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Der Senat will das Budget queerer Organisationen kürzen.

© imago images/Christian Spicker / Christian Spicker via www.imago-images.de

Kürzungen im Berliner Haushalt: „Der Senat untergräbt Angebote zur Antidiskriminierung“

Einige queere und intersektionelle Initiativen könnten im neuen Haushalt des Berliner Senats leer ausgehen. Antidiskriminierungs-Experte Ed Greve klagt: Das sendet ein fatales Signal.

Ed Greve, Sie kritisieren, der Berliner Senat sei kurz davor, seinen Koalitionsvertrag zu brechen. Warum?
In ihrem Koalitionsvertrag versprachen CDU und SPD, sich „für Diversity- und Queerkompetenzen in allen pädagogischen Berufen“ einzusetzen und Fachstellen für queere und intersektionale Bildung zu erhalten. Der aktuelle Haushaltsentwurf allerdings sieht genau in diesem Bereich massive Kürzungen vor. Wir als betroffene Organisationen sind empört und besorgt.

Die Gesamtsumme, die der Haushaltsentwurf im Bildungswesen vorsieht, ist aber gestiegen: Von gut 14 Millionen Euro in diesem Jahr auf jeweils über 16 Millionen für 2024 und 2025.
Die Steigerung liegt vor allem daran, dass das Wissenschaftszentrum Urania neu dazugekommen ist und 2024 eine, 2025 dann fast zwei Millionen Euro erhält. Das ist auch gut so. Aber in vielen anderen Bereichen wurden die Ressourcen umverteilt, es soll es zu Kürzungen kommen, einige Projekte verschwinden ganz aus dem Förderkatalog. Angesichts der Notwendigkeiten wie Inklusion und Bildungsgerechtigkeit sind zwei Millionen Euro Anstieg abgesehen davon nicht viel.

Wen betreffen die Kürzungen und wie hoch sind sie?
Viele queere und intersektionelle Angebote. Die Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ (IGSV) zum Beispiel bekommt künftig 30 Prozent weniger Geld, eine Beratung für inter* und trans* Jugendliche sogar 65 Prozent weniger. Dabei wissen wir, dass hier der Bedarf steigt. Ein Bildungsprojekt der Berliner Aidshilfe wurde ganz gestrichen.

Sie arbeiten als Referent für Antidiskriminierung und Demokratiebildung beim Migrationsrat. Auch Ihrer Organisation sollen Gelder gekürzt werden.
Ja, dem aktuellen Haushaltsentwurf zufolge könnten auch wir künftig etwa 65 Prozent weniger vom Senat bekommen. In unserer Kompetenzstelle intersektionale Pädagogik beim Migrationsrat machen wir zwei Angebote: einmalige Workshops und Fortbildungen oder Langzeitbegleitungen an Schulen. Wir bearbeiten dabei Themen wie Rassismus, Queerfeindlichkeit oder Inklusion. Nach den aktuellen Plänen des Senats müssten wir uns wohl für eines der beiden Angebote entscheiden und viele laufende Projekte beenden.

Welche Folgen könnten die Kürzungen insgesamt haben?
Große Träger haben deutlich mehr Ressourcen für ihre Arbeit zur Verfügung und können ihre Arbeit trotz Kürzungen vermutlich erhalten. Aber gerade für kleinere und mittelgroße Träger ist eine solche Entscheidung fatal, teilweise existenzbedrohend. Und gesamtgesellschaftlich kann dieser Umgang langfristig unsere Demokratie gefährden. Ohne uns hätten viele Bildungseinrichtungen keine Kapazitäten, sich Diskriminierungsthemen ausführlich zu widmen.

In einer Zeit, in der die Zahl queerfeindlicher und rechtsextremer Gewalttaten deutlich steigt.
Genau. Unsere Vereine leisten Präventionsarbeit, sind Anlaufstellen. Der Senat sendet mit seiner Entscheidung ein fatales Signal an die Öffentlichkeit: Diese Arbeit ist Nebensache. Da können Politiker*innen noch so oft sagen, der Rechtsextremismus sei die größte Gefahr für unsere Gesellschaft. Wenn man gleichzeitig bewährte Angebote zur Antidiskriminierung und Gewaltprävention untergräbt, ist das nicht mehr als eine unglaubwürdige Floskel.

Worauf hoffen Sie jetzt?
Solange der Haushalt noch nicht verabschiedet ist, werden wir weiter laut sein. Mehrere Organisationen haben bereits im August einen offenen Brief an den Senat verfasst, wir berufen Demos ein. Auch wenn Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch sagt, die Entscheidungen hätten reine Haushalts- und keine politischen Gründe, wünschen wir uns jetzt genau das: Ein klares politisches Zeichen, dass unsere Arbeit wichtig ist. Und dass der Senat vorhat, seine Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu halten.

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