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Arafat Abou-Chaker

© dpa/Sebastian Gollnow

Exklusiv

Berliner Clanmitglied als Autor: Die abgeschriebenen Passagen in Arafat Abou-Chakers Buch

Arafat Abou-Chaker hat ein Buch veröffentlicht. Kenntnisreich berichtet er darin über die Ziele des Quartiersmanagements und ein Tempelhofer Schulprojekt. Die Erklärung dafür überrascht.

Was kann schon schiefgehen, wenn Berlins bekanntestes Clanmitglied Arafat Abou-Chaker ein Buch veröffentlicht?

„Klartext“ heißt es, laut Eigenwerbung bricht der Mann, der nicht Clan-Chef genannt werden will, darin „sein Schweigen“. Das Werk kostet lediglich 42,80 Euro, kann über eine eigens eingerichtete Homepage geordert werden und habe eine „hohe Qualität“. Zu seinen Besonderheiten zählt offiziell auch: „Keinerlei Lügen!“

Ein paar Seiten sind bereits publik geworden. In ihnen berichtet Abou-Chaker unter anderem von seinen Kindheitsstationen in Berlin – inklusive ausführlicher Erläuterungen zu einzelnen Bildungsinstitutionen. So erfährt man etwa, Abou-Chaker habe die Peter-Petersen-Grundschule in Neukölln besucht.

Der Autor schreibt: „Die Grundformen des Lernens nach Peter Petersen – Arbeit, Gespräch, Spiel und Feier – strukturieren den Wochen- und den Jahresrhythmus.“ Schwerpunkte des Schulprofils seien „ökologische Erziehung, die Erziehung zur Demokratie und die Medienerziehung“.

Woher der Autor seine Formulierungen hat

Zudem betreibe die Schule auf dem Tempelhofer Feld ein besonderes Projekt: „Dort entstand ein Ort des Lernens und des Forschens. Der Container wurde vor mehr als 10 Jahren auf das Tempelhofer Feld geliefert und als Klassenzimmer von Eltern ausgebaut. Seitdem haben viele Schülerinnen und Schüler der Peter-Petersen-Schule dort gelernt, gespielt, gebastelt und gebaut.“

Leider hat sich der Autor all diese Formulierungen nicht selbst ausgedacht. Sie finden sich fast wortgleich auf der Homepage der betreffenden Schule.

Die Erklärung, Namensgeber Petersen sei „deutscher Reformpädagoge und Professor an der Universität Jena“ sowie „Begründer der sogenannten Jenaplan-Reformpädagogik“, habe außerdem den Begriff Frontalunterricht geprägt „für die Art des Klassenunterrichts, die er mit seinem Konzept infrage stellte“, stammt dagegen nicht von der Schulhomepage. Diese findet man auf Wikipedia.

42,80
Euro kostet das Buch „Klartext“ von Arafat Abou-Chaker.

Weiter erfährt der Leser des Buches, Abou-Chaker habe als Kind nachmittags im Kinder- und Jugendzentrum Lessinghöhe gespielt. Bei diesem handle es sich um „eine offene Freizeiteinrichtung des Bezirksamts Neukölln für junge Menschen zwischen 6 und 18 Jahren“, es gebe hier „verschiedene Workshops und Projektangebote in den Bereichen Sport, Musik, Kreativität, Medien und Kultur“. Und dann: „So vielfältig, wie der Rollbergkiez ist, so bunt sind auch die Angebote in der Lessinghöhe: Von Sportangeboten, Akrobatikkursen, über Veranstaltungen, Hausaufgabenbetreuung, Ausflüge bis zum Zeltlager im Sommer setzen die Mitarbeiter immer wieder neue Schwerpunkte und Angebote für die Teilnehmer aus dem Rollberg-Kiez.“

Auch diese Formulierungen stammen nicht aus der Feder Abou-Chakers, sondern finden sich fast wortgleich in einer Broschüre des Bezirksamts Neukölln. Wieder bloß ein blöder Zufall?

Als Azubi in der Monumentenstraße

Weiterhin schreibt der Autor, der Rollberg-Kiez sei seit 1999 Quartiersmanagement-Gebiet. Dessen Ziel sei es, die „negativen Folgen von gesellschaftlicher Benachteiligung zu stoppen, zu kompensieren und dieser entgegenzuwirken. Die Lebenslage der Bewohner soll verbessert werden. Das Gebiet und der soziale Zusammenhalt sollen gestärkt werden.“ Nachzulesen ist dies, man ahnt es, nicht allein in Abou-Chakers Buch, sondern auch auf der Homepage des Quartiersmanagements Rollbergsiedlung.

