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Klaus Holetschek (CSU), Gesundheitsminister in Bayern, teilte Maßnahmen mit, wie dem Mangel an Antibiotikasäften begegnet werden soll.

© picture alliance/dpa/Tobias Hase

Fehlende Antibiotikasäfte für Kinder: In Bayern dürfen nicht zugelassene Medikamente eingeführt werden  

Weil ein eklatanter Mangel an Antibiotikasäften herrscht, erteilt der Freistaat Sondergenehmigungen. Zudem schafft Minister Holetschek Anreize für Apotheker, selbst zu produzieren.

Der Mangel an Antibiotikasäften in Deutschland hat nach Angaben von Kinderärzten zu einer „prekären Situation“ geführt. Bayern ergreift nun Maßnahmen. Der Freistaat erlaubt vorübergehend die Einfuhr in Deutschland nicht zugelassener „geeigneter Arzneimittel“, wie Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) mitteilte. „Wir in Bayern lassen nichts unversucht, um die Lage zu verbessern.“

Möglich wird dieser Schritt, weil das Bundesgesundheitsministerium am Dienstag einen Versorgungsmangel bei antibiotikahaltigen Säften für Kinder im Bundesanzeiger bekannt gemacht hatte. Das ermöglicht Landesbehörden, flexibler zu reagieren. Dieser Mechanismus kann in Kraft gesetzt werden, weil beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Art Frühwarnsystem eingerichtet ist. Daher ist es Holetscheks zufolge nun möglich, im Einzelfall vorübergehend von Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) abzuweichen.

Die Situation sei sehr besorgniserregend, hatte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) vor dem Wochenende mitgeteilt. „Das heißt, dass die Kinder, die tatsächlich ein Antibiotikum brauchen, teilweise gar keins bekommen“, sagte BVKJ-Sprecher Jakob Maske der Agentur dpa. Ländliche und städtische Gebiete seien von dem Mangel gleichermaßen betroffen, so der Berliner Kinderarzt.

Die Situation für die Eltern ist prekär, für die Kinder sowieso.

Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) 

Bei Lungenentzündungen oder anderen schweren bakteriellen Infektionen, die potenziell lebensbedrohlich sind, bekommen auch Kinder Antibiotika. Täglich seien viele Kinder, etwa mit einer Lungenentzündung, einer schweren Ohrenentzündung oder einer Streptokokken-Infektion, auf Antibiotika angewiesen. „Die Betroffenheit ist riesig.“ In seiner Praxis in Berlin-Schöneberg bekämen täglich – bei etwa 100 bis 150 Patienten – rund 30 Kinder Antibiotika verordnet, sagte Maske.

„Die Situation für die Eltern ist prekär, für die Kinder sowieso“, sagte Maske. Selbst Kinder, die „wirklich dringend“ ein Antibiotikum bräuchten, bekämen keins. „Da kann man sich schon vorstellen, dass das für die Gesundheit nicht so gut ist und auch das Leben in Gefahr ist.“ 

Gesundheitsminister Holetschek sagte nun, Bayern leite umgehend zwei Maßnahmen ein, die den Mangel lindern sollen. „Zum einen sollen die Regierungen mit einer neuen Allgemeinverfügung befristet die Einfuhr von Arzneimitteln gestatten, die bei uns eigentlich nicht zugelassen oder registriert sind.“ So könnten Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln.

Zum anderen habe er sich mit einem Schreiben an die Krankenkassen gewandt und gebeten, dass diese Apothekern die Herstellung von Antibiotika erleichtern, so Holetschek. „Darin bitte ich die Krankenkassen, vorerst keine Zuschläge sowie Erstattungen zu verweigern und in der Folge keine bereits geflossenen Vergütungen zurückzufordern, wenn Apotheker einen verschriebenen, aber nicht verfügbaren antibiotischen Saft durch ein selbst hergestelltes Arzneimittel ersetzen“, sagte der CSU-Politiker.

Sei das Fertigmedikament nicht verfügbar, solle die Abgabe eines in der Apotheke hergestellten Antibiotikasafts auch ohne erneutes Ausstellen eines Rezeptes möglich sein.

Apothekern soll Herstellung von Antibiotika erleichtert werden

Holetschek erklärte: „Wir hatten ein ähnliches Vorgehen mit den Krankenkassen schon rund um die Weihnachtstage verabredet und konnten damals die Versorgung mit knappen Fiebersäften wieder verbessern. Das war auch ein Erfolg unserer bayerischen Pharma-Taskforce, die wir kurz zuvor eingerichtet hatten.“

Der Minister betonte: „Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um die Versorgung mit unentbehrlichen Arzneimitteln kurzfristig und unbürokratisch zu stabilisieren. Dafür ziehen hier in Bayern alle Akteure an einem Strang. Ich baue auf die Mithilfe der Krankenkassen, wie sie es schon im Rahmen der Taskforce Arzneimittelversorgung praktiziert haben, und stehe auch im engen Austausch mit der bayerischen Apothekerschaft.“

Holetschek appellierte an die Bundesregierung, auch langfristig mehr für den Pharmastandort Deutschland zu tun: „Der bisherige Kurs schadet dem Arzneimittelstandort Deutschland nachhaltig. Innerhalb weniger Monate stehen wir nun das zweite Mal vor einem großen Engpass. Das darf nicht sein. Die Bundesregierung muss die immensen Herausforderungen endlich angehen. Zu viel Bürokratie, zu komplizierte Vergabeverfahren und ein zu großer Preisdruck machen Deutschland für die Arzneimittelproduktion seit Jahren immer unattraktiver.“ (lem)

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