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Queen Elizabeth wird 96: Der langsame Rückzug der ewigen Königin

Die Queen wird immer schwächer und zeigt sich kaum noch in der Öffentlichkeit. Bereitet sie die Welt schon auf die Zeit nach ihrem Tod vor?

Langsam, beinahe unmerklich zieht sich Elizabeth II aus der britischen Öffentlichkeit zurück. Erst kürzlich teilte der Palast mit, die Queen werde fortan den ungeliebten Buckingham-Palast in London meiden und, wie schon in der Corona-Pandemie, weitgehend auf Schloss Windsor vor den Toren der Hauptstadt leben. In der vergangenen Woche gab es für die Monarchin zwei traditionelle Gelegenheiten, sich ihrem Volk zu zeigen.

Bei beiden ließ sie sich von jüngeren Royals vertreten; auch vom langerwarteten Versöhnungsbesuch ihres Enkels, des abtrünnigen Prinzen Harry, und dessen Gattin Meghan am Gründonnerstag gab es keine Fotos. Will die hochbetagte Dame – an diesem Donnerstag wird sie 96 Jahre alt – ihre Untertanen und Fans in aller Welt an das nach-elizabethanische Zeitalter gewöhnen?

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Jedenfalls sind auch für den Geburtstag keine öffentlichen Auftritte geplant, was aber nicht sonderlich überraschend ist, schließlich feiert Elizabeth Alexandra Mary Windsor nicht wie Hinz und Kunz an diesem Tag oder dem nächstliegenden Wochenende. Als Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland sowie weiterer 14 Mitgliedsstaaten des Commonwealth, von Jamaika bis Neuseeland, verfügt sie vielmehr über eine offizielle Feier.

Diese steigt normalerweise am zweiten Samstag im Juni, wenn das bekanntermaßen wechselhafte Wetter in London mit einiger Verlässlichkeit Sonnenschein beschert. In diesem Jahr hingegen ist das „Trooping of the Colour“ genannte Hauptevent, eine bunte Militärparade in London, auf den ersten Juni-Donnerstag verlegt. Es bildet den Auftakt und einen der Höhepunkte der Feierlichkeiten zum Platinjubiläum. Londons Regierung hat dafür eigens einen beweglichen Feiertag verlegt und der Bevölkerung einen zweiten geschenkt hat.

Sie geht schon eine Weile am Stock

Insgesamt stellten die Feiern „so etwas wie eine Wiedereröffnung“ des Landes dar, „nach einer Phase der Unsicherheit“, sagt Zeremonienmeister Nicholas Coleridge. Unsicher bleibt für die Organisatoren, ob und wie die Hauptperson verfügbar sein wird. Die immer häufigeren Absagen der Queen bei Ereignissen, die sie früher mit eiserner Disziplin wahrnahm, mögen der Versuch sein, die Kräfte der Königin aufzusparen für das Festival in sechs Wochen. Oder sie stellen ein unvermeidliches Sich-Fügen in die zunehmend schwächer werdenden Kräfte eines sehr alten Menschen dar.

Wie schwer der am Stock gehenden alten Dame die Bewegung fällt, war Ende März beim Gedenkgottesdienst für den nach 73 Ehejahren vergangenes Jahr verstorbenen Prinzgemahl Philip mehr als deutlich zu beobachten. Und im Gespräch mit Krankenschwestern gab Elizabeth II kürzlich einen Einblick in die Covid-Erkrankung, die sie Anfang des Jahres offenbar gut überstanden hatte: Man fühle sich doch noch längere Zeit „sehr erschöpft“.

Die Queen hat sich nach Windsor zurückgezogen.

© Steve Reigate/Daily Express/PA Wire/dpa

Repräsentationsveranstaltungen wie Ritterschläge oder andere Ehrungen werden schon seit Jahren überwiegend vom Thronfolger Charles, 73, dessen Sohn William, 39, sowie der 71-Jährigen Prinzessin Anne, der einzigen Tochter der Queen, wahrgenommen. Für die These, dass Elizabeths Kräfte deutlich geringer werden, spricht vor allem, dass nun auch kirchliche Termine betroffen sind, die bisher im monarchischen Kalender als sakrosankt galten.

