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Schamane vom Dienst: Rosa von Praunheim in seiner Wilmersdorfer Wohnung.

© DAVIDS/Sven Darmer

Neues von Rosa von Praunheim: Orgiastische Tee-Partys und ein Penis-Buch

Kurz vor seinem 77. Geburtstag zeigt Regisseur Rosa von Praunheim noch mal alles: Neue Ausstellung, neues Buch und neue Filme. Ein Hausbesuch.

Wer Rosa von Praunheims Wohnung in Wilmersdorf betritt, reist in die Dunkelheit. Was gerade dieser Gastgeber natürlich nur positiv auffassen würde. Denn passiert nicht alles Wesentliche, genau, in der Nacht?

Man findet sich schlagartig in einer Art Höhle wieder, einer Höhle aus Kunst, Krempel und 40 Jahre gelebtem Leben. Denn so lange wohnt Rosa schon hier, mit seinen beiden Lebenspartnern. Dies ist die Stätte seiner unermüdlichen, auch mit demnächst 77 Jahren nicht versiegenden Produktivität.

Jetzt thront er, völlig unauffällig, in der Mitte des Raumes auf einem Tisch, ein Dumbledore ohne Bart. Mantel und spitzer Hut bringen das Schamanenhafte an ihm erst richtig zum Vorschein. Vom Band ertönt Musik, Christian Steiffen singt: „Die Lügen, die man über Jesus Christus erzählt, haben mich 2000 Jahre lang gequält.“

Tierpuppen liegen und stehen herum, Affen, Giraffen, ein goldener Schädel. An der Wand eine Serie Fotos von Tante Luzi aus, dem Grad der Gelbstichigkeit nach zu urteilen, spätestens den 60er Jahren. Außerdem Kabelstränge, HiFi- und WiFi-Technik. Denn schließlich ist Rosa vor allem: Filmregisseur. Aber eben auch: Maler.

Praunheim macht so viel, dass er immer etwas zu präsentieren hat

Und deshalb hat er jetzt eingeladen – um aktuelle Projekte vorzustellen, für die man mit dem Geburtstag einen Anlass konstruieren könnte, der eigentlich nicht existiert. Denn dieser Mann macht so viel, dass er eigentlich immer etwas zu präsentieren hat. Was also gibt es Neues aus Praunheims Paralleluniversum?

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Die Gemälde, natürlich. Am 8. November wird eine Ausstellung in der Galerie Gustav von Hirschheydt am Walter-Benjamin-Platz eröffnet, jetzt ist alles in der Wohnung zu besichtigen, dicht an dicht. Petersburger Hängung nennt man das, er habe einen „Horror Vacui“, gibt Rosa zu.

Kunst von Rosa von Praunheim, zu sehen in seiner Wohnung.
Kunst von Rosa von Praunheim, zu sehen in seiner Wohnung.

© DAVIDS/Sven Darmer

Wer ihn kennt, wird nicht erstaunt sein, dass es motivisch vor allem um das eine geht. Ja, männliche Glied-Maßen kriegt man hier genug zu sehen, im Stil von Kinder- oder Comiczeichnungen, auf schwarzem, weißem und buntem Grund. Für Rosa selbst ist es poetisch, eine Märchenwelt. Aber ob im Märchen die Bilder auch Titel trügen wie „Fickfrösche auf Urlaub“? „Ich schreibe ja auch Gedichte“, sagt er zur Erklärung.

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Nein, schocken will er niemanden, das ginge heute gar nicht mehr. „Nur Youtube und Facebook zensieren Nacktfotos, das ist eine neuere Entwicklung. Ansonsten kann man doch Pornografie im Internet downloaden, so viel man will.“ Richtig teuer würden die Werke natürlich erst nach seinem Tod – „aber das dauert ja nicht mehr so lange“.

Er spricht viel und offensiv über sein Ende, und über Freunde wie Werner Schroeter, „der jetzt auf dem Friedhof lebt!“. Wie auch Ziehmutter Gertrud, die mit ihm hier gewohnt hat und 2003 starb. „Wenn sie einen nackten Mann auf dem Flur traf, fragte sie immer: ,Gehören Sie zu meinem Sohn?‘“

Der Regisseur rät zu "orgiastischen Teepartys"

Übrigens rät Praunheim, nicht zur bestimmt völlig überfüllten Ausstellungseröffnung zu kommen, sondern lieber zu einer der „orgiastischen Teepartys“, die er an den drei verbleibenden November- Samstagen in der Galerie veranstaltet.

[Ausstellung in der Galerie Hirschheydt, Wielandstraße 31, 8.11.-4.12.2019, Eröffnung mit Performance am 8.11., 17 Uhr, Orgiastische Teepartys am 16., 23. und 30.11., Buchpräsentation „Der kleine und der große Penis“, 26.11., 19 Uhr, Buchhandlung Geistesblüten, Walter-Benjamin-Platz 2, „Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht“, 28.11., Deutsches Theater Berlin]

Wenige Schritte entfernt, in der Buchhandlung Geistesblüten, präsentiert er am 26. November sein neues, 15. Buch: „Der kleine und der große Penis“. Und liest daraus auch jetzt, was nicht lange dauert, die Seite bestehen zum größten Teil aus Zeichnungen. Ein „Kinderbuch für Erwachsene“ soll es sein. Eigentlich ist es aber vor allem Rosas Abrechnung mit Rechtspopulisten und Neonazis.

Bald läuft sein Film "Darkroom - Tödliche Tropfen" an

Frische Filme hat er auch produziert, darunter „Operndiven – Operntunten“. Schwule Opernaficionados wie Tilman Krause, Sänger Rufus Wainwright und Regisseur Barrie Kosky kommen zur Wort, außerdem verehrte Sängerinnen wie Edita Gruberova oder Edda Moser, deren Aufnahme der Arie der Königin der Nacht aus Mozarts „Zauberflöte“ mit der Raumsonde Voyager das Sonnensystem verlassen hat und die aus ihrem tiefen Weisheitsschatzkästlein plaudert: „Schwule Männer verstehen eine Frau einfach besser als der Normalverbraucher“.

Vor allem aber läuft Ende Januar „Darkroom – Tödliche Tropfen“ nach einem authentischen Fall in Berlins Kinos an, mit den beiden grandiosen Darstellern Božidar Kocevski und Heiner Bomhard, die auch für Rosas Autobiografie „Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht“ am Deutschen Theater Berlin auf der Bühne stehen. Die wird am 28. November wieder zu sehen sein, im Anschluss gibt’s eine Geburtstagsparty. Der Tod kann noch warten. Und Rosas Fazit könnte in seiner heiter-trockenen Lakonie nicht typischer für ihn ausfallen: „So habe ich einen fröhlichen Lebensabend.“

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