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Gegründet am 18. Oktober 1922: die British Broadcasting Corporation

© dpa / Foto: Christoph Meyer

Die BBC wird 100: Vergangenheit groß, Zukunft ungewiss

Die Mutter aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Vorbild für ARD und ZDF feiert Geburtstag.

Von Peter Nonnenmacher

An Glückwünschen aus aller Welt wird es „Auntie“ nicht fehlen, wenn sie an diesem Dienstag ihren Hundersten feiert. In diesen hundert Jahren hat sich die BBC – die British Broadcasting Corporation – einen Namen verschafft, der ihren Fans ein fester Begriff ist. Der öffentlich-rechtliche Sender des Vereinigten Königreichs gilt in vielen Ländern bis heute als das unerreichte Vorbild, als Quell vielbeneideter Programme, als der verlässlichste Nachrichtengeber von allen. Und ARD, ZDF und das Deutschlandradio sind eben nach diesem Vorbild gegründet, der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland folgt in Verfassung, Struktur und Programmauftrag der BBC.

Vertraut mit dem Schlag Big Bens

In der Heimat des Senders selbst wüsste man nicht, wie man ohne sie auskommen sollte – ohne den vertrauten Schlag Big Bens, ohne die zu einer Kunstform gewordenen politischen Interviews, ohne erhellende Analysen, ohne eigenproduzierte Filme und Dramen aller Art. Ohne all die Kultur-, Sport- und clever gestrickten Unterhaltungs-Sendungen, zu denen die Nation auch heute noch einträchtig Woche für Woche zusammenrückt. Nicht alle Briten würden sich natürlich in die Gratulations-Runde einreihen. Manchen ist die BBC zu links oder zu rechts, oder in ihrem Bemühen um Ausgewogenheit einfach zu übervorsichtig. Kommerziellen Rivalen ist sie zu einflussreich. Jüngere Leute bindet oft nicht mehr der gleiche Reflex an die Anstalt wie ältere Generationen.

Aber ob man an David Attenboroughs Natur-Programme denkt oder an „Strictly Come Dancing“, den gegenwärtig wieder ausgestrahlten Tanz-Jux mit Prominenten am Samstagabend: Die BBC bietet Dinge, die man in dieser Form anderswo nicht findet. Allein die allmorgentlichen drei Radiostunden des „Today“-Programms sind eine Art nationales Pflichtpensum geworden und geben wissbegierigen Zuhörern das Gefühl, rundum informiert zu sein.

Und bei den ganz großen „nationalen Anlässen“, wie jüngst den Trauerfeiern für Elizabeth II., ginge es eh nicht ohne die BBC, ohne ihren eingespielten Apparat, ohne ihr Organisationsvermögen. Lang erworbene Professionalität, ein beständig hohes Niveau, auch ein intelligentes Gespür für die Erfüllung von Wünschen aus dem Publikum gehört dazu.

Vor hundert Jahren, als alles anfing, war davon natürlich noch keine Rede. Ganz und gar unbeholfen, wie ein tastender Ruf ins All, nahm sich die erste BBC-Rundfunksendung vom 18. Oktober 1922 aus. Vom achten Stockwerk des Marconi-Gebäudes am Strand in London meldete sich einer der Gründer, Arthur Burrows, mit den Worten: „Hullo hullo. 2LO calling. 2LO calling. This is the British Broadcasting Company.“

2LO war der Name der Lizenz, mit der das Generalpostamt in London der BBC ihre Übertragung erlaubte. Nach der ersten Wortmeldung folgten Kurznachrichten der amtlich genehmigten Agentur Reuters und ein knapper Schiffahrtsbericht zur Wetterlage. Das Ganze verlas Burrows erst etwas schneller und dann noch einmal ganz langsam – damit sich die Hörer in aller Ruhe Notizen machen konnten, falls ihnen das wichtig war.

Fünf Jahre später, 1927, wurde die Company, nicht zuletzt auf Drängen ihres Generaldirektors John Reiths hin, in eine Corporation, in eine öffentlich-rechtliche Anstalt, umgewandelt. Seit damals war die BBC die British Broadcasting Corporation – finanziert über Gebühren, die die Besitzer von Rundfunkgeräten aufzubringen hatten. Von Reith kam die Losung, dass die BBC ihre Hörer „informieren, bilden und unterhalten“ müsse. Als „Instrument von fast unschätzbarer Bedeutung fürs soziale und politische Leben“ des Landes betrachtete Reith schon früh die BBC.

