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„Elefant“ mit Jan Hrynkiewicz (rechts) und Paweł Tomaszewski.

© Salzgeber

„Elefant“ im Kino: Coming-Out in Polen auf dem Land

In „Elefant“ erzählt Regisseur Kamil Krawczycki von der Liebe zwischen zwei Männern in der polnischen Provinz. Ein kleiner, feiner Film, der die Gefahren nicht herunterspielt und geschickt Klischees vermeidet.

Von Patrick Heidmann

Auf dem Land, irgendwo zwischen Langeweile, Engstirnigkeit und Traditionen, herauszufinden, wer man selbst eigentlich, oder offen seine eigene Wahrheit zu leben, ist alles andere als ein Kinderspiel. Ganz besonders natürlich, wenn man auf die eine oder andere Weise das Gefühl nicht loswird, womöglich ein bisschen anders zu sein als die anderen um einen herum.

Das Kino ist voll von solchen Geschichten, nicht zuletzt das Queer Cinema, weil ein Coming-Out eben in der Enge der Provinz doch noch einmal einen ganz anderen, auch inneren Resonanzraum aufmacht. Insofern ist „Elefant“, das Langfilmdebüt des polnischen Regisseurs Kamil Krawczycki, das aktuell auf deutschen Leinwänden zu sehen ist, auf den ersten Blick vielleicht keine Offenbarung. Und doch gelingen diesem kleinen, feinen Werk einige sehr besondere Momente.

Dass Krawczycki für den Film in seine eigene Heimat im Süden Polens zurückgekehrt ist, ist einer der Aspekte, die „Elefant“ auszeichnen. Fernab der Metropolen die eigene Queerness auszuloten ist selten einfach. Doch dass sich die Situation in Polen ganz besonders verschärft hat, ist kein Geheimnis.

Die Woiwodschaft Kleinpolen etwa, wo der Regisseur aufgewachsen ist, gehört zu jenen Regionen, die in den vergangenen Jahren zu sogenannten „LGBT-freien Zonen“ erklärt wurden. Nun ausgerechnet dort von der Liebe zwischen zwei Männern zu erzählen, ist nicht nur ein Statement, sondern erhöht natürlich auch das dramatische Potenzial der Geschichte.

Ein Alter Ego des Regisseurs? Das bleibt offen

Ob der 22-jährige Bartek (Jan Hrynkiewicz) hier womöglich eine Art Alter Ego Krawczyckis ist, lässt der Film ebenso offen wie die Frage, wie bewusst sich der junge Mann seine sexuelle Identität schon vor Einsetzen der Story eigentlich gemacht hat.

Sicher ist nur: Anders als seine Schwester, die mit ihrem Freund in Norwegen ein neues Leben begonnen hat, oder der Vater, der die Familie schon vor Ewigkeiten Richtung USA verlassen hat, ist Bartek in der Heimat geblieben. Er jobbt in der Kneipe um die Ecke, kümmert sich um die Mutter (Ewa Skibinska), die zu viel trinkt und auch sonst nicht in bester Verfassung ist, und stemmt einen Großteil der Arbeit, die auf dem familiären Bauernhof anfällt.

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Eigentlich träumt er davon, mit seinen Pferden, deren Unterhalt kaum noch zu stemmen ist, ein eigenes Gestüt zu gründen, doch dann trifft er auf Dawid (Paweł Tomaszewski). Der ist vor 15 Jahren so schnell er konnte in die Großstadt geflüchtet, nun kehrt er zurück, um sein Elternhaus zu verkaufen.

Schnell entdecken Bartek und er erst Gemeinsamkeiten und dann Gefühle füreinander, was allerdings auch ihrem Umfeld nicht verborgen bleibt. Lediglich eine Nachbarin (Ewa Kolasińska), an deren liebevoll-mütterlichen Gefühlen für Bartek sich selbst dann nichts ändern würde, wäre er ein Elefant, scheint nicht mit Ablehnung und Vorurteilen auf das Thema Homosexualität zu reagieren. Doch das ändert nichts am Gefühl der Befreiung, das in ihm nicht nur zusehends eine ganz neue Lebensfreude zu wecken scheint, sondern auch die vage Hoffnung auf eine glückliche Zukunft.

Gewalt und Tragik in „Elefant“ eskalieren nie ins Letzte

Es ist Krawczycki hoch anzurechnen, dass er Gewalt und Tragik in „Elefant“ nie bis ins Letzte eskalieren lässt, ohne dabei je die Gefahren herunterzuspielen, denen die LGBTQ-Community nicht nur in Landstrichen wie diesem ausgesetzt sind. Gleichzeitig setzt er auch nicht auf das krasse Gegenteil: Von utopisch oder naiv anmutendem Kitsch hält sich der Film gleichermaßen fern. Stattdessen verlässt er sich ganz auf seine überzeugenden Darsteller*innen und die betörend schönen, meist in warmes Licht getauchten Bilder von Kameramann Jakub Sztuk.

Die emotionale Wucht von beispielsweise Francis Lees Meisterwerk „God’s Own Country“ entsteht in dieser Geschichte zwar nie. Aber von der Dynamik zwischen den beiden Protagonisten über die Euphorie des Verliebtseins bis hin zum geschickt gesetzten Ende entwickelt sich trotz der altbekannten Prämisse nie alles exakt so, wie man es vielleicht vermuten würde.

Der Einsatz eines Songs von Christine & the Queens ist vielleicht, aller Effektivität zum Trotz, schon das größte Klischee. Und das Bauernhof-Setting, mit all den ihm innewohnenden Naturburschen-Phantasien und Männlichkeitskonventionen, der körperlichen Arbeit und dem Element des Animalischen, tut ein Übriges.

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