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Eine Gedenkstelle am 23.09.2023 in Pragsdorf.

© IMAGO/BildFunkMV

Update

Nach Tod eines Sechsjährigen in Pragsdorf: Tatverdächtiger 14-Jähriger schweigt – er soll psychiatrisch begutachtet werden

Die Leiche von Joel war am 14. September bei Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern gefunden worden. Ein Teenager aus demselben Ort gilt als tatverdächtig und schweigt.

Nach dem gewaltsamen Tod eines sechsjährigen Jungen in Pragsdorf bei Neubrandenburg im Südosten Mecklenburg-Vorpommerns hat die Polizei einen 14-jährigen Tatverdächtigen in der Wohnung seiner Familie festgenommen.

An dem in Tatortnähe gefundenen Messer, bei dem es sich um die Tatwaffe handle, seien neben Blutanhaftungen und Faserspuren des Opfers auch DNA-Spuren festgestellt worden, die „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ dem Jugendlichen zuzuordnen seien.

Nach der Verhaftung des 14-jährigen Verdächtigen wird nun die Kleidung des Jugendlichen genauer analysiert. Spezialisten des Landeskriminalamtes suchen nach Spuren, die mit dem Verbrechen an dem Sechsjährigen zusammenhängen, wie eine Polizeisprecherin am Mittwoch in Neubrandenburg sagte. Bei der Festnahme am Dienstag gab es auch eine weitere Durchsuchung, bei der unter anderem Kleidung beschlagnahmt wurde.

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Der 14-Jährige soll außerdem von einem Experten psychiatrisch begutachtet werden, kündigte Oberstaatsanwalt Tim Wischmann an. Von dieser Einschätzung hänge unter anderem ab, ob die Straftat als Totschlag eingestuft wird, wie bisher, oder ob die Tat als Mord angeklagt wird.

Die Höchststrafe liege in beiden Fällen bei zehn Jahren Haft, so Wischmann. „Nach dem Jugendgerichtsgesetz muss auch geprüft werden, ob der Jugendliche in der Lage war, das Unrecht der Tat einzusehen“, sagte der Oberstaatsanwalt weiter.

Joel mit schweren Stichverletzungen aufgefunden

Der sechsjährige Joel war im Rahmen einer großen Suche gefunden worden, an der die Polizei, Feuerwehr und Anwohner teilnahmen.

Man entdeckte das Opfer am 14. September mit schweren Stichverletzungen in einem Gebüsch, wo Kinder ein Versteck gebaut hatten. Es soll auch der Tatort gewesen sein. Zuvor hatten Joels Eltern ihn als vermisst gemeldet. Er war nicht wie verabredet von einem Bolzplatz nach Hause gekommen.

Obwohl Rettungskräfte noch versuchten, den Jungen wiederzubeleben, wurde im Krankenhaus sein Tod festgestellt. „Es ist eine Tat von einzigartiger Brutalität“, sagte der zuständige Chefermittler, Olaf Hildebrandt, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Neubrandenburg. Es sei massive Gewalt angewendet worden – in Form von stumpfer und spitzer Gewalt. 

In Pragsdorf legten Menschen Blumen nieder, wo der sechsjährige Joel am 14. September mit schwersten Stichverletzungen aufgefunden wurde.

© picture alliance/dpa

Der nun dringend verdächtige 14-Jährige geriet den Angaben zufolge ins Visier der Ermittler, weil er der letzte Mensch war, der den Jungen lebend gesehen hatte. Zudem habe er sich in widersprüchliche Aussagen verstrickt.

Es ist eine Tat von einzigartiger Brutalität.

Olaf Hildebrandt, Chefermittler

Pragsdorf: Motiv des 14-Jährigen noch unklar

Eine Wohnungsdurchsuchung konnte zunächst den Tatverdacht gegen den 14-Jährigen nicht erhärten. Erst die Analyse der Tatwaffe bestätigte den Verdacht. Das Motiv ist noch unklar. 

Das Opfer ist laut Polizei wahrscheinlich an seinem Fundort getötet worden. Der als Tatverdächtiger festgenommene 14-Jährige sei mit dem Jungen und dessen beiden Geschwistern am 14. September im Dorf unterwegs gewesen.

Die beiden Geschwister seien dann nach Hause gegangen, während der Sechsjährige und der Tatverdächtige zum Fußballplatz am Ortsrand gegangen seien. Dort soll Joel getötet worden sein.

