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„Hart aber fair“ diskutierte am Montag die Folgen der Energiekrise. Warum wird nicht die Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks debattiert?

© Geisler-Fotopress / Foto: Thomas Bartilla

Reformieren? Verkleinern? Abschaffen? : Stunde der Populisten

Alle reden über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Nur die Betroffenen selber nicht.

Nur noch 40,4 Prozent der erwachsenen Bürger haben Vertrauen in die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, meldet „Tichys Einblick“.

Nur noch 48 Prozent der Deutschen halten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch für „eher wichtig“ bis „sehr wichtig“, meldet die „Zeit“.

Tarifsystem des öffentlichen Dienstes

In einem Beschluss des CDU-Parteitags steht, dass die Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Gemeinwesens leisteten. Diese Leistung müsse finanziell honoriert werden, trotzdem halte die CDU Anpassung des Gehaltsgefüges an das Niveau des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes für sinnvoll.

Der Chef der sachsen-anhaltischen Staatskanzlei, Rainer Robra (CDU), dringt als Konsequenz aus den Vorgängen beim Rundfunk Berlin-Brandenburg auf grundlegende Veränderungen an der Spitze öffentlich-rechtlicher Sender. Die Intendanten seien generell zu machtvoll.

Keine dieser Meldungen, Wortmeldungen und Umfragen ist älter eine Woche, kaum ein Tag, an dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht in der Diskussion ist. Es sind, natürlich, die Skandale und Skandälchen in einigen ARD-Anstalten, die erregen, aufregen und das Image des Systems nachhaltig beschädigen.

Erstaunlich ist nicht, dass die Kritik so vielfältig und so vielstimmig ist, erstaunlich ist, dass es so wenig Gegenstimmen aus den Anstalten selber gibt. Die ARD-Gewaltigen haben die Köpfe eingezogen, Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue sieht nur die Abteilung Fernsehen gemeint und ZDF-Chef Norbert Himmler guckt in die Luft.

Halt, der Intendant des Südwestrundfunks und designierte ARD-Vorsitzende Kai Gniffke hat sich geäußert. Er kann sich ein gemeinsames Mantelprogramm für die Dritten Programme der ARD vorstellen. Dies sei „ein Gedanke, den wir in den kommenden Monaten und Jahren intensiv diskutieren sollten“. In den kommenden „Monaten und Jahren“.

Hat Gniffke den Schuss nicht gehört? Und dann meinte er noch zu den Äußerungen aus der Politik, dass eine Erhöhung des Rundfunkbeitrages unter den aktuellen Umständen nicht denkbar sei: „Das stimmt. Unter den aktuellen Gegebenheiten ist eine Beitragserhöhung nicht denkbar – denn sie steht überhaupt nicht an. Ich weiß nicht, warum darüber jetzt schwadroniert wird.“ Tja, Kai Gniffke, die 18,36 Euro werden jeden Tag bezahlt, insofern ist der Beitrag jeden Tag ein Thema.

Wer all diese Aussagen zusammenliest, der weiß nicht so recht, wo die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht. Patronagewirtschaft und Selbstbedienungsmentalität können hier ein gefährlicher Kipppunkt sein. Wie weit ist es bis zur Erosion, zur Delegitimation von ARD, ZDF, Deutschlandradio?

Die sehr verantwortliche Politik hält sich geschlossen, erkennbar in Sorge, dass jedes Votum für einen oder die Sender als Kumpanei, als Gemeinmachen mit den fragwürdigen Vorgängen und festgestellten Vorwürfen missverstanden werden könnte.

AfD und AfD-nahe Stimmen toben sich in ruinösen „Grundfunk“-Szenarien aus, aber wenn man zur Kenntnis nimmt, was CDU/CSU und neolibarale FDP krisitisieren und fordern, muss doch bedauert werden, wie sehr Medien- und Rundfunkpolitik zum Trainingsplatz für Populismus degeneriert sind.

Blinde Flecken bei den Öffis

Keiner soll die blinden Flecken bei den Öffentlich-Rechtlichen übersehen, keiner darf die Dysfunktionalität und den Strukturkonservatismus in den Anstalten hinnehmen. Aber der Ansatzpunkt kann nicht die punktuelle Aufregung sein, das Meinungsrülpserchen, es braucht intensive Beschäftigung für eine tiefgreifende Erneuerung.

Was erstaunt: Das öffentlich-rechtliche, immens wichtíge und mindestens so teure Mediensystem ist nur im Augenblicksmoment von Verfehlung und Verantwortungs-Verwahrlosung ein Generalthema. Was nicht erstaunt und nur als selbstverständlich wahrgenommen ist: die fortwährende, stabile Akzeptanz und Relevanz der faktengesättigten Informationen zu Corona, Ukrainekrieg und Energiekrise in sehr weiten Kreisen der Bevölkerung. Nicht nur im Augenblick, sondern Tag für Tag.

Klar ist, wer am Ende der Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schaden will. Unklar ist, wer dem System nutzen will.

Da sind die Anstalten, da sind die Intendanten in der Pflicht. Wer, wenn nicht sie müssen erklären und definieren, was diese Public-Value-Einheiten leisten können und können müssen. Das neue Normal ist eben, dass die vom Bundesverfassungsgericht zementierte Bestands- und Entwicklungsgarantie tagtäglich Rechtfertigung braucht.

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