Für sein Kapitel über das Label „Aggro Berlin“ bediente sich der Autor bei einem Text von der Internetseite www.exploring-history.de, mischte noch Passagen eines Artikels von redbull.com dazu.

So etwa stellt man sich Seminararbeiten von Studenten aus den Nullerjahren vor, die damals noch nicht ahnten, dass ihre Dozenten auch googeln können.

Zwischen den vielen geborgten Sätzen finden sich aber auch solche, die ganz sicher vom Autor selbst stammen. Zum Beispiel die über seine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker in der Schöneberger Monumentenstraße. Da heißt es: „Ich durfte als einziger Azubi im Betrieb die Luxus-Karossen reparieren und auch fahren. Mir wurde als einzigem Auszubildenden die Verantwortung übertragen, da sie wussten, dass ich die Weitsicht habe und mit diesen edlen Fahrzeugen umgehen kann.“

Er bediente sich beim Bezirksamt, Red Bull und der „Morgenpost“

Einen Schwerpunkt des Buchs bilden diverse strafrechtlich relevante Vorwürfe, die Abou-Chaker seinem einstigen Geschäftspartner Bushido macht. Ausführlich geht es auch um den Gerichtsprozess, der im Februar nach dreieinhalb Jahren mit einem weitgehenden Freispruch für ihn endete.

In diesem Buchkapitel bedient sich der Autor ebenfalls großzügig bei fremden Quellen, vergisst aber jeweils wohl, den wahren Urheber zu nennen.

Der folgende Absatz über die Aussage des Zeugen Danny Bokelmann etwa findet sich fast wortgleich in einem Artikel der „Berliner Morgenpost“ aus dem Jahr 2022: „Arafat habe sich nie an Bushido bereichern wollen. Beide seien gleichberechtigte Partner gewesen. Unterdrückt oder zu Dingen und Unterschriften gezwungen habe der Manager den Rapper nie. Vertraglich sei festgehalten worden, dass Arafat 30 Prozent aller Einnahmen erhält, die Bushido als Künstler macht, und 50 Prozent aus den Einnahmen der Fremdkünstler des Labels. Dass Arafat Abou-Chaker am 18. Januar 2018 gegenüber Bushido gewalttätig wurde, glaube er nicht, sagte Bokelmann. „Und ich habe den Eindruck, dass es Arafat stört, dass solche Geschichten in die Welt gesetzt werden.“

Genauso die folgende Passage, wobei die einzige Eigenleistung des Buchautors darin bestand, die beiden Wörter „jedoch“ und „eigenen“ in den Absatz einzufügen: „Der oft als Clanchef titulierte Arafat sei für Bushido jedoch in Wirklichkeit Mentor, Beschützer und großer Bruder gewesen – ein ,Imagegeber’. Denn das, wovon Bushido rappt, sei nie Teil seiner eigenen Realität gewesen. ,Er brauchte Arafat für seine Attitüde.’ Denn zum Gangsterrap würden Personen gehören, ,die sich zu kriminellen Taten hinreißen lassen’. Vor diesem Hintergrund sei Abou-Chaker sein Geld absolut wert gewesen.“

Nach seinen Angaben hat Abou-Chaker das Buch nicht allein verfasst, sondern gemeinsam mit einem Autor, der von ihm „Herr Gabriel“ genannt wird und in der Nähe seines Wohnorts im brandenburgischen Kleinmachnow lebe. Dies gab Abou-Chaker kürzlich in einem Interview mit einem ihm wohlgesonnenen Youtuber bekannt.

Im Interview spricht er auch ausführlich über den kürzlich beendeten Gerichtsprozess. Unter anderem geht es um das Phänomen, dass sich viele Zeugen, die eigentlich gegen ihn aussagen sollten, vor Gericht plötzlich an nichts mehr erinnern konnten.

Wie kam es wohl zu diesem auffälligen Gedächtnisschwund? „Viele dachten: Die haben Angst vor mir“, sagt Abou-Chaker heute. Doch nein, dies sei nicht der Grund gewesen. In Wahrheit hätten diese Zeugen sich vor Gericht nicht mehr erinnern können, „weil sie ihren eigenen Scheiß nicht zur Erscheinung bringen wollen“.

Was dieser Satz annähernd bedeuten soll, erklärt Abou-Chaker nicht. Der ihm wohl gesonnene Youtuber kommt auch nicht auf die Idee, wenigstens einmal nachzufragen.

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