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Die MDMA-Droge „Blue Punisher“ auf einer Aufnahme vom 13. August 2022.

© picture alliance/KEYSTONE

Halbe Ecstasy-Pille reicht für Überdosis: Was man bislang über die tödliche „Blue Punisher“ weiß

Die „Blue Punisher“ ist mutmaßlich für den Tod zweier junger Mädchen verantwortlich. Was macht die Pille so gefährlich? Und wie reagieren die Behörden? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Zwei Todesfälle junger Mädchen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern beunruhigen gleichermaßen Politiker und Ermittler. Die Tode sollen in Zusammenhang mit chemischen Drogen stehen.

Eine besonders gefährliche und hochdosierte Ecstasy-Variante namens „Blue Punisher“ ist offenbar auf dem Vormarsch. Was macht die Pillen so gefährlich? Und welche Todesfälle werden bislang mit der Droge in Verbindung gebracht? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Was genau ist „Blue Punisher“?

Bei den blauen Pillen mit dem Namen „Blue Punisher“ (deutsch: „blauer Bestrafer“) handelt es sich um eine besonders starke Variante von Ecstasy. Diese rein synthetische Droge wird ohne natürliche Rohstoffe im Labor hergestellt. Wegen ihrer hohen Wirkstoffkonzentration kann laut Experten schon eine halbe Pille zu einer Überdosis führen.

„Blue Punisher“: Wie sehen die Pillen aus?

Pillen des Typs „Blue Punisher“ haben die Form eines Diamanten. Das auf der Tablette eingravierte Logo in Form eines Totenkopfes ist an das Emblem der Comic-Charakters „The Punisher“ von Marvel angelehnt. Wie der Name schon verrät, sind „Blue Punisher“ meist blau, allerdings sind mittlerweile auch schon lilafarbene „Punisher“-Pillen erhältlich.

Abbildung einer sichergestellten Ecstasy-Tablette vom Landeskriminalamt Niedersachsen.
Abbildung einer sichergestellten Ecstasy-Tablette vom Landeskriminalamt Niedersachsen.

© Landeskriminalamt Niedersachsen

Für gewöhnlich werden Ecstasy-Pillen mit einer kleinen Bruchrille versehen, sodass die Tabletten vor dem Konsum geteilt werden können. Das ist auch bei der „Blue Punisher“ der Fall.

Achtung: Experten warnen davor, dass Logo, Farbe, Gewicht und Größe von Ecstasy-Tabletten keinen Rückschluss auf die konkrete chemische Zusammensetzung geben können. Der Internetseite „Drugchecking Berlin“ zufolge bedarf es hierfür immer einer chemischen Analyse. „Identisch aussehende Tabletten können völlig unterschiedlich zusammengesetzt sein“, heißt es auf dem Informationsportal.

Welche Todesfälle sind bisher bekannt?

Am vergangenen Wochenende ist ein 15-jähriges Mädchen aus Rathenow im Krankenhaus gestorben. Die Ermittlungsbehörden vermuten, dass der Tod in Zusammenhang mit dem Konsum chemischer Drogen steht. Frühestens am Freitag rechnet die Staatsanwaltschaft in Potsdam mit dem vorläufigen Obduktionsergebnis.

Die Ermittler prüfen eigenen Angaben zufolge einen möglichen Zusammenhang mit einem Todesfall einer 13-Jährigen aus Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern. Das Mädchen war laut Polizei am Montag im Klinikum in Neubrandenburg gestorben. Sie hatte den Angaben zufolge die blaue Ecstasy-Pille „Blue Punisher“ eingenommen.

Zwei weitere Schülerinnen liegen nach dem Konsum vermutlich der gleichen Droge noch in Krankenhäusern. Eine davon ist eine 14-Jährige, sie wird derzeit in einem Krankenhaus in Neubrandenburg behandelt und befindet sich momentan auf der Intensivstation. Ihr Zustand soll sich stabilisieren.

Was macht diese Ecstasy-Pillen so gefährlich?

„Blue Punisher“ gehört in die Gruppe der Ecstasy-Pillen. Mit dem Sammelbegriff Ecstasy sind synthetische Drogen in Tabletten-, Pulver- oder in Kristallform gemeint, die ohne natürliche Rohstoffe im Labor hergestellt werden. Jede Ecstasy-Pille ist gefährlich.

Der in Ecstasy enthaltene Wirkstoff MDMA (Methylendioxymethamphetamin) führt zu Höhenflügen, Kontaktfreudigkeit und Verlust des Zeitgefühls. Das körpereigene Warnsystem wird ausgeschaltet. Beim Einsatz als Partydroge kann es bei langem Tanzen zu extremem Wasserverlust, Organschäden oder Kreislaufzusammenbruch kommen.

Tödliches Nierenversagen wurde als Folge einer Überdosierung ebenso beobachtet, wie tödliche Hirnblutungen. Die Droge kann zudem Psychosen und Wahnvorstellungen verursachen. Expertinnen und Experten weisen allerdings darauf hin, dass derlei Komplikationen auch beim Konsum anderer Drogen auftreten können und keine spezielle Begleiterscheinung für Ecstasy seien.

