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Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) besucht das Flüchtlingslager Schisto.

© Annette Riedl/dpa

Erneut illegale Pushbacks aufgedeckt: Baerbock fordert systematische Klärung von Vorwürfen gegen Frontex

Am ersten Tag ihrer Reise geht es vor allem um den Umgang mit Flüchtlingen an der EU-Außengrenze. Von Athen aus reist die Außenministerin morgen in die Türkei.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat in Griechenland die illegale Zurückweisung von Flüchtlingen an der EU-Außengrenze kritisiert und eine systematische Aufklärung gefordert. „Wenn wir da wegschauen, dann gehen unsere Werte im Mittelmeer unter“, sagte sie am Donnerstag nach einem Besuch eines Flüchtlingslagers nahe Athen und der Grenzschutzagentur Frontex am Hafen von Piräus.

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Auch an der EU-Außengrenze müssten die europäischen Werte gelten. „Es geht hier oft um die Schwächsten: Es geht um Männer und Frauen, die seit Jahren auf der Flucht sind, es geht um kleine Kinder“, betonte Baerbock.

Hilfsorganisationen kritisieren seit Jahren, dass griechische Grenzschützer Migranten systematisch zurück in die Türkei drängen, damit sie in Griechenland kein Asyl beantragen. Auch Medienberichte zu solchen sogenannten Pushbacks gibt es immer wieder, in denen auch Frontex eine Verwicklung vorgeworfen wird.

Pauschale Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Außengrenzen sind nach internationalem Recht illegal.

Baerbock fordert staatliche Lösungen

Baerbock warb aber auch für mehr Unterstützung Griechenlands bei der Sicherung der EU-Außengrenze und für eine gemeinsame europäische Seenotrettung, um Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu bewahren, die versuchen über das Mittelmeer nach Europa zu kommen.

Derzeit übernehmen Hilfsorganisationen diese Aufgabe. Baerbock forderte aber: „Mittelfristig muss diese Aufgabe wieder zu einer staatlichen Aufgabe werden.“

Laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR gelang seit Jahresbeginn rund 6250 Mensch der Grenzübertritt in Nordostgriechenland oder die Überfahrt per Boot von der türkischen Westküste zu den griechischen Inseln. Dabei gab es auch immer wieder Bootsunglücke und Tote. Athen und Ankara schieben sich für diesen Zustand gegenseitig die Schuld zu.

Zum Auftakt ihres Griechenland-Besuchs gedachte Baerbock der Opfer der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs. Die Grünen-Politikerin besuchte das ehemalige Gefängnis der NS-Kommandantur, in dem zwischen 1941 und 1944 Tausende Widerstandskämpfer und Zivilisten inhaftiert und gefoltert wurden. Anschließend legte sie Blumen am Athener Holocaust-Mahnmal nieder.

Griechenland fordert weiter Reparationszahlungen

Die Außenministerin betonte anschließend, dass nie ein „Schlussstrich“ unter die Nazi-Vergangenheit gezogen werden dürfe. Sie bekräftigte aber auch die deutsche Ablehnung griechischer Reparationsforderungen.

Die Bundesaußenministerin legt bei ihrem Besuch in Athen einen Blumenstrauß an ein Holocaust-Mahnmal.
Die Bundesaußenministerin legt bei ihrem Besuch in Athen einen Blumenstrauß an ein Holocaust-Mahnmal.

© AFP/ Louisa GOULIAMAKI

Griechenland macht wie auch Polen weiterhin Ansprüche auf Entschädigung geltend und fordert Verhandlungen darüber. Deutschland hält das Thema dagegen für abgeschlossen und beruft sich dabei auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Folgen der deutschen Wiedervereinigung von 1990.

Die Bundesaußenministerin sieht für solche Forderungen allerdings keine Rechtsgrundlage. „Bei der Frage mit Blick auf Entschädigungszahlungen aus dem Zweiten Weltkrieg sind wir offensichtlich unterschiedlicher Meinung“, sagt Baerbock in Athen. Sie wolle mit der griechischen Regierung darüber reden, „wie wir aus unserer gemeinsamen Geschichte eine gemeinsame Zukunft noch besser bauen können“.

Am Freitag wird Baerbock in Athen ihre Gespräche mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis und Außenminister Nikos Dendias in Athen führen. Anschließend reist sie in die Türkei weiter.

Die griechische Zeitung „Ta Nea“ warf vor dem Besuch die Frage auf, ob Baerbock in der Reparations-Frage „zurückgerudert" sei, weil sie inzwischen von der Opposition in die Regierung gewechselt sei.

Denn noch im vergangenen Jahr hatte die Grünen-Bundestagsfraktion inklusive Baerbock in einem Antrag gefordert, den griechischen Forderungen „künftig nicht mehr nur mit lautem Schweigen und Zurückweisung“ zu begegnen. Ganz konkret forderten die Grünen damals einen „neuen Umgang“ mit der Athener Forderung nach Rückzahlung der sogenannten Zwangsanleihe.

Nächster Stopp ist Ankara

Der Doppelbesuch bei den beiden Nato-Partnern sei ihr gerade in diesen schwierigen Zeiten wichtig, in denen Russland versuche, das westliche Bündnis zu spalten, sagte die Grünen-Politikerin in einem Interview der Zeitung Ta Nea. „Nie kam es mehr auf den Zusammenhalt zwischen Nato-Verbündeten und europäischen Partnern an.“

Die Beziehungen der Nato-Mitglieder Griechenland und Türkei hatten sich zuletzt wieder massiv verschlechtert. Ankara stellt die Souveränität griechischer Inseln in der östlichen Ägäis wie Rhodos, Samos und Kos in Frage und fordert den Abzug des griechischen Militärs.

Den Forderungen verleiht die Türkei mit Überflügen türkischer Kampfjets über bewohnte griechische Inseln Nachdruck. Griechenland rechtfertigt die Truppenstationierung mit der Präsenz zahlreicher Landungsboote an der türkischen Westküste. Ungelöst bleibt zudem ein Streit um Erdgas unter dem Meeresboden, in den auch Zypern verwickelt ist. (dpa)

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