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Der Hamburger Elbstrand bei Övelgönne aus der Vogelperspektive.

© Hamburg Tourismus/Andreas Vallbracht

Familienausflug nach Hamburg: Zwischen Elbstrand und Eiskönigin

Ein Wochenende in Hamburg mit Berliner Großstadtkindern? Das kann nur schiefgehen, dachte unsere Autorin. Doch dann packt die ganze Familie das Gefühl von Freiheit und Bewegung.

Von Kirsten Riesselmann

Ein Wochenendausflug von der größten in die zweitgrößte Stadt des Landes? Und das nicht auf den Spuren der eigenen paar Studienjahre dort, nicht bei alten Freunden, nicht auf Nostalgie-Trip. Nein, so richtig: Hamburg als Touri-Familien-Trip für zweieinhalb Tage? „Ohne uns!“, rufen die Kinder empört, „wenn schon nicht Berlin, dann wollen wir aufs Land oder richtig ans Meer!“

Ich murmele, selbst skeptisch, etwas von Hafenrundfahrt und Musicalbesuch, der Mann verzieht das Gesicht, aber eines freitags steigen wir nach Schulschluss in den ICE und keine zwei Stunden später am Hamburger Hauptbahnhof wieder aus. Wir probieren’s: Was bietet ein schlicht touristisch aufgezogenes Hansestadt-Weekend einer urban eher überreizten Berliner Innenstadtfamilie?

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Die Kinder wollen sofort wieder kehrtmachen: Obwohl sie vom Görli doch einiges gewohnt sind, ist ihnen die Szene am Hauptbahnhof mehr als unheimlich. In der U-Bahn jedoch wendet sich das Blatt.

Speicherstadt und Hafencity

Denn die ist leerer und sauberer als die U1, hat gepolsterte Sitze und scheint auch noch schneller zu fahren: Nach wenigen Minuten sind wir an unserem Hotel am Rand der Speicherstadt, mit Blick aufs Wasser und eine ungewohnt neugotische Backsteinfront mit spitzen Giebeln und Seilwindenauslegern. Wir bringen das Gepäck aufs Zimmer und brechen zu Fuß auf.

Auf dem Erkundungsprogramm stehen für den Nachmittag Speicherstadt und Hafencity. Wenige Schritte bringen uns zum Café Schmidtchen an der Poggenmühlenbrücke. Hier gibt es leckeren Kaffee, Limonade, eine köstliche Apfel-Rosmarin-Tarte und das „Leichte Mädchen“ mit Himbeer-Rote-Bete-Creme.

Auf der Brücke öffnet sich ein Bilderbuchblick auf eines der meistfotografierten Gebäude der Speicherstadt: das alte Windenwärterhaus, idyllisch im Zusammenfluss zweier Fleete gelegen. Die Kinder kreischen, denn sie kennen das Gebäude, heute Teeladen und Restaurant, schon aus der Serie „Die Pfefferkörner“.

Fotogen an jeder Ecke: die Speicherstadt mit dem alten Windenwärterhaus.
Fotogen an jeder Ecke: die Speicherstadt mit dem alten Windenwärterhaus.

© Julia Schwendner

Fasziniert lesen sie die Namen der Fleete – um die vorletzte Jahrhundertwende künstlich angelegten Hafenarme –, und wir alle werden von hanseatischem Exotismus angeweht: „Wandrahmsfleet“, „Holländischbrookfleet“, „Brooktorkai“. Auf der Brücke öffnen die Kinder die Arme, als stünden sie am Bug der Titanic, und wir Eltern haben kurz das Gefühl, einer preußischen Kadettenanstalt entflohen zu sein.

Im Lohsepark, um den herum die Hafencity entsteht, erproben die Kinder die Riesenschaukeln. Durch die gesichtslose Megalomanie der Hafencity und vorbei an den feierabendlich belebten, aber auch mit ihrer Frühe-2000er-Ästhetik kämpfenden Marco-Polo-Terrassen geht es zur Elbphilharmonie.

In der Elbphilharmonie geht es 80 Meter durch einen milchweißen Rolltreppentunnel.
In der Elbphilharmonie geht es 80 Meter durch einen milchweißen Rolltreppentunnel.

© Götz Haubold

Mit einem günstigen Plaza-Ticket kann man auch ohne schwer zu ergatternde Konzertkarten in das spektakuläre Gebäude hinein, das seit seiner Eröffnung 2017 Hamburgs bekannteste Kirche, den „Michel“, als Wahrzeichen der Stadt abgelöst hat. Allein die 80 Meter durch einen milchweißen Rolltreppentunnel, der in einem pechschwarzen Kubus mit Panoramafenster zum Hafen endet, lohnen den Besuch.

