Kiek mol wedder in: So gelingt ein perfektes Wochenende in Bremen
1200 Jahre Stadtgeschichte, ein spätmittelalterliches Gängeviertel, neue Kunst und eine Prise Lokalstolz. Die Hansestadt Bremen bietet viel für 48 Stunden.
Im Relief des überwältigend verzierten Renaissance-Rathauses ist eine kleine Gluckhenne eingemeißelt. Der Legende nach soll Bremen von flüchtenden Familien genau dort erbaut worden sein, wo die Henne ihr Nest hatte. Die nächste berühmte Flüchtlingsfamilie steht nur wenige Meter entfernt vor der Westseite des Rathauses: Die Bremer Stadtmusikanten, die der Bildhauer Gerhard Marcks 1953 in Bronze gegossen hat.
Von Bremens „guter Stube“ aus – so nennen die Bremer:innen ihren Marktplatz – erkunden wir für zwei Tage eine Stadt voller Geschichte, Kunst und gutem Essen. Und Orte, die die Bremer:nnen selbst lieben.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Samstag
10 Uhr: Prächtiges Rathaus
Wer vor den Arkaden des Bremer Rathauses steht, ahnt, wie wichtig die Stadt einmal war. Das Weltkulturerbe-Gebäude ist ein Prachtstück der Renaissance und Backsteingotik zugleich. Gegenüber wacht der fast sechs Meter hohe steinerne Roland, ein Zeichen der Freiheit und Marktrechte der alten Hansestadt – und hinter ihm liegt der „Schütting“, das einstige Haus der Bremer Kaufmannschaft. Am besten mitten auf den Marktplatz stellen und das beeindruckende 360-Grad-Panorama einmal wirken lassen.
10.30 Uhr: Stadtmusikanten
Jetzt aber schnell zu den Bremer Stadtmusikanten. Ja, die muss man kurz gesehen haben! Nein, die sind nicht so groß wie erwartet. Und ja, es bringt Glück, die Hufen des Esels – mit beiden Händen – zu berühren!
Deswegen sind sie so blank poliert. „Wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall“, waren die wenig schmeichelhaften Worte des Esels im Märchen, die Bremer:innen mit Humor nehmen.
11 Uhr: Dom und Domshof
Vom fast 100 Meter hohen Turm des Doms (265 Stufen!) verschaffen wir uns einen Überblick über das gesamte Altstadt-Ensemble bis hin zur Weser und der Teerhof-Halbinsel, die wir später besuchen werden. Dann steigen wir ganz hinab in den Bleikeller – ein echter Gruselklassiker, denn hier liegen acht Mumien, die einst von einem Orgelbauer in der Ostkrypta des Doms entdeckt wurden.
Vom Marktplatz laufen wir zum Domshof. Noch heute spuckt manche:r Bremer:in auf den Stein, der markiert, wo 1831 die Serienmörderin Gesche Gottfried hingerichtet wurde, die in ihrer Lebzeit mindestens 15 Menschen vergiftet hat. Ansonsten geht es hier eher lebendig zu: Täglich außer sonntags findet auf dem Domshof ein beliebter Wochenmarkt statt, der in Richtung Unser Lieben Frauen Kirchhof in einen Blumenmarkt übergeht.
Hier lässt sich ein ordentliches Fischbrötchen angeln. In der Markthalle Acht gibt es im Stile der Kreuzberger Markthalle Neun internationale Küche: ghanaische Snacks, vegane Burger, hawaiianische Bowls, mexikanische Tacos, ukrainische Hausmannskost.
13 Uhr: Klassiker shoppen
Zwei oder drei Klassiker nehmen wir auf dem Weg zur Weser noch mit. Im Süßwarengeschäft von Hachez kann man sich formidabel mit Schokolade eindecken. Wer es minzig mag, sollte unbedingt Bremer Kluten probieren, supersüße Pfefferminzbarren, die zur Hälfte in Schokolade getunkt wurden.
Zwei Ecken weiter finden wir das Kaufhaus Made in Bremen, das Hunderte in der Hansestadt hergestellte Produkte versammelt, von Traditionsmarken wie Münchhausen Kaffee bis zu jüngeren Gründungen wie der Popcorn-Marke Goldcorn oder die „Sündige Karamellcreme“ mit dunkler Schokolade von der Heimathaven Manufaktur.
