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Die kanadischen Waldbrände sind auch aus dem All zu sehen.

© AFP/-

Waldbrände in Kanada: „Wir fuhren durch glühende Asche“

Die großflächigen Waldbrände fressen sich immer näher an die Hauptstadt der Nordwest-Territorien in Kanada heran. 22.000 Menschen müssen die Stadt verlassen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

Die Bevölkerung der 22.000 Menschen zählenden Stadt Yellowknife, Hauptstadt der Nordwest-Territorien Kanadas, ist auf der Flucht. Waldbrände fressen sich näher an die Stadt heran. Sie bedrohen die einzige Straßenverbindung in den Süden. „Noch ist der Highway offen, aber das kann sich ändern“, sagt Bürgermeisterin Rebecca Alty.

Am Mittwochabend hatte die Territorialregierung die Evakuierung der Stadt angeordnet. Bis Freitagmittag sollten alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt und einiger nahe gelegener Siedlungen die Hauptstadt des arktischen und subarktischen Territoriums im Norden Kanadas verlassen haben. Befürchtet wird, dass das Feuer, das am Freitagmorgen etwa 15 Kilometer von der Stadtgrenze entfernt war, am Wochenende die Stadtgrenze erreichen könnte. „Das Feuer stellt eine reale Gefahr für die Stadt dar“, sagt Shane Thompson, der für kommunale Angelegenheiten zuständige Minister des 1,3 Millionen Quadratkilometer großen Territoriums. Die Evakuierung ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

Mit dem Einsatz von Wasserbombern gelang es, den Highway 3 zu schützen. Zwischen Yellowknife und Bechoko führt er durch eines der großen Feuer. Sollte diese Straßenverbindung unterbrochen werden, bliebe nur noch die Evakuierung mit Flugzeugen, die sich wegen der starken Rauchentwicklung ebenfalls schwierig gestaltet. Am Donnerstag wurden 1500 Menschen per Flugzeuge nach Edmonton und Calgary in der südlichen Nachbarprovinz Alberta gebracht.

137.000
Quadratkilometer Wald sind 2023 in Kanada bereits verbrannt.

Unter ihnen war die 77 Jahre alte Beatrice Bernhardt. „Tag für Tag, fast drei Wochen lang, konnte man nichts sehen. Man sah nur Rauch“, erzählte sie kanadischen Medien in Calgary. Das Warten auf den Flug hatte sie erschöpft. Nun fühlt sie sich nach Wochen der Unsicherheit erleichtert. Für den Freitag waren mindestens 22 weitere Evakuierungsflüge geplant. Sie sollen vor allem ältere Menschen und Menschen mit gesundheitlichen Problemen in Sicherheit bringen. Geschätzt wird, dass etwa 5000 Bewohnerinnen und Bewohner ausgeflogen werden müssen.

Die große Mehrheit der 44.000 Bewohnerinnen und Bewohner der Nordwest-Territorien ist vom Feuer betroffen und musste Hab und Gut zurücklassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Im Südwesten des riesigen Territoriums brennen mehr als 230 Wald- und Buschfeuer. Sie haben bereits 2,1 Millionen Hektar (21.000 Quadratkilometer) Wald- und Buschland verbrannt. Für Hay River am Südufer des Great Slave Lake, Forth Smith, Jean Marie River und First-Nations-Gemeinden wie Salt River First Nation und die K’atl’odeeche First Nation wurde ebenfalls die Evakuierung angeordnet. Die kleine Siedlung Enterprise ist fast völlig abgebrannt. Selbst im hohen Norden nahe der Küste des Eismeers bei Inuvik brennt es.

Wegen der Brände mussten auch Straßen gesperrt werden.
Wegen der Brände mussten auch Straßen gesperrt werden.

© imago/ZUMA Press/IMAGO/Jeff Mcintosh

Auf dem Highway von Yellowknife nach Süden sind kilometerlange Autokonvois unterwegs. Streckenweise sind links und rechts des Highways brennende Baumreihen zu sehen. Die Fahrt ist lang und für alle bedrohlich. Von Yellowknife bis zur Grenze zur Provinz Alberta sind es rund 550 Kilometer, bis High Level, der ersten größeren Gemeinde in Alberta, sind es etwa 720 Kilometer.

Auf dem Weg dorthin gibt es nur wenige Gemeinden. Minister Thompson versicherte, dass die Regierung entlang des Highways das Wiederbetanken der Autos sicherstellen werde. Abschleppfahrzeuge würden dort stationiert und es stünden auch „Pilotfahrzeuge“ bereit, die Konvois durch dichten Rauch leiten könnten.

„Wir fuhren durch glühende Asche“

„Wir konnten nichts sehen, wir fuhren durch glühende Asche“, beschreibt Lisa Mundy ihre Flucht aus Hay River. Mit ihrem Truck waren sie, ihr Mann und ihre beiden sechs Jahre und 18 Monate alten Kinder dem Feuer entflohen. Sie gehörten zu den Letzten, die auf dem Straßenweg nach Süden entkommen konnten, bevor der Highway wegen der Feuer geschlossen werden musste. Sie fürchteten, dass ihr Fahrzeug Feuer fängt. Die Windschutzscheibe zerbrach. Die Fahrt sei „traumatisierend“ gewesen, sagte sie. Ihr Sechsjähriger habe mehrmals gesagt: „Ich will nicht sterben, Mommy.“

Am Straßenrand bei Enterprise standen ausgebrannte Fahrzeuge. Die Familie Lundy schaffte es nach Alberta. In High Level und Peace River wurden Meldezentren eingerichtet, wo sich Menschen, die vor den Feuern geflohen sind, registrieren lassen sollen, damit ihre Angehörigen und die Behörden wissen, dass sie in Sicherheit sind.

Am Mittwoch brannte es bereits auf beiden Seiten des Highways, auf dem Menschen aus Yellowknife flüchteten.
Am Mittwoch brannte es bereits auf beiden Seiten des Highways, auf dem Menschen aus Yellowknife flüchteten.

© AFP/JORDAN STRAKER

In der Provinz British Columbia wurde in dem für sein mildes Klima und den Wein- und Obstanbau bekannten Okanagan-Tal für die Stadt West Kelowna mit ihren 36.000 Einwohnern und die Westbank First Nation der Notstand ausgerufen. Am Mittwoch mussten etwa 100 Urlauber aus der Cathedral Lakes Lodge westlich von Kelowna in einem Konvoi aus der Gefahrenzone geleitet werden, als Feuer ihren einzigen Zufahrtsweg zu blockieren drohte. Die Behörden in British Columbia bezeichneten am Donnerstagabend die bevorstehenden 48 Stunden als kritischste Zeit in der ohnehin schon dramatischen Waldbrandsaison.

Kanada erlebt in diesem Jahr seine bisher schlimmste Feuersaison. Es brennt von Küste zu Küste an vielen Stellen. In vielen Regionen war das Frühjahr ungewöhnlich trocken. Die Temperaturen waren vielerorts überdurchschnittlich hoch und haben den Waldboden ausgetrocknet. Blitzschläge lösen immer wieder Waldbrände aus, aber manchmal genügt auch der Funkenflug von einem Fahrzeug. Nach Angaben des Canadian Interagency Forest Fire Centre sind in diesem Jahr bereits 13,7 Millionen Hektar (137.000 Quadratkilometer) Wald abgebrannt. Gegenwärtig gibt es an mehr als 1000 Stellen „aktive Feuer“, von denen rund 670 außer Kontrolle sind.

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