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Still aus dem Film "Piaffe", Credit: Salzgeber

© Salzgeber / Salzgeber

LGBTIQ-Kino: „Wünsche mir bei queeren Filmen mehr Mut in Deutschland“

Jakob Kiyas, neuer Geschäftsführer des Salzgeber-Verleihs, über die Lage des queeren Kinos, Zuschauerschwund und tolle Filme für 2023.

Salzgeber ist der älteste queere Filmverleih in Deutschland. Sie haben gerade die Geschäftsführung mit Ihrem Kollegen übernommen, ihr Vorgänger hat sich nach 30 Jahren zurückgezogen. Wie wollen Sie Salzgeber weiterentwickeln?
Das Herz von Salzgeber wird weiterhin für ein widerständiges Kino der Außenseiter*innen schlagen. Ein zentraler Teil davon ist das queere Kino. Salzgeber steht aber auch für große Vielseitigkeit. Björn Koll hat uns ein starkes Fundament hinterlassen, für das ich sehr dankbar bin. Eine zentrale Aufgabe wird es sein, weiter neue Zielgruppen zu erschließen und unsere Filme noch leichter zugänglich zu machen. Wir müssen Antworten auf die Marktlage finden, in der das Publikum selektiver wird und mehr online streamt.

Bleibt Kino die Priorität?
Ja, das wird unsere Kernkompetenz bleiben – denn das Erlebnis im Kinosaal ist und bleibt unersetzlich. Zusammen mit Jürgen Pohl und Christian Weber in der Leitung sowie unserem ganzen Salzgeber-Team werden wir gute Wege finden, kämpferisches und queeres Kino auch weiterhin sichtbar zu machen.

Die deutschen Kinos kämpfen derzeit mit einem Besucher*innenrückgang von 30 Prozent im Vergleich zu 2019. Wie wirkt sich das auf die Situation von Salzgeber aus?
Natürlich spüren auch wir den Rückgang bei den Kinobesucher*innen. Gleichzeitig können wir auf ein umfassendes Repertoire zurückgreifen. Zudem wurde das Home-Entertainment-Geschäft in den vergangenen Jahren gut ausgebaut, sodass es in diesem Bereich stabile Einnahmequellen gibt, die Salzgeber u.a. auch durch die Pandemiejahre gebracht haben.

Wenn aber das Kino als solches bestehen soll, müssen neben den Kinobetreibenden auch endlich die Verleiher*innen ins politische Blickfeld rücken und Unterstützung erfahren, denn ohne eine gesunde Verleihstruktur wird es letztlich auch keine Kinofilme mehr geben. Wenn wir als Gesellschaft ein diverses Filmprogramm haben möchten, dann müssen wir dafür auch einstehen und es unterstützen. Ansonsten übernehmen die Majors mit ihrem Programm auch noch das letzte Programmkino.

Gerade internationale Serien haben inzwischen eigentlich immer queere Charaktere, insbesondere die Streamingdienste haben LGBTIQ-Serien in früher nicht vorstellbaren Maße herausgebracht. Hat das auch für queere Filmemacher*innen mehr Raum erzeugt?
Die aktuelle Situation zeigt, dass es durchaus noch Luft nach oben gibt. Queere Filmprojekte, die authentisch und progressiv sind, haben es in Deutschland immer noch schwer, gefördert und produziert zu werden. Im europäischen Vergleich schneiden wir schlecht ab – was nicht zuletzt auch häufig an Sender-Beteiligungen liegt. Hier wünsche ich mir im neuen Jahr weniger Zaghaftigkeit und mehr Mut. Dabei zeigen uns internationale Serien doch, was möglich ist: authentische Charaktere und Geschichten, gemacht von queeren Menschen! Das muss doch auch für die große Leinwand möglich sein!

Wie groß ist der Anteil des Video-on-Demand-Geschäfts inzwischen bei Salzgeber?
Salzgeber hat schon vor vielen Jahren damit begonnen, Filme erfolgreich über Vimeo online zugänglich zu machen. Im Frühjahr wird es nun einen großen Re-Launch des „Salzgeber Clubs“, unseres VoD-Angebots, geben – ganz im Sinne von „stream local“. Auf der neuen Plattform werden kuratierte Programme, Best-Ofs sowie Veröffentlichungen zu finden sein, die dort exklusiv vorab zu sehen sind.

Zu Salzgeber gehören auch mehrere Buchverlage. Wie sehen Sie deren Zukunft?
Die Salzgeber Buchverlage sind elementare und synergetische Bestandteile der Salzgeber Familie und werden weiter von Björn Koll und Alexander Hamann geführt.

Der Verleih soll in die Queere Kulturstiftung überführt werden. Wie wird das das Geschäft verändern?
Es ist vor allem eine strukturelle Änderung: Die Gesellschafteranteiler der Salzgeber & Co. Medien GmbH werden in die Queere Kulturstiftung übergehen. Die Ziele von Salzgeber und der Queeren Kulturstiftung sind prinzipiell die gleichen: nicht-heteronormative Filme, Bücher und Fotografie zu verbreiten und zu vermitteln – und vor allem im Falle der Stiftung natürlich auch zu bewahren.

Zum Abschluss eine Vorschau auf 2023: Auf welche Filme freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich auf das erste Jahr bei Salzgeber und darauf, Filme wie den vibrierenden Berlin-Film „Drifter“ von Hannes Hirsch oder den visuell mitreißenden „Piaffe“ von Ann Oren begleiten zu dürfen. Ein Highlight wird ohne Zweifel auch „Loriots große Trickfilmrevue“ sein, der auf der Berlinale seine Weltpremiere feiern wird. Und ich freue mich auf den April, wenn wir den Monat der lesbischen Sichtbarkeit mit Wiederaufführungen von restaurierten Filmklassikern wie „Mädchen in Uniform“ und „Fucking Amal“ feiern werden.

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