Haben wir es hier mit einem Totschlag, oder einem Mord oder einer anderen Art des Delikts zu tun?

Tim Wischmann, Neubrandenburger Oberstaatsanwalt

Ermittlungen zu Joel sollen noch einige Zeit andauern

Die Ermittlungen werden laut Staatsanwaltschaft auch nach der Festnahme eines 14-jährigen Tatverdächtigen noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Dabei werde es etwa um die Frage nach möglichen psychiatrischen Besonderheiten des Tatverdächtigen gehen, sagte der Neubrandenburger Oberstaatsanwalt Tim Wischmann am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Neubrandenburg.

In der Regel finde dazu auch eine Begutachtung des Tatverdächtigen statt. Daran hänge die juristisch wichtige Frage: „Haben wir es hier mit einem Totschlag, oder einem Mord oder einer anderen Art des Delikts zu tun?“. Diese Fragen seien noch offen. 

Zwei Polizisten an der Stelle, wo der Sechsjährige mit schwersten Stichverletzungen gefunden wurde.

© dpa/Bernd Wüstneck

Tatverdächtiger durch aggressives Verhalten bekannt

Der tatverdächtige 14-Jährige ist in der Vergangenheit bereits aggressiv in Erscheinung getreten. „Wir wissen durch die Ermittlungen, dass er in der Vergangenheit bereits durch aggressives Verhalten gegenüber anderen Kindern ja aufgetreten ist“, so Chefermittler Hildebrandt. „Wir denken, dass das damit im Zusammenhang stehen wird.“

Der 14-jährige Deutsche habe sich aber bislang nicht zur Tat geäußert. Nach Aussage der Ermittler kannten sich die Familien des Tatverdächtigen und des Opfers aus dem dörflichen Milieu. Der Tatverdächtige sei zuvor nicht polizeilich in Erscheinung getreten.

Die Eltern des Opfers hatten den 14-Jährigen schon vor der Verhaftung im Verdacht, wie Joels Vater am Dienstag in einem RTL-Interview andeutete.

14-Jähriger in Pragsdorf festgenommen

Der 14-Jährige wurde bereits am Dienstagvormittag in Pragsdorf festgenommen und soll wegen dringenden Tatverdachts jetzt einem Haftrichter vorgeführt werden, wie eine Polizeisprecherin sagte. Zunächst wurde ein Haftbefehl wegen des Verdachts auf Totschlag erlassen.

An einer Gedenkstelle in Pragsdorf unweit vom örtlichen See legten Menschen diverse Erinnerungstücke, Blumen und Zeichnungen ab.

© IMAGO/BildFunkMV

Nach der Festnahme hatte sich Bürgermeister Ralf Opitz erleichtert gezeigt. „Das ist erstmal eine Erleichterung für alle Bewohner, aber Fragen bleiben“, sagte Opitz am Dienstag in Pragsdorf. Was gehe in einem Menschen vor, dass er einen Sechsjährigen töte?, fragte der Bürgermeister.

Für die Polizei ist der Einsatz in Pragsdorf noch nicht zu Ende. „Wir werden verstärkt im Dorf präsent sein“, sagte Polizeipräsident Thomas Dabel. Man wolle zur Beruhigung beitragen.

In der Schule des mutmaßlichen Täters in Friedland sollen Schulpsychologen zum Einsatz kommen. Zur Lösung der Frage nach dem Warum der Tat hieß es, man hoffe, dass der Tatverdächtige doch noch etwas sage. 

Auseinandersetzung mit der Tat

Die Auseinandersetzung mit der Tat könnte für den 14-Jährigen ein langer und schwieriger Weg werden, sagte der Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Hanseklinikum Stralsund, Martin Herberhold, dem NDR.

„Wenn es um solche grauenhaften Taten geht (...), dann ist es generell für Täter ein wesentlicher Schritt, sich überhaupt vorzustellen, dass man das selbst getan haben könnte“, sagte der Psychiater.

In Pragsdorf standen am Mittwoch vor vielen Häusern Leute in Gruppen und sprachen über die Verhaftung. Am Fundort des getöteten Sechsjährigen lagen doppelt so viele Plüschtiere, Gedenkzeichen und Trauerlichter wie wenige Tage zuvor. Ein zweiter Gedenkort auf einer Bank am Zugang zum Bolzplatz wurde inzwischen geräumt. (dpa, AFP)

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