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Marcus Prinz von Anhalt, Kandidat der Sat-1-Reality-Show "Promis unter Palmen" muss die Villa verlassen. Der 54-Jährige hatte Frauen auf ihr Aussehen reduziert und war Dragqueen Katy Bähm schwulenfeindlich angegangen.

© dpa

Für Geld macht Sat 1 alles: Pfui, der Prinz ist ein Schwulenfeind

Sat 1 lässt in "Promis unter Palmen" einen Homophoben auftreten. Das ist Kalkül - und mehr als das. Ein Kommentar.

Die Show heißt "Promis unter Palmen - Für Geld mache ich alles!“. So könnte auch das Motto des ausstrahlenden Senders lauten: Für Geld macht Sat 1 alles. Der Privatsender hat kalkuliert auf Skandal gespielt, indem er sich nach Ausstrahlung der Premiere am Montag von einem Kandidaten distanzierte. „Marcus muss die Villa verlassen. Und das ist gut so“, kommentierte Sat 1 am Abend bei Twitter die Rauswahl von Marcus Prinz von Anhalt (54) durch seine Mitbewerber.

Bei „Promis unter Palmen“ geht es darum, dass Prominente in einer Villa in Thailand zusammen wohnen und gegeneinander antreten. Sie wählen nach und nach Bewohner raus. Die ganze Sendung ist längst fertig und wurde vor Wochen aufgezeichnet.

Prinz von Anhalt geht Dragqueen homophob an

Was geschah zum Start der zweiten Staffel? Kandidat Prinz von Anhalt, gelernter Metzger und gegen Geld von Frédéric Prinz von Anhalt adoptierter früherer Bordellbesitzer, hatte Frauen auf ihr Aussehen reduziert und war Dragqueen Katy Bähm, hinter der der Berliner Burak Bildik steckt, homophob angegangen. Unter anderem nannte er schwule Zärtlichkeiten „eklig“, benutzte schwulenfeindliche Schimpfwörter und würdigte gleichgeschlechtlichen Sex herab.

„Wir verstehen eure Entrüstung. Wir haben das lange diskutiert, aber es ist auch ein wichtiges Thema, das nicht verschwiegen werden darf - wie Katy selbst sagt“, rechtfertigte sich Sat 1 bei Twitter und zitierte Katy Bähm: „Wir brauchen diese Aufklärung auf dieser Welt. Deswegen ist es auch real, was hier passiert ist. Das ist das, was die Community Tag für Tag erlebt. Wenn es dafür sorgt, dass draußen ein klein bisschen eine bessere Welt herrscht, bin ich happy.“

Empörte Kritikerinnen und Kritiker

Die Kritikerinnen und Kritiker des Formats zeigten sich weniger happy. „Eine Eskalation von Ekelhaftigkeiten“ schrieb Kritikerin Anja Rützel bei „Spiegel Online“ Dienstagfrüh: „Der Sender Sat 1 zeigt zum Auftakt von „Promis unter Palmen“ homophobe Beleidigungen. Die Besetzung legt nahe, dass sie kalkuliert geschahen. Das ist indiskutabel und zerstört das Format unrettbar.“ Und „n-tv.de“ meinte: „Das ist die geduldete Entgleisung jeglicher Moral, der Abgesang auf alles, was gutes Trash-TV je ausmachte.“

Es steht außerhalb jeder Diskussion, dass Kandidat Marcus sich indiskutabel geäußert hat. Steht damit auch außerhalb jeder Diskussion, dass Sat 1 ihm mittels Ausstrahlung keine Bühne geben darf? Ein Homophober äußert sich im Privatfernsehen offen homophob. Der Sender weiß, die Show ist aufgezeichnet, es wird auf Empörung gespielt, die Empörung kommt, der Prinz von Anhalt wird aus dem Trash-TV rausgewählt. Ende gut, alles gut?

Rassismus in WDR-Sendung

Der Westdeutsche Rundfunk hatte sich Ende Januar mit der "Letzten Instanz" den veritablen Vorwurf des Rassismus zugezogen. Im März wurde mit einem Themenabend mit Diskussion und Dokumentation Wiedergutmachung versucht. Die Anstrengung litt darunter, dass Betroffene von ihren Rassismus-Erfahrungen berichteten und kein Rassist selbst seinen Rassismus äußerte. Rassismus ohne Rassismus, geht das? Geht Homophobie ohne Homophobe? Geht, aber die Wirkungskraft ist eine andere, meiner Ansicht nach ist sie geringer. Ein Beispiel: Mir ist lieber, wenn der AfD-Flügelmann Björn Höcke seinen Rechtsextremismus klar und deutlich in Kamera und Mikrofon äußert, als wenn einer erzählt, Björn Höcke habe Rechtsextremistisches geäußert. Direkte Rede ist adressierbar, der Redner wird erkannt, kann gestellt werden, die unmittelbare Auseinandersetzung kann stattfinden.

Trash im Trash-TV

Hat Sat 1 also richtig gehandelt? Ja und Nein. Der Privatsender wollte Trash im Trash-TV, er hat den Homophoben reden lassen, das hätte der Sender verhindern können. Die Dragqueen Katy Bähm fand den Prinzen-Auftritt in Ordnung, die Show habe nur gezeigt, was der Community Tag für Tag passiert. Obwohl solche Shows vom tagtäglichen Leben meilenweit entfernt sein wollen, hat der Alltag den Fernsehtag geprägt. Das Thema der Homophobie wurde sichtbar, hörbar, bekam Aufmerksamkeit.

Was trotzdem merkwürdig ist: Sat 1 würde, anders als der WDR, keine Sendung zu diesem Thema machen. Die Homophobie wurde benutzt, um "Promis unter Palmen" anzuschieben. Mehr Kalkül geht nicht, weswegen das Urteil nur so lauten kann: Für Geld macht Sat 1 alles, auch das Richtige im Falschen.

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