Ein bisschen wie auf hoher See

Von der Plaza gehen Konzertsäle, Souvenirshop und Bar ab, vor allem kann von hier der Rundum-Umlauf in 37 Metern Höhe betreten werden. Wind, Hafenblick, das monströse Hupen ablegender Kreuzfahrt-Giganten und im Rücken diese gleichzeitig verspielte, einladende und dezente Architektur mit ihren schräg stehenden Säulen, wassergleich gewellten Fensterfronten und dem Klinkerboden. Die Kinder rennen sich satt. Wir fühlen uns wohl, ein bisschen wie auf hoher See, umspült von Touristen, Kulturversprechen und maritimer Weite.

Spektakulärer Blick aus einem spektakulären Gebäude: Mit dem Plaza-Ticket kommt man günstig in die Elbphilharmonie.
Spektakulärer Blick aus einem spektakulären Gebäude: Mit dem Plaza-Ticket kommt man günstig in die Elbphilharmonie.

© Götz Haubold

Wieder unten halten wir es einfach, essen Fischbrötchen an den St.-Pauli-Landungsbrücken. Mit Blick auf den Dreimaster Rickmer Rickmers und die Cap San Diego schmecken sie viel besser als sie es ohne MSC-Zertifizierung dürften.

Ballinstadt – ein Museum zur Auswanderung

Am Samstag machen wir uns per S-Bahn auf den Weg zur Ballinstadt. Hier steht auf dem Gelände des ehemaligen Auswandererzentrums seit 16 Jahren ein Museum, das sich mit Migration früher und heute beschäftigt. In der Zeit zwischen 1850 und 1938 haben 5,6 Millionen Menschen Europa über Hamburg Richtung USA verlassen. Im Durchschnitt warteten sie drei bis fünf Tage, bis sie eine Passage bekamen.

Das Auswanderermuseum Ballinstadt informiert in drei Hallen über die Geschichte der Migration.
Das Auswanderermuseum Ballinstadt informiert in drei Hallen über die Geschichte der Migration.

© BallinStadt

Tagtäglich wurden hier in 30 Hallen Tausende Menschen untergebracht, koscher oder christlich bekocht, unterhalten, religiös und medizinisch versorgt. Drei dieser Hallen sind wieder aufgebaut worden und beheimaten jetzt das Museum.

Interessant ist das für jedes Alter. Wir Erwachsenen lassen uns von der dichten Materialfülle an den Wänden, in Vitrinen und Rauminstallationen erschlagen. Die Große hat schnell das Multimedia-Spiel „Simmigrant“ entdeckt. An interaktiven Stationen schlüpft sie in die Haut einer jungen Frau aus einer verarmten Familie im Mecklenburgischen, die vor über 100 Jahren ihr Glück in Amerika sucht.

Kindgerecht: Museumsführung mit Ratte Jette, hier zu finden im Fuß eines alten Schreibtisches.
Kindgerecht: Museumsführung mit Ratte Jette, hier zu finden im Fuß eines alten Schreibtisches.

© Götz Haubold

Die Kleinere ist derweil fiebrig auf der Suche nach Ratte Jette und Professor Ratzfatz, die auf kindgerechter Kniehöhe in Schreibtischfächern, Hochseekoffern und Kajüten entdeckt werden können. Liebevoll eingerichtet und für Erwachsenenaugen nur schwer im Ausstellungsparcours zu finden, geht es den beiden Tierchen um die Frage, warum jemand überhaupt auswandert, wovon er oder sie träumt und welche Schwierigkeiten es in neuen Heimaten zu meistern gilt.

Mit der Fähre elbabwärts

Auf dem Weg zurück gen Innenstadt überquert die S-Bahn die Elbe. Weit spannt sich der Himmel über dem viel befahrenen Fluss. Getränkt mit Informationen über freiwillige und erzwungene Migration stellen wir fest: Dieses Freiheitsding, diese Idee, jederzeit die Segel setzen zu können, ist Hamburg immer noch eingeschrieben. Dieser Bewegungsimpuls trägt uns weiter durch den Tag.

An den Landungsbrücken in Sankt Pauli starten die öffentlichen HVV-Fähren. Sie sind eine preiswerte Alternative zu teuren Hafenrundfahrten.
An den Landungsbrücken in Sankt Pauli starten die öffentlichen HVV-Fähren. Sie sind eine preiswerte Alternative zu teuren Hafenrundfahrten.

© Hamburg Tourismus/Jörg Modrow

An den Landungsbrücken besteigen wir eine öffentliche HVV-Fähre elbabwärts. Sankt Pauli, Fischmarkt, Altona, Terminals, Kräne, Docks, Frachtriesen, gedrungene Lotsenboote, in einiger Entfernung die kühn geschwungene Köhlbrandbrücke – all das kriegen wir ohne teure Hafenrundfahrt, die uns mindestens anderthalb Stunden auf eine Barkasse gefesselt hätte.

Über Finkenwerder (Fähr-Umstieg) geht es bis Teufelsbrück. Von hier aus laufen wir am Elbufer zurück Richtung Altona. Auch großartig. In entspannter Wimmelbild-Atmosphäre flitzen Hunde und Kinder herum, Steine werden geflitscht, in den Zweigen der Weiden am Strand – ja, wirklich Sand! – hängen Seile und laden zum Schaukeln ein. Müll liegt keiner herum.