Dem Suchtexperten Gernot Rücker zufolge wirkt MDMA euphorisierend und kann den Blutdruck und den Kreislauf nach oben treiben und das Durst- und Hungergefühl stillen. In einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärte der Anästhesist, dass Ecstasy im Gegensatz zum Nervengift Alkohol „relativ harmlos“ sei, wenn man es richtig dosiere.

„Drogen sind immer gefährlich“, warnte der Schweriner Innenminister Christian Pegel (SPD). „Aktuell haben wir aber mehrere Fälle mit lebensbedrohlichem Verlauf feststellen müssen. Diese Ecstasy-Pillen sind ganz unmittelbar lebensgefährlich!“

Wieso dosieren die Hersteller die „Blue Punisher“-Pillen so hoch?

„Es gibt den Effekt, dass einige Pillen populär dadurch werden, dass sie besonders hoch dosiert sind”, sagt Lars Behrends vom “drugchecking” in Berlin. So würde es sich beispielsweise in der Partyszene schnell herumsprechen, wenn man statt zwei Pillen nur noch eine einzige für einen Abend beim Feiern braucht.

Zu hoch dosierte Pillen sind schließlich nicht für jeden gefährlich. Bei einigen Konsumierenden sorgen sie für den erhofften Rausch, während sie für andere tödlich sein können. Das hängt auch von Körperbau, Gewicht, Geschlecht und Alter ab.

Kann man seine Ecstasy-Pillen irgendwo testen lassen?

In Berlin können Konsumierende ihre Drogen neuerdings in drei verschiedenen Beratungsstellen anonym, legal und kostenlos testen lassen. Dazu gehören die Suchtberatungsstellen „Vista“ und „Fixpunkt“ sowie die Schwulenberatung Berlin.

Das Modellprojekt „Drugchecking“ existiert erst seit einigen Wochen. Trotzdem sind auf der Internetseite bereits zahlreiche Beispiele für überdosierte „Blue Punisher“-Pillen zu finden, die Konsumierende zum Testen vorbeibrachten.

Wir gehen davon aus, dass die Pille auch in Berlin stark verbreitet und verfügbar ist.

Thomas Luthman, Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e.V.

Der Totenkopf-Aufdruck der „Blue Punisher“ gehört zu den gängigsten „Brandings“ bei Ecstasy-Pillen, erklärt Lars Behrends von der Suchtberatungsstelle „Vista“, bei der man ebenfalls seit einigen Wochen seine Drogen testen lassen kann. Allerdings sei der Name der Pille nicht gleichbedeutend mit einer Überdosierung. Laut Behrends gäbe es dazu zu viele unterschiedliche Quellen und Chargen des blauen Dragees.

Das Berliner Modellprojekt richtet sich an Süchtige, die täglich konsumieren, aber zum Beispiel auch an Menschen, die nur am Wochenende Drogen nehmen. Die Analyse der Substanzen soll unter anderem Aufschluss darüber geben, ob die Drogen gegebenenfalls falsch deklariert, mit weiteren gefährlichen Stoffen verunreinigt oder besonders hochdosiert sind.

Und in anderen Bundesländern? Einem jüngsten Bericht des Portals „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ zufolge wollen Hessen und Baden-Württemberg künftig ebenfalls „Drugchecking“-Angebote einführen, nachdem Pilotprojekte aus Berlin und Thüringen als erfolgreich eingestuft wurden.

Kann man von einer akuten Schwemme von überdosierten „Blue Punisher“ ausgehen?

„Wir haben schon festgestellt, dass sich das gerade häuft. Auch gestern sind wieder Blue Punisher in die Sprechstunde gebracht worden. Es ist eben ein sehr gängiges Branding”, sagt Behrends. Gleichzeitig könne man eben nicht sagen, dass alle Blue Punisher sehr hoch dosiert seien oder „gefährlichere Stoffe enthalten als MDMA“.

Auch Thomas Luthman vom Berliner „Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e.V.“ erklärt, dass man aktuell nicht „seriös“ beurteilen könne, ob es gerade zu einer Schwemme der Pille kommt. Dem Notdienst liegen keine „validen Daten“ zur Verbreitung vor. Allerdings: „Wir gehen aber davon aus, dass die Pille auch in Berlin stark verbreitet und verfügbar ist”, sagt Luthmann.

Bereits seit längerem beobachte seine Institution, dass Ecstasy-Pillen in so hoher Dosierung vertrieben werden, dass sie für Konsumenten und Konsumentinnen ein „besonders hohes Gefährdungspotenzial bedeuten”.

„Blue Punisher“ in Berlin: Wie reagieren die Behörden?

In Berlin heißt es auf Anfrage aus der Senatsgesundheitsverwaltung, dass die Gefährlichkeit der „Blue Punisher“ sowohl der Behörde als auch der Landessuchtbeauftragten Heide Mutter bekannt sei. Valide Zahlen zur Verbreitung liegen jedoch nicht vor.

Ähnlich sieht es bei der Polizei aus. Aus der Pressestelle heißt es, man erhebe keine konkreten Zahlen zu unterschiedlichen Ecstasy-Pillen.

Fälle von „Blue Punisher”-Pillen, deren Einnahme in Berlin zum Tod oder schweren gesundheitlichen Problemen geführt haben, seien aktuell nicht bekannt. Auch in Brandenburg seien bis auf den Fall aus Rathenow keine weiteren Notfälle gemeldet worden, heißt es aus dem Polizeipräsidium in Potsdam. (mit Agenturen)

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