Gegenüber vom Rathaus betreten wir eine Straße, die in den 1920er-Jahren als Gesamtkunstwerk des Backsteinexpressionismus geschaffen wurde, beauftragt von dem Kaufmann Ludwig Roselius, der mit Kaffee HAG ein Imperium des entkoffeinierten Kaffees aufgezogen hatte. Heute finden sich hier Kunsthandwerk- und Souvenirläden – und das Paula-Modersohn-Becker-Museum, das der expressionistischen Malerin gewidmet ist.
15 Uhr: Kaffeetradition am Hafen
Jetzt aber an die Weser. Oder schnell noch einen Kaffee bei Büchlers Beste Bohne am Ende der Böttcherstraße? Hier zelebriert Martin Bücher Bremens Kaffeetradition und bietet handverlesene Kaffeesorten und -mischungen frisch gemahlen zum vor Ort trinken oder mit nach Hause nehmen.
Wenige Meter entfernt, starten am Martinianleger im Sommer mehrmals täglich Ausflugsschiffe zu den Bremischen Häfen. Gleich daneben ankert das ehemalige Feuer- und Schulschiff Alexander von Humboldt, eine Dreimastbark, die durch die Beck’s-Werbung bekannt wurde und heute als Hotel- und Restaurantschiff genutzt wird. Ist gerade Ebbe oder Flut? Auch wenn Bremen ganze 60 Kilometer von der Nordsee entfernt liegt, der durchschnittliche Tidenhub beträgt fast vier Meter.
16 Uhr: Moderne Kunst auf der Halbinsel
Über eine schmale Fußgängerbrücke geht es auf die Teerhof-Halbinsel, einst ein wichtiges Zentrum des Schiffsbaus. Wo früher die Rümpfe mit Teer abgedichtet wurden, entstand in den 1990er-Jahren ein Backsteinwohnviertel. In umgebaute Packspeicher zog das Weserburg Museum für moderne Kunst ein.
19 Uhr: Abendessen an der Schlachte
Wer es bunt und laut mag, kehrt in einem der Lokale an der Schlachte ein, einer Ausgehmeile mit Blick auf die Weser. Etwa in Höhe des Martinianlegers bietet die Osteria ausgezeichnete italienische Küche, etwa eine gemischte Fischplatte vom Grill. Wer etwas Angesagtes ausprobieren möchte: Küche13 ist ein ambitioniertes Lokal in einem Altbau, dessen Köche regionale Bioprodukte direkt vor den Augen der Gäste zubereiten. Die wöchentlich wechselnde Speisekarte ist ein Gedicht. Wer nicht rechtzeitig reserviert, geht hier allerdings leer aus.
Wie wäre es dann mit dem Speiselokal Canova auf der Rückseite der Kunsthalle? Hier gibt es feinste Speisen mit ausgewählten Zutaten, etwa geräuchertes Wagyu-Rind mit gebratenem Spargel – und Fichtensprosseneis mit geschmortem Rhabarber.
21 Uhr: Klassiker des Nachtlebens
Zum Ausklang des Tages lassen wir uns durchs Viertel um die Schlachte treiben, ein belebtes Quartier mit Kneipen, kleinen Läden und Kultur, quasi der Gegenpol zur benachbarten Altstadt. Von der Altstadt aus ist das Herz des Viertels, der Sielwall, in 20 Minuten zu Fuß erreicht.
Hier finden sich Klassiker des Nachtlebens: das „Eisen“, eine enge Bar mit Rockmusik; das winzige „Heartbreak Hotel“; die schummrige „Capri Bar“ und die legendäre Diskothek „Lila Eule“, wo 1967 Rudi Dutschke revolutionäre Reden hielt. Für die Nachthungrigen: Der Tandour-Imbiss am Sielwall hat das „Rollo“ erfunden, eine Teigrolle mit Gyrosfleisch und einer in Bremen legendären „Arabic“-Hummussauce. Bis fünf Uhr morgens geöffnet.
Sonntag
10 Uhr: Flanieren im Schnoorviertel
Der Sonntag beginnt mit einem Highlight, das man nicht verpassen darf, auch wenn sich hier in Stoßzeiten die Touristengruppen drängeln. Der Schnoor ist ein historisches Gängeviertel, dessen ältestes Gebäude aus dem 15. Jahrhundert stammt.