Schau mal da! Die Elbe passieren auch große Containerschiffe.
Schau mal da! Die Elbe passieren auch große Containerschiffe.

© Götz Haubold

Containerschiffe unter chinesischer Flagge gleiten vorbei, aber kaum holen wir aus, um den Kindern etwas über die Herkunft ihrer Klamotten und den globalisierten Kapitalismus ganz allgemein zu erzählen, kommt schon die Brücke 10 in Sicht und lockt mit Eis, veganem Backfisch und Kartoffelsalat. Erklärstunde beendet. Als in Övelgönne der Elbstrand endet, wollen die Füße nicht mehr, und wir besteigen eine Fähre zurück Richtung Hotel.

Am Stock durch die Dunkelheit

Für den Sonntagvormittag haben wir noch einen Besuch im „Dialoghaus“ geplant. Als es im Jahr 2000 in der Speicherstadt eröffnete, interessierte ich mich für Poststrukturalismus, den Golden Pudel Club und meinen Lesekreis in der Hafenstraße, aber eher nicht für einen Ort der Inklusion und der Begegnung, wie das Dialoghaus sich selbst beschreibt. Ich habe damals etwas verpasst. Zum Glück lässt sich das nachholen.

Beim „Dialog im Dunkeln“ werden die Besucher:innen von blinden Guides durch einen lichtlosen Ausstellungsparcours geführt. Silvana, unsere Gastgeberin, reicht allen in der Gruppe einen Stock, sagt noch, wir sollten uns an ihrer Stimme orientieren, und schon verschluckt uns die Finsternis.

Im Foyer des Dialoghauses gibt es jede Menge kindergeeignete Hör-, Guck- und Spielstationen zum Thema Inklusion.
Im Foyer des Dialoghauses gibt es jede Menge kindergeeignete Hör-, Guck- und Spielstationen zum Thema Inklusion.

© Götz Haubold

Es geht durch einen Park, eine Wohnung und über die Straße. Autos, Ampeln, Brücken und Küchengeräte können ertastet werden. Ich ertaste fast nichts, weil ich mich schwindelnd und schwitzend an meinen Langstock klammere und mich vollständig hilflos fühle. Die Kinder hingegen sind anpassungsfähiger, was sie voll raushängen lassen.

Lässig plaudern sie in der Schwärze mit Silvana, lassen sich aus fernsten Ecken vernehmen und verkünden ständig, was sie jetzt wieder entdeckt haben. Im stockdusteren Café bestellen wir Getränke, suchen blind nach Geld, und Silvana erzählt von ihrem Leben. Ich bin sehr froh, als das Licht uns wiederhat, und wir alle sind schwer beeindruckt von dieser Erfahrung.

Vom Broadway nach Hamburg

Dann aber steht an, wovor wir Großen uns fürchten und was die Kinder als Höhepunkt des Wochenendes sehen. Musical. Macht man in Hamburg – das wissen sie aus ihrer Kreuzberger Grundschule. Das Shuttle-Boot fährt uns von den Landungsbrücken rüber zum Theater an der Elbe, wo seit Herbst 2021 „Die Eiskönigin“ läuft – in einem zweiten Musicalhaus neben dem „König der Löwen“, der schon seit 22 Jahren gespielt wird.

Vom Broadway nach Hamburg: Das Musical „Die Eiskönigin“ im Theater an der Elbe.
Vom Broadway nach Hamburg: Das Musical „Die Eiskönigin“ im Theater an der Elbe.

© Disney/JOHAN PERSSON

Drüben angekommen gibt es zunächst: hordenweise kleine Mädchen in Elsa-Kleidern, sündhaft teure Programmhefte, sündhaft teure Nüsschen, Softdrinks in sündhaft teuren Eiskönigin-Plastikbechern. Aber dann gehen endlich die Lichter aus und es kommt eine Show, die überraschenderweise richtig gut ist.

Die von Disney entwickelte und vom Broadway nach Hamburg übernommene Produktion ist schwung- und humorvoll: Die Songs des Filmsoundtracks sind kreativ arrangiert, die Darsteller:innen natürlich und topbesetzt, das Bühnenbild ideenreich, die optischen Vereisungseffekte beeindruckend.

Am Ende sind wir alle vollauf zufrieden mit dem Finale. Per Boot und Bahn geht’s zum Hauptbahnhof. Die Kinder seufzen, Hamburg sei „so supercool“, Berlin hingegen dreckig und voller Verrückter. Wir befinden: Es ist wirklich eine andere Welt da am großen Fluss. Ein Family-Weekender hier ist wie eine frische Brise im Alltagstrott.

Transparenzhinweis: Diese Reise wurde unterstützt von Hamburg Tourismus GmbH.

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