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Der emeritierte Papst Benedikt XVI. winkt am Flughafen München im Juni 2020.

© dpa/Sven Hoppe

Papst Benedikt im Missbrauchsskandal: Eine Verheerung, nicht der Beginn der Heilung

Eine Entschuldigung von Joseph Ratzinger für die Fehler liegt in weiter Ferne. Jetzt gerät er auch theologisch auf Abwege. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Der Brief, den der unselige Joseph Ratzinger, Papst Benedikt, über seine Berater zum Missbrauch und zu seinem Fehlverhalten hat veröffentlichen lassen, ist höchst fragwürdig. Menschlich, aber auch theologisch. Denn der vermeintlich große Gelehrte reflektiert – ob gewollt oder ungewollt, das ändert an der Sache nichts – in keiner Weise, welchen Zusammenhang es zwischen Gottes „Güte“ und Vergebungsbereitschaft und den Opfern und ihrem Schicksal geben könnte. Ein Ärgernis sondergleichen.

In der „Theologie“ des einstmals obersten Katholiken wird am Ende alles scheinbar von Gott weg-vergeben, ohne dass den Opfern dabei irgendeine eine Rolle und Bedeutung zukäme. Welch krudes Verständnis von den Dingen, weltfremd, unbeseelt, nur auf sich selbst sehend. Wer soll da glauben, dass der Wunsch nach Entschuldigung reinen Herzens ist?

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Wie wohl dieser Brief insgesamt auf die vielen, vielen Opfer der sexuellen Gewalt wirkt? Und was löst das aus, wenn der emeritierte Papst zwar seine Betroffenheit und sein „Mitleiden“ bekundet, dann verklausuliert von dem „Mit-Hineingenommen-Sein“ in die Schuld anderer (!) redet, aber nicht von eigenem Versagen? Das ist eine Verheerung, nicht der Beginn der Heilung einer zutiefst gestörten Beziehung von Gläubigen zu ihrer Kirche, ihren Kirchenoberen.

Und dann noch solche Worte: Der 94-Jährige sieht sich bald vor dem endgültigen Richter seines Lebens stehen – und bei allem Erschrecken sei er doch „frohen Mutes“. Weil der Herr nicht nur der gerechte Richter sei, sondern zugleich Freund und Bruder und auch sein Anwalt. Das glaubt er.

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Vielleicht doch ein Irrglaube? Hoffentlich. Denn einsichtig, reuig, demütig zeigt sich Benedikt noch immer nicht. Wäre er alles das, machte er sich klein. Zöge er die weiße Soutane aus, die immer mehr wie eine Anmaßung wirkt. Allein schon, weil die Farbe Weiß gemeinhin für Unschuld steht. Aber noch dazu, weil Joseph Ratzinger doch jegliches Recht des Papstes verwirkt hat. Die Frage ist längst nicht mehr, was er geleistet, sondern was er sich geleistet hat.

Den goldenen Fischerring, ohnedies entwertet, soll Benedikt ablegen, auch das goldene Kreuz. Schwarz sollte er tragen, ein Büßergewand, aller Eitelkeit entsagen, hinter abgelegenen Klostermauern demütig seinem Ende entgegensehen, beten. Das soll er, fernab von der Welt, die er ohnedies seit Jahrzehnten schon nicht mehr versteht. Kein Zeichen der Zeit, wie Matthäus sagt, hat ihn erreicht.

Der Christ begegnet Gott, dem „Richter“, schon lange vor dem letzten Gericht: wenn er in dieser Welt vor den Opfern steht, ihnen hilft oder sie abweist und nicht wahrhaben will.

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