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WDR-Intendant und amtierender ARD-Vorsitzender.

© Foto: dpa/Henning Kaiser

Update

„Schmerzhafte Einschnitte in Kauf nehmen“: Tom Buhrow bringt Fusion von ARD und ZDF ins Gespräch

Der ARD-Chef spricht sich für eine Reformdebatte ohne Tabus aus und setzt seinen ZDF-Kollegen Norbert Himmler unter Druck. 

Für den Donnerstagmittag hatte ZDF-Intendant Norbert Himmler zum Pressegespräch geladen. Es war die erste Runde dieser Art, nachdem der ehemalige Programmchef des Zweiten Deutschen Fernsehens im März dieses Jahres seinem Vorgänger Thomas Bellut im Amt folgte. „Ein ZDF für alle“, das hatte Himmler als Ziel für seine Intendanz ausgegeben.

Dass wenige Monate später, ausgelöst durch die Affäre RBB, eine Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt ausbrechen würde, war in der Form und Schärfe nicht absehbar.

Genau in diesem Kontext stand die Rede, die Tom Buhrow am Vorabend von Himmlers Zwischenbilanz vor dem Hamburger Übersee-Club gehalten hat. Buhrow betonte, dass er hier nicht als ARD-Vorsitzender oder WDR-Intendant, sondern als Privatmann spreche. Doch weder war er als solcher eingeladen worden noch erschien nach 37 Jahren in Diensten eines ARD-Senders eine solche Unterscheidung sinnvoll.

„Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Runden Tisch“, warb Tom Buhrow für eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deutschland werde in 20 Jahren nicht mehr alle öffentlich-rechtlichen Sender finanzieren wollen. „Wenn wir jetzt nicht verantwortungsvoll und ehrlich einen Neuanfang machen, wird es schlimmstenfalls keinen Neuanfang geben“, warnte Buhrow und fragte, ob ARD und ZDF auf Dauer nebeneinander bestehen bleiben können.

ZDF kündigt Umschichtung von 100 Millionen Euro an

Norbert Himmler dürfte mit einer anderen Agenda zum Pressegespräch nach Berlin gereist sein. Um auch jene Zielgruppen unter den jüngeren und sozial schwächeren Zuschauern besser zu erreichen, kündigte er eine „dauerhafte Umschichtung“ des Budgets in Höhe von 100 Millionen Euro an – ohne Anmeldung eines Mehrbedarfs bei der KEF.

Weniger Geld für das Hauptprogramm, mehr Mittel für die Digitalkanäle und die Mediathek, darauf läuft es hinaus. Der Prozess soll bis 2025 laufen. Zudem will Himmler das Korrespondentennetz ausbauen und auch der Bereich Investigation soll gestärkt werden.

Doch diese Punkte musste Himmler zunächst zurückstellen, um sich mit den Äußerungen von „Privatmann“ Buhrow auseinanderzusetzen. „Wir beim ZDF sind offen und bereit für eine grundsätzliche Debatte und scheuen keinen Vergleich der Systeme“, sagte Himmler. „Als nationaler und zentral organisierten Sender ist das ZDF gut und effizient aufgestellt, dabei aber auch immer lern- und veränderungsfähig.“

Das ZDF hat bewiesen, dass man Reformen erfolgreich umsetzen kann.

ZDF-Intendant Norbert Himmler

Die Debatte über Auftrag und Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei wichtig, er teile aber nicht Buhrows Skepsis hinsichtlich der Reformfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Ganzes. „Das ZDF hat in den letzten Jahren bewiesen, dass man Reformen erfolgreich umsetzen kann“, sagte Himmler mit Verweis auf ZDFneo und ZDFinfo, die ZDF-Mediathek und ZDFkultur. Letzteres ist inzwischen eine reine Online-Plattform.

