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Sachverstand zu wünschen: der RBB.

© IMAGO/Schöning

Der Fall Schlesinger und die Folgen: Aus der Traum

Was der RBB nicht wurde: Ein Vorzeigeprojekt für die faire und gleichberechtigte Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg.

Hansjürgen Rosenbauer war von 1991 bis 2003 Intendant des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg, der mit dem Sender Freies Berlin zum Rundfunk Berlin-Brandenburg fusioniert wurde.

Patricia Schlesinger hat vom hippen, Maßstäbe setzenden Metropolensender geträumt. Ihre Vorgängerin Dagmar Reim hatte durch ein hartes Sparprogramm den Weg dafür frei gemacht. Beide haben es nicht geschafft, das Publikum in Berlin und Brandenburg wirklich für den RBB zu gewinnen, ihn über „Abendschau“, „Brandenburg Aktuell“ oder die „Schicksalsjahre einer Stadt“ hinaus zu ihrem „Heimatsender“ zu machen.

Das persönliche Versagen von Patricia Schlesinger und ihrer Geschäftsleitung, aber auch Bequemlichkeit oder mangelnde Professionalität der aktuellen Gremien haben zu einem Desaster geführt, das jetzt alle beklagen. Auch die von den Fraktionen der Parlamente entsandten Politikerinnen und Politiker, genau wie die Vertreter der Rechtsaufsicht, der Staats- und Senatskanzlei, die an den Sitzungen von Rundfunk- und Verwaltungsrat teilnehmen dürfen, haben offenbar nicht genug hingeschaut oder kritisch nachgefragt. Auf jeden Fall fehlten ihnen die richtigen Informationen.

Das Ergebnis dieses Versagens trifft nicht nur die Beschäftigten des RBB – im Programm, in der Produktion, in der Verwaltung. Es trifft die gesamte ARD und das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch deshalb die große Aufregung unter den anderen Intendantinnen und Intendanten. Erneut und härter als bisher werden Fragen nach Doppelstrukturen, nach Vergütungen und Sonderleistungen, nach Mittelverschwendung, der Rolle von Tochterunternehmen, nach programmlicher und weltanschaulicher Vielfalt gestellt.

Im RBB hat eine von persönlicher Eitelkeit, möglicherweise auch von Selbstüberschätzung geprägte Chefetage den Sender in die Krise geführt. Die, die es besser wussten oder hätten wissen können, haben geschwiegen, mitgemacht – und ihre Boni kassiert. Die überzogene Distanzierung der ARD allerdings – und die Stigmatisierung des RBB – zeugen von Verunsicherung, von der Sorge vor kritischer Prüfung, von der Angst um den Status quo.

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Der RBB ist nicht das geworden, was er sein sollte: Ein Vorzeigeprojekt für die faire und gleichberechtigte Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg – auch ohne Länderfusion. Ganz im Gegenteil! Brandenburg fühlt sich seit Jahren zu Recht benachteiligt und die politische und kulturelle Strahlkraft der Hauptstadt schlägt sich zu wenig im Programm nieder. Im Gegensatz zum Hörfunk, dessen erfolgreiche Wellenstruktur noch von ORB und SFB vor der Fusion entwickelt wurde, ist das regionale Fernsehprogramm nicht nur beim Publikum weitgehend erfolglos, sondern häufig auch einfallslos.

Abschottung, Beratungsresistenz, Distanz zur Belegschaft

Die Konstruktion des gemeinsamen Senders für zwei Länder muss dringend umgebaut werden. Statt 2003 die wirtschaftlichen und personellen Strukturen der belächelten „schlanken Anstalt“ in Potsdam zu übernehmen, sich in der Rolle eines kleineren, aber erfolgreichen Senders wohlzufühen, setzten sich die Subventionsmentalität des alten Westberlin und die aus dem NDR übernommene Anspruchshaltung der Intendantin und ihrer vom NDR oder WDR kommenden Führungskräfte durch.

Eine Unternehmenskultur, die zu Abschottung, Beratungsresistenz und zunehmender Distanz zur Belegschaft führte, hat die jetzige Situation überhaupt erst entstehen lassen. Mögliche Vorteilsnahme und was der noch zu klärenden Vorwürfe mehr sind, waren nur der Auslöser. Patricia Schlesinger wollte in der ARD Vorreiterin sein: bei der digitalen Programmherstellung, bei einem neuen Vergütungsmodell. Sie wollte den Sender groß machen: Durch die Übernahme des ARD/ZDF-„Mittagsmagazins“, durch einen architektonisch auffallenden, aber wirtschaftlich problematischen Neubau und eben auch als ARD-Vorsitzende. Die Sache ging schief!