Hier kann man sich in den Gassen verlieren, schlüpft durch meterbreite Öffnungen zwischen winzigen Häusern hindurch in verwinkelte Innenhöfe und kann – größtenteils auch am Sonntag – Kunsthandwerksläden, Galerien, Antikläden und Souvenirshops besuchen. In der Bäckerei im Schnoor gibt es sehr spezielle Bremer Backwaren wie Kaffeebrot und Klaben, eine Art kompakter, herber Stollen.
11 Uhr: Neues Viertel am alten Hafenbecken
Und ja, es gibt in Bremen auch Häfen, selbst wenn sie nicht mehr so viel genutzt werden wie früher. Um den Beweis anzutreten, steigen wir an der Domsheide in die Linie 3 und fahren bis zum Waller Ring. Hier erkunden wir die Bremer Überseestadt, ein neu entstandenes Viertel rund um das alte Hafenbecken.
Am Holz- und Fabrikenhafen stehen bullige Industriedenkmale wie die Roland Mühle und die alte Kaffee-HAG-Fabrik. Heute siedeln sich hier zunehmend junge Unternehmen, Gastronomie und Manufakturen an, zum Beispiel die Lebkuchenmanufaktur oder die Kaffeeröstereien Cross Coffee und Lloyd Caffee, wo man bei einem feinen Tässchen auf Container schaut, in denen der Kaffee aus Übersee lagert.
Auf der anderen Hafenbeckenseite, im Speicher XI, ist die Hochschule für Künste eingezogen, die manchmal Ausstellungen zeigt, gleich daneben befindet sich das Hafenmuseum mit einer Ausstellung zur Geschichte und Zukunft des Hafens. Am südlich gelegenen Europahafen lohnt sich ein Besuch in der gläsernen Brennerei von Piekfeine Brände, die allerlei Geiste, Brände und Liköre bietet, etwa „Bremer Kööm“, ein Aquavit mit Kümmel, Dill und – tatsächlich – Grünkohl.
13 Uhr: Seemannsspeisen zu Mittag
Zeit für eine Mittagspause. Zum Beispiel in der italienisch beeinflussten „Feuerwache“, mit Terrasse am Kopf des Holz- und Fabrikenhafens. Empfehlenswert ist auch das Hafencasino Truckerstop gleich nebenan, wo es derb gebratene Seemannsspeisen gibt. Zurück geht es mit der Linie 3 bis zum Sielwall im Viertel, von wo aus wir zur Weser laufen.
15 Uhr: Kaffee am Weserstrand
Jetzt ist Zeit für einen Sonntagsausflug! Am Weserufer geht es am grünen Deich entlang bis zur Sielwallfähre „Hal över“. Das kleine bunte Schiff setzt uns Nullkommanichts über auf die andere Weserseite, wo wir die Füße im Sand vergraben – und im Sommer sogar in die Weser springen können.
Der Weserstrand ist seit vielen Jahren wieder eine offizielle Badestelle. Das an der Fähre gelegene Café Sand bietet die passende Torten- und Kaffeebegleitung. Und etwas weiter, vom Strandweg aus, hat man einen 1a-Blick auf das Weserstadion.
18 Uhr: Klassiker im Ratskeller
Zum Abschluss wird es noch einmal traditionell: Im Ratskeller unter dem Rathaus kommen Bremer Klassiker auf den Tisch, nämlich Knipp (angebratene Hafergrützwurst, mit Bratkartoffeln und Apfelkompott serviert) und Labskaus (ein altes Seemannsgericht mit Stampfkartoffeln und gepökelter Ochsenbrust, dazu Rote Bete, Spiegeleier, Rollmops). Im Herbst natürlich Grünkohl mit Kassler und Pinkel.
In den historischen Gewölben wird seit dem Mittelalter Wein ausgeschenkt, davon zeugen die Prunkfässer in der historischen Halle. Den brauchen wir heute aber nicht. Zu Labskaus, Matjes und Knipp passt ein Beck‘s viel besser.
20 Uhr: Abendliches Panorama am Marktplatz
Vielleicht noch ein letztes Mal mitten auf den Marktplatz stellen? Abends werden die historischen Gebäude in Bremens guter Stube alle angestrahlt, dann wird das 360-Grad-Panorama noch unvergesslicher.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false
- showPaywallPiano:
- false