Der ZDF-Intendant nimmt zugleich die Medienpolitik als beweglicher wahr als sein Amtskollege von der ARD. So sei die Initiative zur Gründung des gemeinsamen ARD-ZDF-Jugendangebots Funk aus den Ländern gekommen. Auch der Medienänderungsstaatsvertrag, der ARD und ZDF die Möglichkeit einer flexibleren und eigenverantwortlichen Entwicklung gibt und die Rolle der Kontrollgremien stärkt, spreche dafür.

Von dort kam Himmler zum zentralen Punkt: „Zur Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört bisher aber auch in Zukunft der publizistische Wettbewerb von ARD und ZDF“, erteilte der ZDF-Chef möglichen Fusionsüberlegungen der beiden öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäusern eine Absage.

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Auf die Vorgänge in RBB und NDR ging Himmler nicht im Einzelnen ein, sondern betonte vielmehr: „Die wichtigste Währung, die wir als ZDF haben, ist Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Genau diese beiden Dinge dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Und an dieser Stelle hat es tatsächlich auch Schäden gegeben.“

Himmler verwies auf das weitreichende Regelwerk des ZDF, das nicht zuletzt durch die Causa Brender vorangetrieben worden sei. Der ZDF-Staatsvertrag sei danach modernisiert worden. Zudem habe er als neuer ZDF-Intendant noch vor der Affäre um RBB-Intendantin Schlesinger ein Compliance-Management-System installiert, „das die vielen guten Regeln noch einmal verknüpft“ habe.

Buhrow hatte am Mittwoch eine „Art verfassungsgebende Versammlung“ vorgeschlagen, der einen „neuen Gesellschaftsvertrag“ ausarbeiten soll. Dabei dürfe es keine Tabus und Denkverbote geben. Das Ziel sei „Verlässlichkeit und Sicherheit für mindestens eine Generation.“

Als Hemmnis für Reformen sah der Intendant die aus seiner Sicht berechtigten Standortinteressen der Bundesländer. Jede einzelne Staatskanzlei finde genau zwei Sender gut: das ZDF, in dessen Aufsichtsgremien jede Landesregierung vertreten ist, und die eigene Landesrundfunkanstalt aus der ARD.

Kakophonie der gereizten Äußerungen.

ARD-Chef Tom Buhrow über das „Klein-Klein“ zwischen Ländern und Sendern.

Im „Klein-Klein zwischen Ländern und Sendern“ seien die großen Fragen nicht zu lösen, lautete Buhrows Fazit. In „der Kakophonie der gereizten Äußerungen“ sprächen zwar viele von Reform, aber fast alle meinten eigentlich Teil-Reform. Aus Sicht des ARD-Vorsitzenden reicht das aber nicht aus.

Weitere Sparrunden sind nach Buhrows Ansicht hingegen nicht die Lösung. „Wer den Rundfunkbeitrag wirklich senken will, der muss auch schmerzhafte Einschnitte in Kauf nehmen“, argumentiert er mit Blick auf das Programm der Sender.

Unterdessen haben alle Länderchefs die Änderung des neuen Medienstaatsvertrags über die Reform von Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterzeichnet, wie die Deutsche Presse-Agentur von der für Medienpolitik federführende Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz erfuhr. Nun müssen noch alle Länderparlamente Ja sagen, damit der Vertrag zum 1. Juli 2023 in Kraft treten kann.

Durch die Novellierung erhalten die Sender mehr Flexibilität. Sie können eigenständiger entscheiden, ob sie Spartenkanäle wie zum Beispiel One oder ZDFneo weiterhin als fortlaufendes Programm im TV anbieten wollen oder ob die Angebote mit Blick auf das Nutzerverhalten stärker ins Netz wandern sollten. Zudem soll die Arbeit der Kontrollgremien in den beitragsfinanzierten Häusern von ARD, ZDF und Deutschlandradio gestärkt werden. Über die zukünftige Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen soll in einem zweiten Schritt entschieden werden. (mit epd/dpa)

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