Der Sender für Berlin und Brandenburg braucht einen Neustart, bei dem die Fehler und Leerstellen des bisherigen Staatsvertrages beseitigt werden. Das kann, wenn sich Brandenburg weiterhin zu wenig repräsentiert fühlt, so weit gehen, dass der neue RBB sich am Beispiel der Mehrländeranstalt im Südwesten, dem Südwestrundfunk orientieren muss. Dass es Landesfunkhäuser in Berlin und Potsdam mit eigenen Gremien und Direktionen gibt, die für das jeweilige Land, seine Vielfalt und in Abstimmung für die verschiedenen gemeinsamen Ressorts zuständig sind.

Es würde bedeuten, dass die Direktoren oder Direktorinnen im zweijährigen Turnus den RBB in der ARD und in den Gemeinschaftseinrichtungen vertreten. Der im Staatsvertrag festgeschriebene Doppelsitz der Intendanz, der in Wirklichkeit nie einer war, würde mit Leben gefüllt. Die jeweiligen Landesgremien müssten ihrerseits Vertreter in einen gemeinsamen Rundfunk- und Verwaltungsrat entsenden.

Der erneuerte RBB sollte sich als das begreifen, was er ist, ein mittlerer regionaler Sender mit großem Potenzial im ARD-Verbund. Ein Sender, der statt auf Prestigebauten auf überzeugendes Programm setzt. Der die Möglichkeiten der Hauptstadt nutzt und die weniger schicken Teile Berlins ebenso wenig vergisst wie die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Regionen Brandenburgs.

Ein Sender, dem bewusst ist, dass er exemplarisch für das vereinte Deutschland steht – mit Westberlin, Brandenburg und Ostberlin. Ein Sender, der nicht mehr sein will, als er auf Grund seiner finanziellen Möglichkeiten sein kann. Ein Sender, der sich im besonderen Maße der Information der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet fühlt, experimentierfreudig und offen für die Kreativen der Stadt und des Landes.

Allerdings müssten sie „schlank“ sein!

Die ARD ihrerseits sollte alles tun, um den RBB beim Neustart zu unterstützen. Überlegungen, wie es sie schon einmal gab, Brandenburg dem MDR oder dem NDR zuzuschlagen und Berlin zur Gemeinschaftseinrichtung zu machen, sind nicht nur realitätsfern, sondern auch gefährlich für den Zusammenhalt der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten insgesamt. Die Sender werden sich ohnehin fragen lassen müssen, ob nicht eine Konzentration auf ihren öffentlichen Auftrag dringender nötig ist, als über zusätzliche Programme und Verteilungswege zu diskutieren.

Dazu gehört auch die Überprüfung der Regionalprogramme, die ihren Informationsanspruch, die Förderung eines kritischen Journalismus und den Mut zu Experimenten, im Laufe der Jahrzehnte durch immer mehr Infotainment, Unterhaltungssendungen in Dauerwiederholung und das beliebige Nachspielen von fiktionalem Programm verwässert haben. Ein Vergleich der täglichen Programmangebote der Dritten ist ernüchternd.

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Je stärker die Programmangebote ins Internet verlagert, sie dort zuerst zugängig und dauerhaft abrufbar sind, je mehr die Mediatheken von ARD und ZDF vernetzt werden, desto naheliegender ist die Frage, ob tatsächlich zwei unabhängige nationale Programme nötig und finanzierbar bleiben? Ob es nicht vorrangig sein müsste, die Regionalsender im Sinne des Föderalismus und des demokratischen Dialogs zu stärken?

Auch wenn es schwer vorstellbar ist: Würde die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland heute neu entwickelt, wäre die naheliegende Lösung vermutlich ein einziges nationales Programm und starke, identitätsstiftende Regionalsender – vielleicht sogar einer für jedes Bundesland. Allerdings müssten sie „schlank“ sein!

Dem RBB ist für die nächsten Jahre eine Führung mit ausgewiesenem wirtschaftlichem und juristischem Sachverstand zu wünschen, die den Redaktionen den größtmöglichen Freiraum und den Zuschauerinnen und Zuschauern ein überzeugendes Programm garantiert.

Hansjürgen Rosenbauer

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