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Von wegen diskret: Marlene Dietrich 1939 am Felsenstrand von Cap d’Antibes.

© Arte

Mythos Côte d’Azur: Die V.I.P.-Schaukel

Edle Hotels, Jachten, Prachtvillen: Eine Arte-Dokumentation zum Mythos Côte d’Azur lässt Sehnsucht aufkommen.

Irgendwann begann es, dass „die Côte“ mehr war als nur ein Küstenabschnitt, der im Osten hinter dem Fürstentum Monaco und im Westen hinter dem Fischerdorf Saint-Tropez endet. Irgendwann wurde die südfranzösische Mittelmeerküste zu der Küste schlechthin, zu einem place to be, Hotspot des internationalen Jetset. Wie es dazu kam, erzählt die Dokumentation „Mythos Côte d’Azur“ von Hannes Schuler und Irina von Gagern.

In den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg beginnen die Menschen, an diesem Küstenstreifen nach Erholung, Ablenkung und dem einen oder anderen Flirt zu suchen. Hier kommt man her, um bei lauer Luft zu überwintern. 1923 findet die erste Sommersaison an der Côte statt. Intellektuelle, Künstler, Schauspielerinnen und die oberen Zehntausend entdecken die blaue Küste für sich. Pablo Picasso lebt und arbeitet hier, die Orte Vallauris und Antibes mit dem direkt am Meer gelegenen Musée Picasso zeugen bis heute davon  („Mythos Côte d’Azur“, Donnerstag, Arte, 20 Uhr 15).

Unweit davon eröffnete das zwischen Antibes und Cannes auf einer Landzunge gelegene Hotel, das heute zu den besten der Welt gezählt wird, 1870 seine Pforten. 1964 segelt ein junges Liebespaar an der Küste entlang und entdeckt das Hotel du Cap-Eden-Roc vom Meer aus. Da sei die Übernachtung für sie noch viel zu teuer gewesen – nur fünf Jahre später kaufen sie dann gleich das ganze Hotel.

Bei dem Paar handelt es sich um Unternehmer Rudolf-August Oetker und seine Frau Maja. Die Côte d’Azur, sagt Maja Oetker einmal im weitläufigen Garten des Hotelanwesens, das heute von der Oetker Hotel Management geführt wird, sei ein Lebensgefühl, ein Lebensstil, der ein wunderbarer Gegensatz zu den doch wesentlich steiferen, disziplinierteren Deutschen sei.

In der dem Sujet angemessen luftig-leicht gehaltenen, sehr farbintensiven Dokumentation kommt neben Maja Oetker auch Yolande Blazeix Sella zu Wort, Enkelin des italienischen Hoteliers Antoine Sella, ehemaliger Besitzer des Luxushotels, dem es seinerzeit gelang, die High Society erstmals an das Cap d’Antibes zu locken.

Neben vielen anderen konnte hier König Edward VIII. 1936 diskret unterkommen, um mit seiner Geliebten Wallis Simpson ihre Liebe zu leben. Auch Marlene Dietrich lebte und liebte hier, etwa 1939, mit gleich mehreren parallel geführten Affären.

Vieles ist retro, vieles verloren

Ähnlich verhält es sich im benachbarten Monaco, wo bis in die frühen 1950er Jahre die Tapeten von den Wänden des Casinos herunterrollten. Da ging es dem Fürstentum, das nicht größer ist als der New Yorker Central Park, wirtschaftlich nicht gut.

Monte Carlo war alles andere als glamourös, bevor dank einer einzigen Person alles anders werden sollte. Im April 1956 wird eine Frau einheiraten, die Glanz in den Zwergstaat bringt, Investoren anlockt und Freunde aus Hollywood: Grace Kelly.

Die Lieblingsschauspielerin von Alfred Hitchcock, der im Sommer 1954 mit ihr und Cary Grant „Über den Dächern von Nizza“ drehte, verlässt Amerika, um im monegassischen Fürstenhaus Fürst Rainier zu heiraten. Begegnet sind sie sich erstmals 1955, als Grace für eine von der Zeitschrift „Paris Match“ eingefädelte Audienz am Hofe kurz von den Filmfestspielen in Cannes ins benachbarte Monaco gefahren wird.

Die halbstündige Audienz wird ihr Leben für immer verändern – und dem Fürstentum, am östlichsten Punkt der Côte d’Azur situiert, einen zuvor nie da gewesenen Glanz bescheren, von dem es letztlich noch bis heute zehrt. Ganz im Westen, in Saint-Tropez, erstrahlt eine andere Blondine über dem Fischerdorf und erweckt es aus dem Tiefschlaf: Brigitte Bardot.

Roger Vadim dreht hier Kinofilme mit ihr, Playboy Gunter Sachs, darauffolgender Ehemann für drei Jahre, jettet mit ihr durch die halbe Welt. Bis heute lebt „la Bardot“ in ihrer Villa bei Saint-Tropez.

Geschichten und Legenden ranken sich um die Côte d’Azur. Vieles ist retro, vieles verloren. Schöne, alte Villen werden umgebaut zu stylishen Luxus-Appartements. Brigitte Bardot hat sich dem Tierschutz gewidmet und wählt den Front National, im September 2022 jährt sich Grace Kellys viel zu früher Tod zum 40. Mal. Doch etwas ist in diesem Film zu spüren, das heute noch da zu sein scheint: dieses Lebensgefühl, der Lebensstil. Die Sehnsucht danach bleibt.

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