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Wie in Trumps Wohnzimmer zur Adventszeit: das Hochzeitsbild von Grace Kelly und Fürst Rainier.

© ZDF und dpa

Adels-Doku "Mythos Monaco": Wo bleibt das Riechsalz?

Im Glamourhaus: Mit „Mythos Monaco“ bedient das ZDF das Bedürfnis des Boulevards.

Wie das schon wieder losgeht. „Sie war Monacos Jahrhundertfürstin“, feiert Brad Pitts Stimme die große Grace Kelly im öffentlich-rechtlichen Regenbogenprogramm. Vom Hollywoodstar, fährt er dramatisch fort, „wird sie zur vielumjubelten Landesmutter“, (noch dramatischere Kunstpause) „die viel zu früh“, (noch mehr Geigen) „aus dem Leben scheidet“ (so richtig dramatische Kunstpause). Das Fürstentum, sagt sodann ein Experte mit hippem Vollbart, „fiel wie ein Kartenhaus“ in sich zusammen. „Doch ihre Enkel“, beruhigt Brad Pitt, „machen Monaco wieder zu einem Ort, auf den die Welt schaut“. Na ja – zumindest die des ZDF.

Denn dem bietet sich heute Abend mal wieder günstige Gelegenheit, tief im Urschleim des europäischen Hochadels zu knien: Die tödlich verunglückte Fürstin, standesgemäß umbenannt in Gracia Patricia, wäre demnächst 90 Jahre alt geworden – da frönt das Zweite zu gern seiner dienstäglichen Lieblingsbeschäftigung: Boulevard als Journalismus zu tarnen. „Mythos Monaco“ heißt die neueste Anbiederung der zuständigen Redaktion ans Wertesystem dynastischer Herrschaft, und schon ihr Untertitel „Das Erbe der Grace Kelly“ lässt wenig Zweifel daran, wie sie sich am schillernden Thema selbst berauscht. Ein Thema, das auch hier oft auf Hörensagen, Hintergrundrauschen und der beliebten Mimik-Interpretation basiert.

Als Journalismus getarnt

Beim „Sittenporträt dreier Generationen“, wie das ZDF seine dreiviertelstündige Doku nennt, zitieren Eingeweihte also schon mal „Freunde“, dass die letzten Jahre von Rainier und Grace „ihre besten waren“, oder lassen „traurige Gerüchte“ kursieren, Kellys Nachfolgerin Charlène habe „anscheinend nicht das perfekte Glück“ gefunden. Übrigens trotz „Traumhochzeit“, wie Eheschließungen in dieser traditionellen Weltanschauung nur heißen. Wenn die derart komplettierte Braut schwanger wird, „schenkt“ sie dem Vater darin dann „drei Kinder“, Todesfälle sind Folgen eines Fluchs und lebende Ausbrüche aus dem Käfig der Konventionen „Abstürze“, wie ihn Prinzessin Stephanie in den 80ern exerziert hat. Mit Babys von verschiedenen Vätern. Unehelich!

Von Beginn an geht es bei dieser Reise durch den geografisch zweitkleinsten, klatsch-presserechtlich drittgrößten Staat der Erde also um zweierlei: Schein und Schatten einer Erbmonarchie, die der Adelskenner Rolf Seelmann-Eggebert bis heute als „reines Glamourhaus“ abkanzelt, das ihn als einziges unter all den blaublütigen Glamourhäusern nie interessiert habe. Ein Boulevardkonstrukt eben, politisch irrelevant, aber glitzernd wie Trumps Wohnzimmer zur Adventszeit, also ein gefundenes Galadinner für ZDF-Autorin Anne Kauth – auch wenn sie die Hochzeit vom hoch verschuldeten Fürst Rainier mit der prestigeträchtigen Oscar-Preisträgerin Grace als das entlarvt, was es damals war: eine reine PR-Maßnahme.

Nachfrage sticht Angebot

Bei der Hochzeit 1956 nämlich, so erfahren wir in „Mythos Monaco“, war Europas Hochadel vollzählig abwesend, bei Grace Kellys Beerdigung 26 Jahre später hingegen zahlreich zugegen – auch dank tatkräftiger Hilfe der globalen Boulevardpresse, die genau das tat, was sich heute Abend wiederholt: Lifestyle, Glamour, Stars und Mode so aufzublasen, dass die Ingredienzen des Gossip-Journalismus irgendwann irgendwie bedeutsam wirken. Wenn der Begriff „Steuerparadies“ da ganze zwei Mal in Nebensätzen fällt und die Presse ebenso beiläufig mit dem rechtspopulistischen Kampfbegriff „Journaille“ bedacht wird, kann das ZDF daher noch so oft betonen, in Monte Carlo sei alles bloß Schall und Rauch – es hilft doch kräftig dabei mit, beides zu emittieren. Nachfrage sticht Angebot, das Fernsehen ist ein freier Markt. Jan Freitag

„ZDFzeit: Mythos Monaco“, ZDF, Dienstag, 20 Uhr 15

Jan Freitag

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