Denn anders als ihre durch und durch säkulare Gesellschaft hat das tiefreligiöse Staatsoberhaupt bisher an den hohen Festtagen des Kirchenkalenders festgehalten, vom täglichen Privatgebet ganz zu schweigen. Den traditionellen Gottesdienst am Gründonnerstag etwa hatte die Königin zuletzt 1970 versäumt. Diesmal waren es Charles und seine Gattin Camilla, die an 96 Frauen und 96 Männer – für jedes Lebensjahr der Monarchin – Sondermünzen verteilten, Symbol königlicher Fürsorge für Bedürftige.

Abdanken kommt für sie nicht in Frage

Am Sonntag, dem höchsten Festtag der Christenheit, ließen sich jüngere Royals, angeführt von Prinz William und seiner Familie, auf dem Weg zur Kirche abbilden. Die Queen blieb abwesend, ebenso wie kürzlich beim jährlichen Gottesdienst, der dem Commonwealth gewidmet ist – noch so ein Ereignis, das sie sonst nur ganz selten auslässt. Schließlich hat sie den Vorsitz des Clubs von 54 britischen Ex-Kolonien, die gemeinsam rund ein Viertel der Staaten und ein Viertel aller Menschen auf der Erde repräsentieren, stets besonders ernstgenommen.

Man müsse sie sehen, um an ihre Existenz zu glauben, hat die Königin vor Jahren einmal gesagt – ein wichtiger Grund für ihre auffallenden Kleider, schließlich würde die kurzgewachsene Dame sonst in größeren Menschenmengen verschwinden. Nun, da das Staatsoberhaupt für die Briten immer seltener zu sehen ist, stellt sich eine Frage, die bei Hofe stets nur mit Stirnrunzeln beantwortet wird: Wäre es nicht an der Zeit, der Queen noch ein wenig Zeit im wohlverdienten Ruhestand zu gönnen?

Beim Gottesdienst zu Ostern ließ sich die Queen von Charles und seiner Frau Camilla vertreten.

© Arthur EDWARDS AFP

Eine Abdankung, soviel weiß man seit langem, kommt für Elizabeth II nicht in Frage, zu tief steckt noch in ihr das Trauma der Abdankung Edwards VIII 1936. Wäre dann vielleicht eine Prinzregentschaft denkbar, wie es sie in der britischen Geschichte zuletzt zu Beginn des 19. Jahrhunderts für den geistig umnachteten König Georg III gab? De facto existiert sie in vieler Hinsicht schon. Spätestens seit Prinzgemahls Philips Tod agiert Charles als Familienoberhaupt.

Schon zuvor waren die Entscheidungen, seinen Sohn Harry sowie seinen diskreditierten Bruder Andrew von allen königlichen Verpflichtungen zu entbinden, vor allem vom Thronfolgers getroffen worden. Für eine formelle Erklärung der Amtsunfähigkeit von Elizabeth II aber müsste der Tradition gemäß ein Rat der vier höchstrangigen erwachsenen Windsors zusammentreten. Das sind, nach Charles und William auf Platz eins und zwei, die beiden Problemprinzen auf Platz sechs und neun der Thronfolge.

Selbst wenn sich Elizabeths Gesundheitszustand erheblich verschlechtern würde, wäre dieser Weg nicht gangbar, weil für die gebeutelte Monarchie zu peinlich. Noch im Herbst ließ Ihre Majestät dem Magazin „Oldie“ (Alterchen), einer Zeitschrift für ältere Menschen, ausrichten, sie wolle nicht „Oldie of the Year“ werden: „Man ist nur so alt, wie man sich fühlt.“ Inzwischen spricht manches dafür, dass die Queen sich nicht mehr ganz so frisch fühlt wie früher. Ihren Geburtstag wird sie dementsprechend in Ruhe begehen. Gelassenheit kann sie sich gewiss leisten: Das Haus ist bestellt. Happy Birthday, Your Majesty.

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