das für jede Frau in den Wechseljahren passe. Sie verweist neben der Hormontherapie auch auf andere Methoden wie mehr Bewegung oder mehr Erholung und Entspannung, Gleitmittel oder spezielle Pflegecremes und auch auf Beratungen in Frauengesundheitszentren.

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