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Djamila Rowe und Cosimo Citiolo treten an Tag 4 der RTL-Show „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ zur Schatzsuche „Bee Careful“ an.

© dpa / Stefan Thoyah

Babylon Aline: Reality-TV bites! Auch Djamila unter den Opfern

Unsere Autorin hat für Sie zum ersten Mal das Dschungelcamp gesehen. Und immerhin: Die Frauenquote hat sie begeistert!

Eine Kolumne von Aline von Drateln

Ein Grund, warum das „Dschungelcamp“ funktioniert, ist natürlich der Sendetermin. Draußen ist es kalt, drinnen ist es warm. Im Januar sind Berlin und ich eigentlich nur noch wegen der Kinder zusammen.

Downunder ist es unterdessen heiß, und das kann man sehen. Australiens Klima ist nicht nur für die Einschaltquote von Vorteil, sondern auch für die Frauenquote: Bei Bikini-Wetter ist Parität plötzlich nicht weit. Von den zwölf Kandidaten sind in diesem Jahr sogar sieben Frauen. So viel Geschlechtergleichberechtigung kriegt nicht mal der Bundeskanzler hin.

Die siebte Frau im Dschungel heißt Djamila Rowe. 2002 nannten einige Medien sie ungestraft „Botschafter-Luder“. Obwohl, eine Zeitung musste deshalb Strafe zahlen – allerdings nicht an Rowe. Sondern an den Schweizer Botschafter, dem man unter dem Titel „Borer und die nackte Frau“ eine Affäre mit ihr angedichtet hatte.

Mehr als eine Million Schweizer Franken Schmerzensgeld bekam er dafür vom Verlag. Die nackte Frau hatte eine Mitarbeiterin vom „SonntagsBlick“ zuvor mit 10.000 Euro Honorar als Komplizin für die Lügengeschichte gekauft. Selbst als Täterin war Djamila Rowe eine Verliererin. Und ein Mann im Anzug am Ende der Gewinner. Borer ging in den Ruhestand, die Journalistin ging zu Bild. Nur Rowe blieb, wo sie schon immer war: ganz unten.

Missbraucht wurde Djamila Rowe schon früh. Zuerst vom Freund ihrer Mutter. Dann von ihren Großeltern, bei denen sie untergebracht wurde. Mit 14 kam sie in eine Pflegefamilie. Der ersten von fünf. Durchgereicht wie später von der Klatschpresse. Jetzt entblößt sie sich also im Dschungel, um den TV-Zuschauern mit ihrem entstellten Gesicht einen warmen-wohligen Schauer über den Rücken zu jagen. Und sie liefert. Wieder einmal. Zeigt sich verletzlich, präsentiert ihre missglückten Schönheits-OPs, macht sich seelisch nackt.

Schon jetzt rechnen ihr Kenner der Show gute Chancen als Gewinnerin aus. Denn die Lust an tragischen Frauenleben ist zeitlos. Wenn eine Frau nichts hat außer ihrem eigenen Körper und den beim grotesken Versuch der Selbstoptimierung sogar selbst missbraucht, wird über sie gelästert. Wenn sie dazu allerdings brav lächelt, wie Rowe es tut, wird sie dafür kurz belohnt.

Aber das reicht nicht, um eine echte Gewinnerin zu sein. Wie auch das Preisgeld nicht reichen wird, das ihr winkt. Ein YouTuber, der früher mal Chefredakteur bei Bild war und der die Journalistin, die Djamila Rowe damals für ihre eigene Karriere benutze, beförderte, will ab sofort keine Rundfunk-Gebühren mehr zahlen, weil er die „Ausgewogenheit“ der Öffentlich-Rechtlichen nicht sehen kann.

Mein Vorschlag: Jeder, der sich Frau Rowe zur Entspannung im kalten Winter 2023 im TV anschaut, sollte 18,36€ an ein Medienopfer wie sie spenden. Für mehr Ausgewogenheit in der Branche.

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