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Peaches und Finna im "Stay live"-Gespräch.

© Anne Wilk/ZDF

Neue ZDF-Kultur-Reihe „Stay live“: Konzerte und Interviews aus geschlossenen Clubs

Musiker*innen wie Peaches, Finna, Joy Denalane und Ilgen-Nur treffen sich bei „Stay live“ im SO 36 zum Reden und Musikmachen.

Nur eine Handvoll Leute waren in den Club gekommen, um Peaches bei einem ihrer ersten Auftritte in Toronto zu sehen. Sie spielte im Vorprogramm einer befreundeten Folkmusikerin. Während der Show ließ eine Technikerin ein Band mitlaufen und verkaufte es Peaches anschließend für fünf kanadische Dollar.

Als im September 2000 das Debüt-Album „The Teaches Of Peaches“ beim Berliner Label Kitty-Yo erschien, stammte das Eröffnungsstück „Fuck The Pain Away“ von genau dieser Kassette. Peaches erzählt die Geschichte ihres ersten Hits in einem mit Graffitis und Kritzeleien übersäten Backstage-Raum des Berliner SO 36. Neben ihr auf dem Sofa hört die Hamburger Rapperin Finna begeistert zu.

Sie selbst hat noch nicht viele Lieder aufgenommen und fragt die Kollegin, woher sie damals das Selbstbewusstsein hatte, alles allein zu machen. „Ich war einfach sehr fokussiert“, erinnert sich die 54-jährige Kanadierin, die schon lange in Berlin lebt. Und: „Wenn du einen guten Song hast, macht es nichts, wenn die Hi-Hat zu laut ist oder ähnliches, es kommt nur auf den Vibe an“. Eine echte Ermutigung für Finna, die nickt und zustimmt.

Star interviewt Newcomer

Zu sehen ist das Gespräch der beiden in der neuen ZDF-Kultur-Reihe „Stay live“, die ab dem 18. März online abrufbar ist. Sie bringt junge Musiker*innen mit erfahrenen Kolleg*innen in derzeit geschlossenen Clubs wie dem SO 36 in Berlin, dem Uebel & Gefährlich in Hamburg und dem UT Connewitz in Leipzig zusammen. Es geht unter anderem um Vorbilder, Erfahrungen beim Live-Spielen und den Umgang mit der Pandemie. Finna konnte im Februar 2020 noch einige Konzerte spielen, doch die Festivals, die sie erstmals angefragt bei ihr hatten, fielen aus.

Dafür kann sie nun bei „Stay live“ einige ihrer Lieder spielen. Zusammen mit Beatmaker Spoke steht sie mitten auf der Tanzfläche des SO 36, die von Scheinwerfer-Reihen und Glühlampenleisten eingerahmt ist. Das wirkt zunächst ein wenig verloren, aber sobald Finna ihre Reime abfeuert und ihre Refrains singt, zieht sie schnell in ihren Bann. „Nickt der Kopf schon im Beat? Nickt der Kopf schon im Beat?“, fragt sie in ihrem Eröffnungssong „Musik ist Politik“. Der Kopf von Peaches, die ein paar Meter entfernt steht, gibt eine eindeutige Antwort.

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Etwas voller wird es im SO 36 als die Berliner Musikerin Sofia Portanet mit ihrer vierköpfigen Band bei „Stay live“ zu Gast ist. Im blau-türkisen Scheinwerferlicht spielen sie Songs wie „Freier Geist“ und „Wanderratte“ von Portanets Debütalbum, das im vergangenen Sommer erschienen ist. Auf Tour gehen konnte die in Paris aufgewachsene und heute in Neukölln lebende Musikerin damit nicht, aber die TV-Bilder machen sofort Lust, ihren von New Wave und Neuer Deutscher Welle beeinflussten Sound einmal live zu erleben.

Passend zum Achtziger-Vibe ihrer Musik hat das ZDF ihr Inga Humpe zur Seite gestellt, die damals in Gruppen wie den Neonbabies, DÖF oder Humpe und Humpe aktiv war. Sie erinnert sich an einen Auftritt im SO 36, bei dem die Neonbabies mit Dosen und Flaschen beworfen wurden. „Die Mischung aus Wut und Spaß war sehr prägend für die Zeit“, sagt die 1954 in Hagen geborene Sängerin. Seit 20 Jahren bildet sie zusammen mit Tommi Eckart das Elektropop-Duo 2raumwohnung.

Dessen Hit „Sexy Girl“ covern die 31-jährige Portanet und ihre Band in einer leicht rockigen Version plus englischem Background-Gesang – und setzen ihn mit abgespeckter Instrumentierung zusammen mit Inga Humpe in einem anderen Raum fort. Das funktioniert gut und scheint Humpe zu gefallen. In einer nahe gelegenen Bar plaudern die beiden weiter.

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Man hört ihnen gern zu, genau wie den Berliner Musikerinnen Ilgen-Nur und Joy Denalane, die ebenfalls in einer Bar und im SO 36 zusammentreffen. Die beiden kennen sich schon von einem „Rolling Stone“-Interview aus dem letzten Sommer, in dem es unter anderem um die Frage der Repräsentation von PoCs in der Popbranche ging.

Politisches sparen die beiden diesmal aus und konzentrieren sich weitgehend auf Musikalisches. Ilgen-Nur erklärt etwa, dass neue Songs „wie so ein Vögelchen“ zu ihr geflogen kommen. Dann müsse sie schnell die Gitarre holen oder eine Handynotiz machen, um die Idee festzuhalten.

Ilgen-Nur (links) und Joy Denalane spielen gemeinsam im SO36.
Ilgen-Nur (links) und Joy Denalane spielen gemeinsam im SO36.

© Svea Pietschmann/ZDF

Das Debütalbum der 25-Jährigen heißt „Power Nap“ und erschien schon im Sommer 2019. Sogar eine Tour konnte sie noch abschließen. „Ich hatte mega viel Glück“, sagt Ilgen-Nur, die im Lockdown-Jahr lange Phasen des Nichtstuns einlegte. Dass sie nichts verlernt hat, zeigt sie beim Show-Gig im SO 36. Begleitet von einer dreiköpfigen Band spielt sie Songs wie „Soft Chair“, „Silver Future“ oder „In My Head“, die bei aller verhallt-verträumter Indie-Pop-Sanftheit eine große Eindringlichkeit entwickeln. Oder wie Joy Denalane über die Stimme ihre Kollegin sagt: „unaufgeregt und bestimmt zugleich“.

Zum Abschluss der Sendung spielen sie gemeinsam den Song „Be Here In The Morning“ von Joy Denalanes tollem Motown-Album „Let Yourself Be Loved“  wobei Ilgen-Nur die Parts von Gastsänger C.S. Armstrong übernimmt. Dass sie etwas schüchtern zu Werke geht, gleich Denalane mit ihrer Power aus – und gibt damit einen viel versprechenden Vorgeschmack auf die ersten Konzerte zum Album, die ab September geplant sind. Dann gäbe es auch endlich wieder Applaus. Der fehlt nämlich auch beim schönen „Stay live“-Format schmerzlich.

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