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Kolumne „Auf dem Schirm“.

© Gestaltung: TSP | iStockphoto, freepik

Hetzkampagne gegen Journalisten: Der geheime Plan der Verschwörungsfreaks

Was passiert, wenn sich eine Gruppe von Verschwörungsideologen und Aktivisten gegen einen Journalisten verschwört? Unser Autor hat das am eigenen Leib erfahren.

Eine Kolumne von Sebastian Leber

Nein, die Welt ist keine Scheibe. Die Mondlandung gab es, und Elvis ist wirklich tot. Dass das allermeiste Geraune über Verschwörungen Schrott ist, bedeutet jedoch nicht, dass es keine Verschwörungen gibt. Ich habe es selbst erlebt.

Kürzlich fragte das NDR-Magazin „Zapp“ bei mir an, ob ich denn wisse, dass eine Reihe bekannter Verschwörungsideologen und Hetzer im Geheimen eine koordinierte Kampagne geplant hätten, um mich und den Tagesspiegel zu diffamieren.

Ich wollte das erst nicht glauben. Doch es gibt ein Konvolut geleakter Mails, welches mir dann netterweise das Hackerkollektiv „Anonymous“ zur Verfügung stellte. Und siehe da: Die Rechercheure des NDR hatten recht.

Das Who’s who der deutschen Schwurblerszene, darunter Impfgegner, Putinfans, Holocaustverharmloser und notorische Israelhasser, hatte sich tatsächlich verabredet, zu einem bestimmten Zeitpunkt parallel Texte über mich zu veröffentlichen. Sie hatten sogar eine Dropbox eingerichtet, in der sie Informationen über mich zusammentrugen. Diese trug den Namen „Leberschaden“.

An der Planung beteiligt war etwa Wolfgang Jeschke von der berüchtigten Plattform „Rubikon“. Der schrieb seinen Kumpanen, er wolle eine „heitere ‚Zerstörung‘ des Sebastian Leber“ organisieren – den „Leber-Total-Schaden sozusagen“.

Das wird eine wunderbare Leberwoche!

Robert Cibis, Chef der Filmfirma „Ovalmedia“, über die Hetzpläne der Gruppe

Eingebunden waren auch Lena Lampe, die enge Vertraute von Ken Jebsen, sowie Robert Cibis, Chef der Berliner Filmfirma „Ovalmedia“, die seit 2020 üble Verschwörungssendungen überträgt. Cibis dankte seinen „Mitstreitern“ und freute sich auf eine „wunderbare Leberwoche“.

Wie obsessiv sich diese Leute an einem Nachnamen abarbeiten. Vor allem aber: Wenn die sich schon die Mühe machen, koordiniert gegen eine kleine Leuchte wie mich zu hetzen, gegen wie viele andere Journalist:innen in Deutschland liefen und laufen dann noch Diffamierungsaktionen?

Teilnehmer einer Querdenken-Demo in Dresden
Teilnehmer einer Querdenken-Demo in Dresden

© dpa/Sebastian Willnow

Man muss sich das mal vorstellen. Ausgerechnet diejenigen, die ständig vor sinistren Geheimplänen der Mächtigen sowie der bösen „Mainstreampresse“ warnen, hecken im Geheimen eine Hetzkampagne gegen einen Journalisten aus.

Robert Cibis schrieb den anderen, er sei „dankbar und glücklich, dass wir nun beweisen können, wie viel wir zusammen bewegen können.“ Einer machte sich die Mühe, meine Facebook-Posts zu durchwühlen und Bücher zu lesen, um belastendes Material zu finden.

Gleichzeitig wirkten sie leicht verpeilt: Der Esoteriker und selbsternannte „Wahrheitsforscher“ Erich Hambach hatte das Konzept wohl nicht ganz begriffen und erkundigte sich: „Lieber Robert, habe ich das richtig verstanden, dass wir in Deiner Sache bzw. Causa Leber alle gleichzeitig die gleichen Inhalte veröffentlichen?“ Nein, Erich, das wäre wohl zu auffällig gewesen.

Ich wurde mit Hitler verglichen

Die Artikel, die dann – teilweise unter Pseudonym – im Netz erschienen, strotzten vor Unwahrheiten und Boshaftigkeit. Ich wurde mit Adolf Hitler verglichen, man suggerierte, ich werde von ominösen Hintermännern gesteuert. Tenor: Der Tagesspiegel müsse mich endlich feuern.

Diffamierungsversuche ist man als Journalist mittlerweile gewohnt: Faxe an die Herausgeber, nächtliche Anrufe beim Spätdienst mit der Bitte, Artikel dieses unseriösen Lebers zu löschen. Hetze auf Telegram. Da ist es ein großes Glück, in einer so stabilen Redaktion arbeiten zu dürfen. So lief dann auch die Operation „Leberschaden“ ins Leere.

Bestürzt war ich besonders über einen Namen: Zum kleinen Kreis der Ausgewählten, die Kampagnendetails per Mail erhielten, gehörte auch Jürgen Mladek – der damalige Chef der Lokalzeitung „Nordkurier“, die mehrfach durch Nähe zur Querdenker-Bewegung aufgefallen ist.

Ich schrieb Mladek an. Der antwortete empört, er kenne mich gar nicht, die betreffenden Mails habe er erst jetzt in seinem Postfach gefunden und niemals eine davon geöffnet. Laut seines Terminkalenders könne er auch nicht bei dem Planungstreffen gewesen sein, in dem das genaue Vorgehen beschlossen wurde.

Weiter schreibt er, ich könne die „Recherchen in eigener Sache nicht mit der nötigen Unbefangenheit vornehmen“.

Kaum überrascht hat mich dagegen, dass sich Robert Cibis von „Ovalmedia“ an derartigem beteiligt. Der Mann hatte mich in einer Sendung auf Youtube bereits als „Scharfschützen“ bezeichnet – als einen, der das „Gefühl hat, er ist sicher“, sich da aber irre. Sein Gesprächspartner, der Verschwörungsideologe Dirk Pohlmann, sagte damals, es bestehe Handlungsbedarf. Der Tagesspiegel sei „zu schleifen“ und es sei wichtig, sich „den Scharfschützen zu schnappen“.

Nach außen hin stellt sich Robert Cibis als journalistisch unabhängigen Dokumentarfilmer dar, der zu Unrecht in die Schwurblerecke gestellt werde. Doch in internen Mails bezeichnet er Hetzer wie Reiner Fuellmich, Erich Hambach oder Anselm Lenz als seine „Mitstreiter“. 

Die Anfrage des Tagesspiegels, wie er auf den Begriff „Mitstreiter“ komme, beantwortet Robert Cibis nicht. Auch nicht die Frage, von wie vielen weiteren Kampagnen dieser Art er wisse und gegen welche Journalisten sich diese richten.

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