Als beim Generalstreik 1926 auch die Verlagshäuser bestreikt wurden und keine Zeitungen mehr erschienen, wurde die BBC für die Nachrichtengebung unerlässlich. Wohlwollend standen ihre Bosse den Streikenden zwar nicht gegenüber. Aber nach und nach verschaffte sich die Anstalt mit Berichten „von beiden Seiten“ Respekt. Schon damals lebte die BBC im Spannungsfeld zwischen Regierungsinteressen und mühsam erkämpfter Unabhängigkeit auf der Insel. Später dann, zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs, unterlag die BBC tatsächlich umfassender (und manchmal recht willkürlicher) Zensur durch Whitehall. Damals begriff man sich als Teil des „war effort“, der kollektiven Anstrengung im Krieg gegen Hitler-Deutschland.

Harte Interviews wie mit Schatzkanzler Jeremy Hunt sind BBC-Tradition

© dpa / Foto: Tayfun Salci

In den Jahren danach, zu Beginn der „neuen elizabethanischen Ära“, tauchten die ersten kommerziellen Konkurrenten in Form der durch Anzeigen finanzierten Anstalt ITV auf. Unabhängige Rundfunkanstalten folgten, während die BBC ihr eigenes Angebot, auf einer rasch wachsenden Zahl von Kanälen, von Jahr zu Jahr ausbaute, zur Freude des Publikums.

In den 80er und 90er Jahren, nach dem Einzug des Satelliten- und Kabelfernsehens, präsentierte sich die BBC, mit „rollenden Nachrichtensendungen“, ihrem Parlaments-Kanal, speziellen Kinder-Kanälen, Online-Angeboten und vielen anderen Innovationen, als elektronischer Riese im öffentlichen Dienst.

Zur Milleniumswende wurde erstmals deutlich, dass die Anstalt aus Kostengründen gezwungen sein würde abzuspecken, ihr Fernsehzentrum in West-London zu verkaufen und ihren Ehrgeiz generell herunter zu schrauben. Erste Sparprogramme wurden aufgestellt von der BBC-Intendanz.

Kürzungen im Etat

Wirklich einschneidend wurden die Kürzungen aber erst von 2010 an, als David Camerons Konservative an die Regierung kamen. Im Zuge ihrer Austeritäts-Politik und ihrer Begünstigung des kommerziellen Sektors fror Camerons Regierung die Rundfunkgebühren damals gleich mal auf sechs Jahre hin ein und bürdete der Anstalt noch andere Lasten auf.

Seither hat die BBC 30 Prozent ihrer Einnahmen und zahllose Mitarbeiter verloren. Weitere tiefe Einschnitte sind Anfang dieses Jahres bekannt gegeben werden. Jetzt gehe es „ans Eingemachte“, klagt der Sender. Ob die Anstalt ihre angestammte Qualität auch in kommenden Jahren wahren und sich gegenüber den Streaming-Giganten halten kann, weiß gegenwärtig niemand zu sagen. Unermüdlich prügeln Zeitungen wie Rupert Murdochs „Times“ auf die BBC ein und hoffen, sie zu einem Abonnements-Sender degradieren zu können. Tory-Hardliner hätten auch nichts dagegen, wenn die BBC ganz aufhörte, als öffentlich-rechtliches Medium zu existieren. Dabei ist natürlich auch der hundertjährigen „Auntie“ bewusst, dass technologische Umbrüche neue Lösungen erfordern. Ob die Rundfunkgebühr noch zeitgemäss ist, und womit sie ersetzt werden könnte, darüber wird auch in der BBC diskutiert.

Dass die Regierung aber immer weniger Interesse zeigt, der Anstalt eine Zukunft als die international bewunderte Institution zu sichern, die sie bis heute ist, irritiert alle, die stolz auf den Ruf der BBC und auf ihr Angebot sind und sein wollen. Die die BBC für einen unverzichtbaren Teil des britischen Lebens und der britischen Demokratie halten.

Leicht wird es der British Broadcasting Corporation mithin nicht fallen, die in sie gesetzten Erwartungen weiter zu erfüllen. Ihr runder Geburtstag markiert, bei allen schönen Worten, eine Zukunft auf ganz ungewissem Terrain.

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