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Dino Pešut kam 1990 zur Welt, er lebt in Zagreb.

© Karla Jurić

Roman „Daddy Issues“: Das starke Debüt des kroatischen Autors Dino Pešut

Schnell und pointiert erzählt Dino Pešut in „Daddy Issues“ von einem jungen Schwulen aus der Arbeiterklasse, der sich mit seiner Familiengeschichte auseinandersetzen muss.

Als erwachsener Mensch wieder ins Elternhaus ziehen – eine Horrorvorstellung. „Nach Hause zurückzukehren ist etwas für Nichtsnutze, Hallodris, Geschiedene, Muttersöhnchen und Papas Prinzessinnen“, schimpft der Ich-Erzähler von Dino Pešuts Debütroman „Daddy Issues“, als er mit Ende 20 genau das tut. Von Zagreb in die Provinz zu seinem Vater, aus einer halbwegs queeren Bubble in einen Ort, dessen Homofeindlichkeit immer noch in seinem Kopf nachhallt. Kein Wunder, dass er auf der Zugfahrt eine Panikattacke erlebt.

Vor allem bedeutet die Rückkehr, dass er sich mit einem Schwerkranken auseinandersetzen muss. Dessen Anrufe hat der junge Mann, der seinen Namen erst ganz am Ende des Romans verrät, bisher weitgehend ignoriert. Nur einmal hat er ihn widerwillig besucht. Der Vater war einst Gastarbeiter und kaum präsent im Leben des einzigen Kindes, das ihm das bis heute übelnimmt. Die Mutter ist schon lange tot, sie war alkoholkrank und depressiv. Eines Tages „erfror sie beim Autofahren und landete im Graben vor unserem Wohnhaus. Sie zersplitterte in tausend kleine Teile.“ Der Sohn gab sich daran jahrelang die Schuld.

Pešut, der 1990 geboren wurde und in Kroatien als Theaterautor bekannt geworden ist, erzählt in einem schnellen, lakonischen Stil voller packender Dialoge und funkelnder kleiner Bilder vom Leben seines desillusionierten Protagonisten. Dessen Klassenbewusstsein spielt dabei eine große Rolle, denn auch wenn er einen Hochschulabschluss hat und gut situierte Liebhaber, fühlt er sich weiterhin als Unterschichtsangehöriger. Er arbeitet zu Beginn der Handlung nicht aus Spaß an der Rezeption eines Hotels, wo er zwischendurch Gedichte schreibt.

Die soziale Klasse schiebt sich wie eine Glaswand zwischen ihn und seine Nächsten – sei es sein alter Freund Janko, der nach London ausgewandert ist, und eine schicke Hochzeit mit seinem Freund feiert. Oder Vanja, sein neuer Lover, dessen weißes T-Shirt so viel kostet wie die Monatsmiete des Erzählers. Wobei dieser sich in der Underdog-Rolle auch gefällt und sie ein wenig zelebriert.

Ein Vergleich mit Édouard Louis scheint sich aufzudrängen, doch letztlich unterscheidet beide Erzählfiguren mindestens ebenso viel wie sie aufgrund von Alter, sexueller Orientierung und Schichtzugehörigkeit verbindet. Was vor allem mit dem sozioökonomischen Gefälle ihrer Heimatländer zusammenhängt. Kroatiens jüngste Kriegsgeschichte, vor allem aber die Gastarbeiter*innentradition, haben die Familie von Pešuts Protagonisten gezeichnet.

Er hat es auch selbst mit der Auswanderung versucht, doch in Berlin kam er nicht klar. Nach einem halben Jahr begriff er, dass es egal ist, wo er arm und unglücklich ist. „Ich entschied mich für Zagreb, wo ich es mir in meiner Frustration gemütlich machen konnte, wo die Entfernungen in der Stadt kürzer waren und die Mieten niedriger – und all das in kroatischer Sprache.“

Auch dort kann er sich irgendwann nicht mehr halten und geht in seinen Heimatort zurück. Die holprige Annäherung an den Vater gehört zu den stärksten Aspekten von „Daddy Issues“, weil Pešut sie mit einer eigenwilligen Mischung aus Schonungslosigkeit und Wärme schildert. Dabei überrascht vor allem die Figur des Vaters, der eine größere charakterliche Entwicklung hinlegt, als man sie ihm in den ersten Kapiteln zugetraut hätte. Dass dieses feine Debüt seinem Helden am Ende noch einen Hoffnungsstrahl schickt und den Leser*innen endlich seinen Namen verrät, macht neugierig auf das nächste Buch von Dino Pešut.

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